hallo jesus !
jesus schrieb:
man müsste, um sich über die soziologie der perversionen, der störungen, der sexuellen dissozialität zu unterrichten, das REALE SEXUALERLBEN mancher "ureinwohner" unseres planeten kennenlernen.
1929 erschien von dem englischen professor der ethnologie BRONISLAV MALINOWSKI, der mehrere jahre auf den trobriand-inseln, in nordwest-melanesien, die mutterrechtliche organisation der trobriander studiert hatte, ein ausführlicher bericht. "Das Sexualleben der Wilden in Nordwest-Melanesien", Grethlein, 1930.
dieses werk ist das erste und gründlichste seiner art. es liefert eine beschreibung der sexuellen verhältnisse im zusammenhang mit den wirtschaftlichen und sozialen grundlagen dieses volkes.
wenn man das so liest, gewinnt man den eindruck, dass FREUD sicher nicht falsch lag mit seiner these von der "sexualität des kindes".
die sexuelle misere in der autoritär patriarchalischen gesellschaft, scheint mir, eine folge der zu ihr gehörigen SEXUALVERNEINUNG und -UNTERDRÜCKUNG zu sein, welche zunächst sexuelle stauungen bei allen ihr unterworfenen menschen erzeugt, und auf diesem wege zu neurosen, perversionen und sexualverbrechen führt. umgekehrt bedeutet das, dass eine gesellschaft, die kein interesse an der sexualunterdrückung hat, oder historisch betrachtet, solange und insofern sie es nicht hat, frei sein MUSS von sexueller misere aller art.
im gegensatz zu unserer moralistisch geprägten kultur, gibt es bei den trobriandern, die moralgebote wie wir sie haben, nicht kennen, keinerlei "Widernatürliche Unzucht". erscheinungen wie sodomie, homosexualität, fetischismus, exhibitionismus und masturbation gelten den eingeborenen nur als armselige ersatzmittel für den natürlichen geschlechtsverkehr. MALINOWSKI: "im folgenden gebe ich einige typische bemerkungen zum thema perversionen wieder: >kein mann und keine frau in unserem dorfe tut es.< >niemand durchbohrt gern exkrement.< >kein mensch hat seinen hund lieber als seine frau.< >nur ein idiot (tonagawa) würde das tun.< >nur ein tonagawa onaniert. es ist eine grosse schande; wir wissen dann, dass keine frau mit ihm koitieren will; wir wissen: ein mann, der das tut, kann keine frau erwischen.< alle aussagen der eingeborenen betonen das unbefriedigende des ersatzes, des notbehelfs, und sie folgern daraus sowohl die bedauernswerte armseligkeit des betreffenden, als auch sein sexxuelles manko...." (S.336ff).
daraus können alle "ängstlichen" lernen, wenn sie nicht schon durch die psychoanalytische erforschung der perversionsentstehung überzeugt wurden, dass freiheit des sexuellen partialtriebes in der kindheit nicht an sich, sondern erst unter der bedingung der SEXUALVERDRÄNGUNG zur perversion führt.
lg
das ist ein thema, von dem ich ein bischen ahnung habe, und deswegen muss ich meine meinung abgeben.
obwohl du sie ziemlich gut dabei aussteigen laesst, finde ich es ziemlich fies, dass es immer die "wilden" sind, die fuer derlei vergleiche herhalten muessen.
es ist eine romantische sicht der dinge und fuer meinen geschmachk ist der schluss, den du ziehst, ein zu kurzer.
was bringt dich zu der annahme, diese sogenannten "urmenschen" seien so viel "natuerlicher" oder "wahrer" als unsereins, wie ich es aus deinem text herauslese ? weil sie keine handynummer haben ? -uebrignes, die unterscheidung zwischen natuerlich und kuenstlich (oder zivilisiert, oder wie auch immer du es nennen magst), gibt es ausschliesslich in der westlichen welt). wenn du ein kind aus papua-neuguinea bei uns aufziehst, wird es ein "moderner" mensch, wie du und ich.
wie kommst du darauf sie seien "kindlicher" als der westliche mensch ? vielleicht habe die trobriander einfach einen anderen schwerpunkt im leben ? eine andere idee von der welt ?
erwiesenermassen haben naemlich
alle menschen dieses planeten zu 99,9% identisches erbgut. das denken in rassen wird somit obsolet. somit auch die idee, sie koennten irgendwie duemmer oder schlauer sein als wir. ich glaube sie haben einfach eien anderen lebensstil, so wie zb. auch jede familie sich von der naechsten unterscheidet.
und malinowski ist nun wirklich nicht das heisseste am wissenschaftlichen parkett, dass du hervorzaubern konntest !
bei aller liebe. seine werke enstanden zu einer zeit, in der die wissenschaftlichen paradigmen vollkommen andere waren. und wenn ich auch schon wieder damit anfange: es war die zeit, in der der sozialdarwinismus ein breite stroemumg der sozialwissenschaften ausmachte. und dies die wissenschaftliche rechtfertigung fuer groesseres unheil im vergangenen jahrhundert. man hat damals schaedel (nasen und zehen etc) vermessen und daraus auf den charakter eines menschen geschlossen- zb ein mensch mit zusammengewachsenen zehen ist ein verbrecher. (und ich denke das klingt fuer den geneigten leser genauso absurd wie fuer mich). auch wenn malinowskis funktionalismus in eine andere richtung zielte, war er unbestreitbar ein kind seiner zeit.
ich gehe so weit, auch jedem heutigen ethnologen eine tendenz zum voyeurismus nachzusagen, auch wenn es ein ziel der disziplin ist, diesen loszuwerden. und ich glaube, dass es noch hundertmal schwerer ist menschen zu verstehen, wenn sie sich in ihrer lebensart so sehr unterscheiden wie herr malinowski und die trobriander, als es nicht ohnehin schon ist zwischen dir und mir !
die geschichte der ethnologie war jahrhunderte lang ein srteit darum, ob die "wilden" ueberhaupt menschen waeren (oder nicht doch tiere !?) die westliche welt also maste sich an, ueber den rest der welt urteilen zu koennen. sie "entdeckte" amerika und beutete ueber jahrhunderte "minderwertige rassen" aus, indem sie die welt versklavte und sich ihr hab und gut und grund und boden zu eigen machte. dass unsere gesamte wirtschaft allein darauf basiert, brauch ich wohl nicht extra zu erwaehnen. dass man versucht vorurteilsfrei auf andere zuzugehen, ist eine relativ neue entwicklung.
die ethnologie ist eine sehr sensible, menschliche wissenschaft. heute.
und es gibt den begriff der "ethnizitaet". er bezeichnet die beziehung zwischen menschen verschiedener herkunft. (ungefaehr wie "freundschaft"-das ist auch etwas was zwei menschen miteinander haben koennen, einer allein wohl eher nicht)- ein wunderbares konzept, welches gleichwertigkeit ausdruecken soll. um zu verhindern, dass eine beteiligte partei voll von vorurteilein und westlicher uberheblichkeit (es gibt uebrigens wenige profilierte, nichtwestliche ethnologen) auf die andere herabsieht und ihre vorstellungen auf sie projeziert.
uebrignes gibt es buecher, die aus der sicht eines stammeshaeuptlings geschrieben, einen blick auf unsere kultur werfen. lies so etwas, du wirst dich nicht wiedererkennen.
malinowskis theorie ist spaetestens seit bourdieus synthese der alten schulen unwesentlich fuer die praxis der postmodernen ethnologischen forschung. und somit ein stueck wissenschaftsgeschichte.
malinowski war im pazifik um seine theorien aufzustellen. und es ist erwiesen, dass die beobachtung einfluss auf das verhalten des beobachteten "objekts" hat.
wie kannst du fuer bare muenze nehmen, was du in einem 1930 veroeffentlichen buch liest ?
wenn du schlaue beispiele anfuehren willst, warum schaust du dich nicht einfach in deiner umgebung um (oder schreibst ueber dich selber. aber oft kennt man sich nicht einmal selber gut genug, oder ? und wie gerne urteilt man schon ueber sich)?
oder erzaehlst du immer jedem fremden, der dich fragt, ganz ehrlich, was du privat treibst ? gibt es nicht auch bei uns konvetionen, die zu brechen du nicht zugeben wuerdest ?
und: glaubst du, jeder erzaehlt dir die wahrheit, wenn du ihn ueber sein sexualleben ausquetscht ? oder andersrum: hoerst du nicht auch manchmal nur die dinge, die du gerade hoeren moechtest ?
und: woher weisst du ueberhaupt, dass dein standpunkt der "richtige" ist ?
is nix persoenliches, wollt ich nur mal gesagt haben !
lg mitsy