Verloren in den un-endlichen russischen Wäldern - um Mitternacht herum

Als nächstes sah ich im Halbdunkel einen Lastwagen voller Mädchen.
Nein, es war keine Fata Morgana.
 
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Ich erzähle weiter ....

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Im Halbdunkel erkannte ich also einen Lastwagen. Darin und darauf und davor und daneben und darum herum eine Schar Mädchen.

Mädchen jeden Alters, vom Toddler bis zum Teenie.

Ich hatte den Eindruck, sie seien von einem Ausflug zurückgekommen, und nun vergnügten sie sich damit, von der Ladefläche des LKW runterzuspringen, wieder raufzuklettern, und wieder runterzuspringen.

Vielleicht übten sie ja für eine Spring-WM, oder so.

Ein Mädchen stand etwas abseits und sprach in ihr Handy.

Ich dachte: "Wenn sie telefonieren kann, kann sie mir auch den Weg zur Turkestan Straße nennen."

Ich ging also auf sie zu, und sagte mein Sprüchlein.

Sie nickte verständig, und beratschlagte sich dann mit anderen Mädchen.

Und dann antwortete mir der ganze Chor.

Nehmen wir mal an, es sei ein Chor der Engel gewesen.

Sie sprachen und sangen in dieser Weise:

"Gloria in excelsis Deo, und Frieden den Menschen auf Erden, die da in den russischen Wäldern des rechten Weges sind! Wahrlich, wahrlich, wir sagen dir: Wir verkünden dir eine große Freude! Du bist des rechten Weges! Nur noch eine kleine Weile, und die Straße Turkestans wird mit dir sein!

Wo aber diese Straße Turkestans ist, das vermögen wir nicht zu singen und zu sagen.

Doch sei gewiss: Sie ist ganz naaaaaah ..... ganz naaaaaah ..... ganz naaaaah ....

Nun gehe dahin in Frieden!"

Erfreut sagte ich: "Spasibo!" und: "Do Swidanja!" und ging den Weg des Waldes weiter.
 
Bald konnte ich schon das Geräusch von Autos hören. Ich war also wirklich nahe an der gesuchten Straße. Aber wo genau die Straße war, das wusste ich noch nicht. Ich kam an ein Haus, wo ein Mann gerade hoch oben auf einer Leiter stand. Ich fragte ihn mit meinem Spruch: "Wo ist die Turkestan-Straße, bitte?" Auf Russisch natürlich. - Und er stieg herab, um freundlich Rat und Auskunft zu geben dem reisenden Fremden.
 
Es war ein kluger Mann, der da herabstieg, um freundlich Rat und Auskunft zu geben dem reisenden Fremden.

Und er fragte freundlich, welche Hausnummer das gesuchte Haus denn habe?
Diese Zahl aber überstieg meine Russisch-Kenntnisse.

Ich versuchte, die Zahl per Handzeichen darzustellen.
Der kluge Mann jedoch hatte ein bessere Idee.
 
Der kluge Mann betrachtete die dreistellige Hausnummer.
Und dann deutete er auf eine Straße in der Nahe seines Hauses, und gab auch an, in welche Richtung ich dort gehen sollte.

Ich ging um sein Haus herum und auf die angezeigte Straße und dort in der richtigen Richtung weiter.
Der Mann ging mit mit und zeigte an auf eine Tafel an seinem Haus, auf der anderen Seite, die man nun erst sehen konnte.

Und dort stand es groß und breit und deutlich in kyrillischen Buchstaben, so dass auch ich es gut zu lesen vermochte: Uliza Turkestanskaja!
Also: Turkestan-Straße.

Das Haus jenes klugen Mannes war ein Eckhaus und gehörte schon zur Turkestan-Straße.
So war es natürlich sinnvoll, dass er mich nach der Nummer gefragt hatte.

Ich selber hatte zuerst gedacht: "Warum fragt er denn nach der Nummer? Das ist doch erstmal nicht so wichtig. Er soll mir doch erst mal sagen, wo die Turkestan-Straße überhaupt ist, das Weitere wird sich dann schon finden ...."
 
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Und weiter dachte ich: Was für ein freundlicher und kluger Mann! Wollen wir hoffen, dass, wenn ein Russe sich in Deutschland nachts im Walde ver-irrt und um Mitternacht im Wald mit fragendem Lächeln sagt: "Frankfurter Straße?" - dass man ihm dann auch so freundlich hilft!
 
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