Es tut mir leid, ich musste nach 3,10 abbrechen, weil ich das Thema nicht mehr ertrage. Dass eine sog. Wissenschaftlerin sich erdreistet, einen quasi Kollegen aufgrund seiner Hautfarbe nicht mehr anzuhören, ist kein Antirassismus, sondern Rassismus. Dass diese Aktivisten das noch immer nicht begriffen haben, tut mir mittlerweile fast schon körperlich weh.
Und zwar u.a. deshalb, weil ich unmittelbar selbst von dieser Ideologie betroffen bin beruflich. Ich bin Autorin und habe immer gesellschaftskritische Sachen geschrieben, bis ich draufkam, dass heutzutage nicht mehr zwischen den Zeilen gelesen wird - heißt, wenn man beispielsweise einmal aus Sicht eines Serienmörders schreibt, wird dem Autor automatisch Sympathie mit Serienmördern angedichtet, selbst wenn eine schockierende Serienmörder-Perspektive vielleicht eher aufrütteln und abstoßend wirken sollte.
Noch schlimmer ist aber, dass in der Literatur-Szene mittlerweile ernsthaft diskutiert wird, ob Männer über Frauen schreiben dürfen, Weiße über Schwarze, Heteros über Homosexuelle, usw. usf., da alles als "kulturelle Aneignung" usw. betrachtet wird.
Denn für die Kunst an sich bedeutet diese (anti-)rassistische Ideologie letztendlich: Man darf nur noch das schreiben, was man selbst ist. Ist man kein Brillenträger, darf man dem Charakter im Buch keine Brille aufsetzen. Ist man kein Bäcker, darf der Charakter im Buch auch keiner sein.
Ja, Tschüss, Recherchefähigkeit, denn wozu noch recherchieren, wenn man eh nicht mehr darüber schreiben soll?
Ansonsten finde ich die Theorie der "kulturellen Aneignung" (bin mir sicher, das kommt in dem Beitrag irgendwo auch noch vor) besonders absurd, weil sie rechtsradikales, nationalistisches Gedankengut, gegen das man ja angeblich vorgeht, 1:1 unterstützt. Bei der Black Live Matters Bewegung (Malcolm X kennen wohl etliche Verteidiger dieser Bewegung eh nicht) las ich auf Twitter folgenden Dialog (sinngemäß) - tut mir leid wegen der rassistichen Hautfarbenbezeichnung, aber genau darum ging es den Beteiligten selbst:
BLM-Anhänger ("halbschwarz") zu BLM-Anhänger - offenbar irgendeine "Anführerin" ("schwarz"): "Hi, ich will mir am WE Rastazöpfe machen lassen, aber dann fiel mir ein, dass ich ja nur einen schwarzen Elternteil hab. Darf ich mir Rastazöpfe flechten oder ist das kulturelle Aneignung, weil ich ja nur halbschwarz bin?"
BLM-Anhänger-Anführerin: "Natürlich darfst du dir KEINE Rastas flechten lassen, du bist halbweiß, du hast nicht das Recht dazu, unsere Kultur einzuvernehmen (aber danke, dass du vorher fragst."
So etwas lese ich auf Twitter quasi laufend. Seit Neuestem ist es offenbar auch verpönt, eine Fremdsprache zu lernen. Als Österreicher oder Deutscher darf man vielleicht noch Französisch lernen (für die französische Schweiz, außerdem sind die Franzosen weiß) und na gut, aufgrund Österreichs Geschichte eventuell noch italienisch, Englisch ist auch ok (British English), aber Spanisch wird schon problematisch, weil "Latinos" nun mal nicht "weiß" sind, und man mit einer Fremdsprache wieder "kulturelle Aneignung" betreibt, also versucht, kulturelle Macht über die jeweilige Kultur zu erlangen.
(Äh ja, das schau ich mir dann mal an, wie ich so als Westler mit meinen paar Japanischkenntnissen in Japan dann kulturelle Macht erlange XD .)
Also anders gesagt: Der Antirassismus von heute verbietet kulturelle Annäherungen zueinander. Richtig "antirassistisch" ist es, wenn man kein Yoga, kein Qi Gong, kein TCM, kein Ayurveda mehr macht und am besten auch alle China-Restaurants hier meidet (ist ja egal, wenn die pleite gehen, wenigstens meidet man dann seine rassistische Neigung, dort was Leckeres essen zu wollen).
Man sollte sich offenbar auch hüten, Fremdsprachen zu lernen - wer braucht schon gegenseitiges Verstehenkönnen in einer Welt, in der eh jeder in seiner eigenen Kultur verhaftet bleiben sollte, also fernab von "multikulti".
Oder kurz: Dieser "Antirassismus" propagiert genau das, was Neonazis gerne propagieren: Jedem sein Vaterland, jedem seine Kultur, solange andere nicht damit in Berührung kommen müssen.
Gratuliere.
In Wien gibts immer die Afrika-Tage, wo Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten ihre Kultur präsentieren. War vor zwei Jahren dort und da war ein voll netter Teppichverkäufer, der mir 20 Minuten lang die Bedeutungen der Muster auf den Orientteppichen erklärt hatte. Ich fand das voll bereichernd, aber aus antirassistischer Sicht hatte ich hoch rassistisch gehandelt (und der Teppichverkäufer ist ein Verräter gewesen), weil wir es gewagt haben, uns kulturell auszutauschen.
: Ich vermisse echt die Zeit, wo man noch gegenseitig voneinander lernen durfte, weil man tatsächlich Interesse aneinander hat(te), ohne dass man absurder Weise als Rassist galt.
Und ich vermisse die Zeiten, in denen man auch noch menschlich sein durfte - und das schließt für mich Fettnäpfchen ein. Kann halt mal passieren, wenn man an eine völlig fremde Kultur gerät. Ich denke, letztendlich sind wir alle Menschen.