Woher der Ärger kommt, weiss ich nicht. Mir ist aufgefallen, dass ich äusserst hilfsbereit jenen Menschen gegenüber bin, die Hilfe benötigen oder ein Anliegen haben, die eine Frage stellen und gerne eine Antwort möchten. Leuten hingegen, die einfach eine Behauptung in den Raum stellen, ohne darüberhinaus Raum für Diskussion zu lassen, denen gegenüber empfinde ich oft lediglich einen grosen Ärger, und es entsteht in mir der Wunsch, ihnen verbal richtig scharf den Boden unter den Füssen wegzuziehen (was fast immer nur darin endet, dass der Gegenüber dann beleidigt ist und sonst überhaupt nichts).
Es hat sicher etwas mit Zweifeln zu tun: Zweifel ist mir schon fast heilig. Ich zweifle an allem und jedem. Mir wurde früher der "richtige Glaube" von verschiedensten Seiten aufgedrängt und ich hatte dauernd innere Krämpfe damit, wie ich auf diese Weise geistig vergewaltigt wurde. Niemand dieser fröhlichen Christen konnte mir erklären, warum ihre Religion so viel richtiger und echter und ausgerechnet wertvoller sein sollte, als jede andere Religion. Zweifel war das stärkste Mittel, das ich in der Hand hatte, um sie zu widerlegen. Sie glaubten - ich wusste. Sie glaubten viel, ich wusste wenig, aber ich wusste, und das war mir immer tausendmal wichtiger als jeder Glaube. Ich musste mich richtiggehend durchsetzen gegen die dauernd ablaufenden subtilen Versuche, einem etwas aufzudrängen. Es beginnt bereits beim Tischgebet. Wozu soll ich diesem mir völlig fernen Gott für etwas danken? Soll ich mich dem Tischgebet verweigern und dadurch einen Streit heraufbeschwören, für nichts und wieder nichts?
Zweifel ist die stärkste Kraft, die dem existentiellen Menschen zur Verfügung steht, denn dieser hat (noch) keinen Zugang zum Wissen, das über den Zweifel hinausgeht. Die Gläubigen wollen ihn dir ausreden. Sie fühlen sich bedroht durch den Zweifel, denn gegen ihn kommen sie nicht an. Also übertönen sie deinen Zweifel mit umso lauteren Halleluja-Rufen, und während sie immer lauter schreien, wirst du immer stiller und leiser, und in dir wächst und wächst die Wut, die Abscheu und der Hass.
Im Zuge der Selbstdekonstruktion des Zweifels, der sich auf sich selbst anwandte, verlor ich dann erstmal jeglichen geistigen Boden unter meinen Füssen. Ich bemerkte zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich überhaupt nichts wusste. Nicht einfach nur wenig, sondern buchstäblich nichts. Nur jemand, der das selbst erlebt hat, weiss wirklich, wovon ich spreche. Es ist der komplette Irrsinn.
Im Moment, in welchem sich die Dekonstruktion gänzlich selbst dekonstruiert hatte, erlangte ich endgültiges Wissen. Auch das kann man niemandem erklären, der das nicht selbst erlebt hat, aber sobald du es erlebst, weisst du mit unumstösslicher, felsenfester Sicherheit, dass es jetzt niemals mehr im Leben etwas zu glauben gibt. Alle Zeit des Glaubens und alle Zeit des (Schein-)Wissens ist vorbei, jetzt hast du echtes Wissen gefunden. Es ist egal, ob das jemand glaubt oder nicht, ob andere dir Arroganz unterstellen oder nicht. Du selbst weisst, dass du am Ende einer Suche angekommen bist.
Ab jetzt geht es nur noch darum, dieses Wissen in seiner ganzen Tiefe auszuloten, hineinzuwachsen und dich darin zu verlieren.
Meine Empfindung, wenn ich Einträge lese, wie den von mir kritisierten, ist, dass sich hier ein Dreikäsehoch mitten auf den Marktplatz stellt, und brüllend irgendwas verzapft, was er nun für seine Wahrheit hält. Ramakrishna - was soll ich mit dem Typen? Was hat der mir zu geben? Mehr Wahrheit, als ich bereits besitze? Noch mehr Wahrheit? Gibt es mehr Wahrheit, als die eine Wahrheit? In mir entsteht der unbändige Wunsch, diesem Dreikäsehoch eins aufs Maul zu geben, ihn zu entlarven. Er glaubt, aber er meint, zu wissen. Das ganze Christentum ist eine einzige Auseinandersetzung zwischen jenen verhältnismässig wenigen (meist Mystikern) und der grösseren Anzahl anderer, welche als den Konflikt zwischen Esoterik und Exoterik angesehen werden kann. In diesem Forum gibt es mehr Esoterik als anderswo, aber die Exoterik beherrscht es trotzdem in weiten Teilen. Es müsste also korrekt Exoterikforum heissen, nicht Esoterikforum, weil hier in erster Linie Glauben bekundet wird statt Wissen. Ich habe nichts dagegen, wenn Leute ihren Glauben kundtun, aber niemand soll mir diesen Glauben aufzwingen, und erst recht soll niemand mir diesen Glauben als Wissen verkaufen.
Und ich erwarte, dass die Leute gefälligst auseinanderhalten können zwischen dem, was sie wissen, und dem, was sie glauben.
Wer weiss, hat kein Bedürfnis mehr, sich auf den Marktplatz zu stellen und herumzuschreien. Ich habe lange genug unter Menschen gelitten, die mir ihren Glauben als Wissen verkaufen wollten. Oder wahlweise anders formuliert: Die mir ihre egoische Verzückung als Liebe verkaufen wollen. Jawoll, da ist durchaus auch Bitterkeit in meiner Rede. Arroganz oder Überheblichkeit - vielleicht, vielleicht auch nicht, das interessiert mich nun wirklich nicht.
Und da kommt einer, ausgerechnet in einem Esoterikforum, wo es um Wissen gehen sollte, statt um Glauben, da kommt also einer und behauptet:
"WER GLAUBEN HAT , HAT ALLES und wer keinen hat , hat nichts."
Exakt mit dieser Aussage wird die Unterdrückung fortgeführt. Ramakrishna hätte sagen sollen: "Wer Wissen hat, hat alles, und wer keines hat, hat nichts." Dann hätte man jeden Menschen festnageln können. Man hätte ihn offen fragen können: Was weisst du denn? Kannst du es mir zeigen? Und man hätte jeden entlarven können, der unaufrichtig ist. So aber bleibt es beim Glauben. "Glaube", das Wort besagt eben sehr viel mehr über das Selbstverständnis der Vertreter einer Religion. Warum wird nicht der Begriff "Wissen" benutzt? Wissen ist überprüfbar, Glaube nicht.
Als ob das nicht genug wäre, kommt dann auch noch die Liebe ins Spiel. Im Namen der Liebe Gottes zu den Menschen unternahmen die Christen Kreuzzüge. Braucht jemand, der Liebe besitzt, auf die Weise wie im Post ein Halleluja-Geschrei anzustossen? Wirkt Liebe nicht eher im Stillen, im Verborgenen, im Ruhigen? Braucht sich Liebe wirklich auf diese marktschreierische Weise ihrer selbst zu versichern?
Ich wünsche allen zum Abschluss dieses Posts ein schönes Halleluja allerseits.
Ramakrishna - wir danken dir!