Jemanden bedingungslos zu lieben kannst du am besten vergleichen mit Mutterliebe. Du liebst deine Kinder bedingungslos und für immer. Sie sind ein teil von dir. Du fühlst an deinem Körper, wenn es deinem Kind nicht gut geht. Es ist die LIEBE. Die uns von Mutter Erde gegeben wurde um das Leben auf unserem Planeten zu schützen und weiter geben. Und genau diese Art der Liebe kann es auch zwischen Mann und Frau zu geben. Mit allem was zu einer Liebe zwischen Mann und Frau gehört. Du liebst den Partner genauso, wie dich selbst. Du wünschst dich, dass er glücklich ist. Es ist nicht die Priorität, dass es mit dir sein muss. Wenn er glücklich ist, kannst du es auch sein, denn er ist ein teil von dir. Und das höchste Belohnung ist, wenn du mit diesem Menschen auch körperlich das Leben teilen kannst. Nur es ist oft sehr kompliziert und braucht viel Mut.
Wenn das alles so göttlich und bedingungslos ist, was soll dann noch kompliziert sein? Dann verzeiht man doch eh alles völlig selbstlos, egal wie sehr die Handlungen des Partners einen auch verletzen mögen...
Sorry, aber nein. Du zeichnest da ein vollkommen idealisiertes, unerreichbares Bild einer Liebe, die so einfach nicht vorgesehen ist.
Ja, die Mutter-Kind-Beziehung ist ein Sonderfall. Nämlich der einzige Fall, wo die vollkommene Symbiose (also der Zustand, bei dem die Grenzen zweier Menschen - Mutter und Baby - zeitweilig vollkommen verschwinden) zwischen zwei Menschen gesund und angebracht ist. Aber das Ziel selbst dieser Liebe ist es, der Symbiose zu entwachsen und dass das Kind zu einem in sich selbst geschlossenen, vollständigen Individuum heranwächst. Wenn du einem gesunden 16-jährigen erzählst, er wäre "ein Teil von dir", wird er dir ordentlich was erzählen - zu Recht!
Wenn sich zwei Erwachsene in diese Art von Symbiose begeben (also einen Zustand, wo die Grenzen der Persönlichkeiten verschwimmen, wo womöglich nicht mehr gesprochen wird, sondern nur mehr "gefühlt" bzw. die Gesten des anderen gedeutet oder nur mehr mit Blicken kommuniziert wird . weil man "versteht sich ja blind", Wünsche von den Augen abgelesen werden etc.), ist das tendenziell schon pathologisches Verhalten. Da nehmen sich Menschen oft so sehr zurück, dass sie gar nicht mehr wagen, dem anderen die eigenen Bedürfnisse mitzuteilen - um das Gegenüber und das fragile Gefüge, das sie Partnerschaft nennen, nur ja nicht zu stören oder zu verletzen. Ich kenne solche Beziehungen. Das geht so lange gut, bis einer der beiden die Schnauze voll hat, weil nie offen gesagt werden "darf", was eigentlich mit einem los ist. Dann verlässt völlig unvermittelt der eine Teil das vermeintliche gemeinsame Paradies, tauscht über Nacht das Haustürschloss aus, und lässt den "Seelenverwandten" nicht mehr zur Tür hinein. Und der andere versteht die Welt nicht mehr und glaubt sterben zu müssen, weil es sich so anfühlt, als hätte man ihn amputiert. Weil ein großer Teil der er glaubte zu sein, der andere war, den er in seine Persönlichkeit hineingenommen und für ihn mitgefühlt hatte.
Nein, sorry, so funktionieren keine gesunden Beziehungen.
Der Wunsch in einer Symbiose aufzugehen, ist nicht unverständlich, vor allem wenn man selbst als Baby und Kleinkind nicht genug an mütterlicher Liebe in sich aufsaugen, und in sich hineinnehmen konnte. Aber es ist vom Leben nicht vorgesehen, dass einem als Erwachsener ein Partner diese allumfassende, bedingungslose Liebe gibt, die man zu richtigen Zeit nicht bekommen hat. Emotionale Bedürftigkeit kann nie eine Basis für eine erwachsene Partnerschaft sein. Um dieses Loch zu stopfen, darum muss man sich als Erwachsener selber kümmern.