Hallo
Tatsache ist: Tibet war nie ein Land wie jedes andere. Die tibetische Kultur ist von äußersten Extremen gekennzeichnet, die es zwar auch in anderen Kulturen gegeben hat, jedoch konnte dieses mittelalterliche System bis in unsere Zeit hinein ohne einschneidende Reformen überleben. Allein dieser Anachronismus macht es zu etwas ganz Außergewöhnlichem. Doch schon seit alters her setzen krasse Widersprüche die tibetische Gesellschaft ständigen Zerreißproben aus. So standen sich hier ein hoher ethischer Anspruch von Mitgefühl und Gleichmut (Mahayana Buddhismus) und eine von grässlichen Dämonen geplagte Welt gegenüber. Nicht einfache Menschen und Mönche übten auf dem "Dach der Welt" die politische Gewalt aus, sondern die Inkarnationen von Überwesen, die in der Hierarchie noch über den Göttern standen. In den tantrischen Riten wurde die Frau als eine "Göttin" angebetet, außerhalb der sexualmagischen Rituale aber, in der Gesellschaft und im monastischen (mönchischem) Leben, spielte sie eine völlig untergeordnete und verachtungswürdige Rolle.
Tibet ist auch nicht deswegen ein "Land der Geheimnisse", weil esoterikgierige Westler dies dort hinein projiziert haben, sondern weil der tibetische Buddhismus eine Mysterienreligion darstellt und deswegen, seinem eigenen Verständnis nach, zutiefst okkult ist.
Ein politisch-religiöser Machtcoup war auch die "Entdeckung", dass König Songtsen Gampo eine Inkarnation des Bodhisattva Avalokiteshvara gewesen sei (und damit eine Vorinkarnation des jetzigen Dalai Lama). Diese "Entdeckung" wurde erst durch den V. Dalai Lama im 17. Jahrhundert gemacht. Sie erwies sich für die Begründung und Festigung seiner weltlichen Machtansprüche (und der seiner Nachfolger) als eminent wichtig, denn er stattete sich dadurch mit der Aura des sakralen Königtum aus. Als eine Wiedergeburt des Songtsen Gampo konnte der V Dalai Lama die realpolitische und spirituelle Befehlsgewalt über Tibet in sich vereinigen und ein umfassendes "Priesterkönigtum" errichten, welches bis heute andauert. Diese machtpolitische Manipulation des "Großen Fünften" wird von einigen Tibet-Experten einfach verschwiegen, um nicht die jetzige "Wiedergeburt" des Kriegerkönigs Songtsen Gampo, den heutigen XIV Dalai Lama zu kompromittieren.
Ebenso wie der grausame König Songtsen Gampo ist der unheimliche und höchst okkulte "Großzauberer" und Schamane Padmasambhava, der heute herrschenden Doktrin nach, eine Vorinkarnation des jetzigen Dalai Lama.
Königs Ralpachan, der sich durch seine repressive Staatspolitik hervortat, war übrigens der einzige Yarlung Herrscher, dessen absolute Loyalität gegenüber dem Buddhismus verbürgt ist. Heute würde man ihn als einen fundamentalistischen Fanatiker bezeichnen. Trotzdem sehen ihn einige sogenannten "Experten" als einen gelehrten Wegbereiter der buddhistischen Lehre. Ralpachan, kann als ein überzeugter, ja fanatischer Anhänger des Buddhismus angesehen werden. Dies ergibt sich unter anderem aus einem von ihm erlassenen Gesetzestext, der die Rechte der Mönche weit über diejenigen des gemeinen Volkes stellte.
Wer zum Beispiel mit einem Finger auf einen Ordinierten zeigte, dem sollte dieser abgeschnitten werden. Wer über die Lehre des Buddhas schlecht redete, dem wurden die Lippen verstümmelt. Wer einen Mönch schief ansah, dem stach man die Augen aus, und wer ihn bestahl, der musste das Fünfundzwanzigste des Wertes ersetzen. Je sieben Familien des Landes hatten für den Unterhalt eines Lamas (Mönches) aufzukommen. Der Herrscher selbst unterwarf sich voll den religiösen Vorschriften und soll einer Mönchsgemeinschaft beigetreten sein. Es ist nicht verwunderlich, dass er nach der Durchsetzung eines solch harten Regimes im Jahre 838 n. Chr. ermordet wurde.
Der Nachfolgekönig Langdarma, der viele Gründe hatte, sich gegen den buddhistischen Terrorstaat seines Vorgängers Ralpachan zu stellen, wurde Jahrhunderte lang zur Gegenfigur des tibetischen Buddhismus schlechthin hochstilisiert und gilt bis heute als der Erzbösewicht des Lamaismus. König Langdarma verbot die buddhistische Lehre und vertrieb konsequent die Mönche aus ihren Klöstern. König Langdarmas wiederum wurde durch einen buddhistischen Mönchen getötet.
Diese Tat schuf die Voraussetzung für die Übertragung der weltlichen Herrschaft (die bis dahin ausschließlich durch die tibetischen Könige und den Adel ausgeübt wurde) auf die Priesterkaste und sicherte sich deswegen in der tibetischen Kultur den Stellenwert eines Gründungsmythos.
aus.
Buddhismusdebatte
Alles Liebe. Gerrit