Schön langsam wird es eng um die Heilmittelchen...

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Muss ich doch, besonders da wir hier ja einen Vertreter der Wissenschaft haben, einen neuen Gesichtspunkt einbringen:

Stand der Wissenschaft ist, dass alle alternativen Heilmethoden nur dank des Placebo-Effekt funktionieren.
Stand der Wissenschaft ist auch, dass je intensiver die Methodik ist, desto stärker wirkt der P-E. Also Spritzen haben einen höheren Effekt als Pillen, bei vorgetäuschten, invasiven Eingriffen liegt der P-E oberhalb 50%, d.h. bei mehr als der Hälfte der Patienten stellt sich Besserung ein.

Nun habe ich versucht, die Erklärung der Wissenschaft für den P-E zu finden. Es müsste ja Beschreibungen der beteiligten Wirkungsmechanismen geben. Und da die Erforschung des P-E ja schon länger läuft, müsste da doch schon einiges vorliegen.
Ist aber ziemlich dünn, was da bisher bekannt ist.

Aber, mich würde, erklärt durch einen Fachmann, schon mal interessieren, wie der Placebo-Effekt aus Sicht der Wissenschaft im Detail funktioniert.

Und, ein zweiter Gedanke: Sollte eine geistige (seelische) Komponente ein wesentliche Rolle dabei spielen, wäre die Wissenschaft überhaupt in der Lage, den P-E zu erforschen und auch befriedigend zu erklären?

:)

crossfire



Soll ich das jetzt so auffassen, dass keine Antwort die Antwort ist?

:D

crossfire
 
Hi crossfire,

bin etwas spät dran, hatte in letzter Zeit nicht so viel Zeit hier zu posten.

Ich hab mich ein wenig eingelesen in die Theorie von Placebos und festgestellt: Die Wissenschaft weiß fast gar nichts darüber.

Eines konnte man nachweisen: Schmerzlindernde Effekte sind durch die Ausschüttung von sog. endogenen Morphinen (Endorphinen) im Rückenmark erklärbar. Aber das ist ja auch nur die halbe Miete; man versteht zwar, was neurobiologisch passiert, aber nicht, was jetzt genau das auslöst, welche Areale für diese Effekte verantwortlich sind (schließlich kann man mit Placebos quasi alles heilen).

Meine persönliche Theorie: Es hat was mit Konditionierung zu tun.
Dir sagen vielleicht die Pawlow'schen Hunde etwas (hier der Link, falls nicht). Dabei wird eine unwillkürliche körperliche Reaktion an einen fixen, kontrollierbaren Reiz gekoppelt (Fleisch = Speichel. Klingel + Fleisch = Speichel. Klingel = Speichel).
Wenn man diese Theorie mit etwas Fantasie ausweitet, dann könnte man von folgender Theorie ausgehen: Der Körper reagiert auf einen Reiz (Tablette) gekoppelt mit einer kognitiven Assoziation (der Patient weiß: "Ah, das hat mit meinen Magenbeschwerden zu tun!") mit einer Antwort, die er durch frühere Einnahme gelernt hat (wenn man früher schon mal spezielle Magentabletten, die keine Placebos waren, bekommen hat).
Er reproduziert quasi einen erlernten Vorgang aus dem neuralen "Gedächtnis" (es ist übrigens erwiesen, dass wir Informationen überall im Körper, wo es Nerven/Gliazellen gibt, speichern können, auch außerhalb des Gehirns). Somit kann man auch ganz einfach erklären, wie der Placeboeffekt bei Babies und Tieren, und sogar bei Koma-Patienten wirken kann.

Zwei Probleme dabei:
1) Er kann nur Effekte reproduzieren, die er schon einmal erfahren hat. Wenn ich mit einer Tablette nicht die Wirkung eines Medikaments verbinde, ist das nicht der Fall.
2) Er kann nur Effekte reproduzieren, die er auch selbst reproduzieren kann! Die meisten Medikamente regen nur natürliche Vorgänge im Körper an (vermehrter Ausstoß von Neurotransmitter xyz, Hemmung der Produktion von diesem und jenem Stoff), das wäre für den Körper simpel "nachzustellen". Nehmen wir jetzt allerdings Zytostatika als Beispiele her: Ein möglicher Wirkvorgang mancher Zytostatika ist es, die DNA-Replikation zu "sabotieren" (indem sie Alkylgruppen an die DNA anhängen und so allerlei Tohuwabohu veranstalten). So ein Effekt könnte vom Körper nicht "von selbst" nachgeahmt werden, er müsste quasi im Alleingang einen Stoff, der die gleiche Fähigkeit hat, synthetisieren.
Eine Alternative wäre natürlich, wenn es von sich aus mit wichtigen Enzymen (wie in diesem Falle der DNA-Ligase) rumspielen würde - aber woher sollte der Körper das wissen?

Diese Erklärung ist rein spekulativ und meine persönliche Idee, wissenschaftlich gibt's zu dem Thema sehr sehr wenig. Die letztere Erklärung bezieht sich auf die "Hardcore"-Placeboheilungen (Heilung von Krebs durch Placebos z.B.).
Weniger heftige Placeboheilungen sind weniger kompliziert zu erklären - da werden halt Endorphine ausgestoßen durch diese Konditionierung und auf einmal ist das Kopfweh weg.

Das wäre eine Erklärung, warum es Leiden gibt, die man mit Placebos besonders gut "heilen" kann (wie z.B. Übelkeit, Kopfweh, Müdigkeit etc.) - interessant übrigens, dass Homöopathie genau bei eben diesen sehr placebo-anfälligen Leiden besonders gut anschlagen.

Just my two cents.
 
Hi crossfire,

bin etwas spät dran, hatte in letzter Zeit nicht so viel Zeit hier zu posten.

Ich hab mich ein wenig eingelesen in die Theorie von Placebos und festgestellt: Die Wissenschaft weiß fast gar nichts darüber.

Eines konnte man nachweisen: Schmerzlindernde Effekte sind durch die Ausschüttung von sog. endogenen Morphinen (Endorphinen) im Rückenmark erklärbar. Aber das ist ja auch nur die halbe Miete; man versteht zwar, was neurobiologisch passiert, aber nicht, was jetzt genau das auslöst, welche Areale für diese Effekte verantwortlich sind (schließlich kann man mit Placebos quasi alles heilen).

Meine persönliche Theorie: Es hat was mit Konditionierung zu tun.
Dir sagen vielleicht die Pawlow'schen Hunde etwas (hier der Link, falls nicht). Dabei wird eine unwillkürliche körperliche Reaktion an einen fixen, kontrollierbaren Reiz gekoppelt (Fleisch = Speichel. Klingel + Fleisch = Speichel. Klingel = Speichel).
Wenn man diese Theorie mit etwas Fantasie ausweitet, dann könnte man von folgender Theorie ausgehen: Der Körper reagiert auf einen Reiz (Tablette) gekoppelt mit einer kognitiven Assoziation (der Patient weiß: "Ah, das hat mit meinen Magenbeschwerden zu tun!") mit einer Antwort, die er durch frühere Einnahme gelernt hat (wenn man früher schon mal spezielle Magentabletten, die keine Placebos waren, bekommen hat).
Er reproduziert quasi einen erlernten Vorgang aus dem neuralen "Gedächtnis" (es ist übrigens erwiesen, dass wir Informationen überall im Körper, wo es Nerven/Gliazellen gibt, speichern können, auch außerhalb des Gehirns). Somit kann man auch ganz einfach erklären, wie der Placeboeffekt bei Babies und Tieren, und sogar bei Koma-Patienten wirken kann.

Zwei Probleme dabei:
1) Er kann nur Effekte reproduzieren, die er schon einmal erfahren hat. Wenn ich mit einer Tablette nicht die Wirkung eines Medikaments verbinde, ist das nicht der Fall.
2) Er kann nur Effekte reproduzieren, die er auch selbst reproduzieren kann! Die meisten Medikamente regen nur natürliche Vorgänge im Körper an (vermehrter Ausstoß von Neurotransmitter xyz, Hemmung der Produktion von diesem und jenem Stoff), das wäre für den Körper simpel "nachzustellen". Nehmen wir jetzt allerdings Zytostatika als Beispiele her: Ein möglicher Wirkvorgang mancher Zytostatika ist es, die DNA-Replikation zu "sabotieren" (indem sie Alkylgruppen an die DNA anhängen und so allerlei Tohuwabohu veranstalten). So ein Effekt könnte vom Körper nicht "von selbst" nachgeahmt werden, er müsste quasi im Alleingang einen Stoff, der die gleiche Fähigkeit hat, synthetisieren.
Eine Alternative wäre natürlich, wenn es von sich aus mit wichtigen Enzymen (wie in diesem Falle der DNA-Ligase) rumspielen würde - aber woher sollte der Körper das wissen?

Diese Erklärung ist rein spekulativ und meine persönliche Idee, wissenschaftlich gibt's zu dem Thema sehr sehr wenig. Die letztere Erklärung bezieht sich auf die "Hardcore"-Placeboheilungen (Heilung von Krebs durch Placebos z.B.).
Weniger heftige Placeboheilungen sind weniger kompliziert zu erklären - da werden halt Endorphine ausgestoßen durch diese Konditionierung und auf einmal ist das Kopfweh weg.

Das wäre eine Erklärung, warum es Leiden gibt, die man mit Placebos besonders gut "heilen" kann (wie z.B. Übelkeit, Kopfweh, Müdigkeit etc.) - interessant übrigens, dass Homöopathie genau bei eben diesen sehr placebo-anfälligen Leiden besonders gut anschlagen.

Just my two cents.


Danke für deine ausführliche Antwort.
Finde es interessant, dass du auch nicht wirklich viel gefunden hast. Das mit den Endorphinen kannte ich bereits. Aber, es fehlt eben die Beschreibung des Auslösers.

Zu deiner Theorie:

Ich hatte selbst einen autoimmune Muskel- und Nervenerkrankung, die nicht wirklich diagnostiziert werden konnte. Die aber nachgewiesen war (Blutwerte, Rheumafaktoren, Muskelverlust, Ausbreitung von "tauben", empfindungslosen Bereichen, Reduzierung der Nervenleitgeschwindigkeit).
Die Symptome konnten mit Kortison gedämpft werden.
Die Heilung erfolgte dann durch einen Prozess, der ausschließlich mit geistigen, in diesem Falle ausdrücklich seelischen Mitteln ablief. Es gab also keine Mittelchen. Sondern nur die Bewältigung seelischer Traumata. Und das über Monate. Und mein Gesundheitszustand wurde ebenso über Monate besser, bis hin zur vollständigen Heilung.

War eine eindeutige Ursache-Wirkungsbeziehung.

Die allerdings deine Theorie nicht vorsieht. Denn, die beschriebenen Mechanismen kommen in meiner Geschichte nicht vor.

Und zum Schluss noch ein bisschen Wissenschaftskritik:

Es ist durchaus vorstellbar, dass das Verstehen des Placebo-Effekts ein ultimatives Heilmittel zur Folge hätte. Denn, wäre der Effekt verstanden, könnte man ihn wohl auch gezielt auslösen. Stellt sich die Frage, warum so wenig Forschungsarbeiten in die Richtung gehen.

Zweitens: Der P-E wird von der Wissenschaft als Totschlagargument gegenüber alternativen Methoden verwendet. Was, mit Verlaub, unlauter ist. Schließlich ist der Effekt in der Wissenschaft nicht verstanden.

Gibt noch viel zu tun. und wenn die Wissenschaft mal auf mich hören wird (nach der GWUP), dann habe ich noch ein paar höchst interessante Tests in der Schublade. Medizinisch voll kontrolliert mit allen Messungen, die möglich sind.

:)

crossfire


 
Es ist durchaus vorstellbar, dass das Verstehen des Placebo-Effekts ein ultimatives Heilmittel zur Folge hätte. Denn, wäre der Effekt verstanden, könnte man ihn wohl auch gezielt auslösen. Stellt sich die Frage, warum so wenig Forschungsarbeiten in die Richtung gehen.
Ich hab noch nie Wissenschaftskritik hier recht gegeben, aber in diesem Falle muss ich dir leider zustimmen. Ich verstehe nicht, warum die Forschung in diese Richtung so arg vernachlässigt wird (vielleicht wird sie das ja nicht, sondern ist nur sehr unergiebig).

Ich bin leider kein Mediziner oder Biochemiker, sonst würde ich mich der Sache selbst annehmen. Man könnte ja einfach anfangen, indem man den Placebo-Effekt "beobachtet" (wann/wo tritt er verstärkt auf, unter welchen Umständen, bei welchen Leuten), und anhand der Auswertung dieser Daten dann mal ein grobes Grundgerüst erstellt.

Ich stell mir das ehrlich gesagt nicht so schwer vor, ich mein wir haben alle Möglichkeiten, Körperfunktionen zu scannen.


Die Eigenerfahrung, die du beschreibst, hat streng genommen nichts mit dem Placeboeffekt, sondern allgemein mit Psychosomatik zu tun.
 
Ich hab noch nie Wissenschaftskritik hier recht gegeben, aber in diesem Falle muss ich dir leider zustimmen. Ich verstehe nicht, warum die Forschung in diese Richtung so arg vernachlässigt wird (vielleicht wird sie das ja nicht, sondern ist nur sehr unergiebig).

Ich bin leider kein Mediziner oder Biochemiker, sonst würde ich mich der Sache selbst annehmen. Man könnte ja einfach anfangen, indem man den Placebo-Effekt "beobachtet" (wann/wo tritt er verstärkt auf, unter welchen Umständen, bei welchen Leuten), und anhand der Auswertung dieser Daten dann mal ein grobes Grundgerüst erstellt.

Ich stell mir das ehrlich gesagt nicht so schwer vor, ich mein wir haben alle Möglichkeiten, Körperfunktionen zu scannen.


Die Eigenerfahrung, die du beschreibst, hat streng genommen nichts mit dem Placeboeffekt, sondern allgemein mit Psychosomatik zu tun.


Stimmt, war eher Psychosomatik.

Gut, dann nehmen wir eben diesen australischen Versuch, wo invasive Eingriffe am Knie vorgetäuscht worden sind. Und die vorgetäuscht operierten Patienten schneller Heilungseffekte zeigten. und das in über 50% der Fälle.

Bin übrigens auch der Meinung, dass hier viel Forschungspotential nicht wirklich ausgeschöpft wird. Okay, die Pharmaindustrie wird auf diesem Gebiet nicht forschen. Aber, es gibt ja auch noch genügend andere Einrichtungen.

:)

crossfire
 

Nachtrag zur Erforschung des P-E:

Ist natürlich ein schwieriges Gebiet. denn, eigentlich müsste der Arzt den Patienten aufklären, dass er nur Placebos bekommt. Dann würde der P-E aer nicht mehr funktionieren. Also muss der Patient getäuscht werden. Das ist aber mit der ärztlichen Ethik nicht wirklich vereinbar.

Diese Problematik müsste zuerst gelöst werden.

:)

crossfire
 
Die Forschung in dieser Hinsicht ist wahrscheinlich am ehesten Aufgabe von medizinischen Hochschulen, mithilfe von Daten, die sie durch Krankenhäuser erhalten.


Meine Theorie ist löchrig, aber daran lässt sich ja arbeiten. Zumindest kann man den Placeboeffekt bei Tieren und Babies damit erklären ;)
 
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... aber in diesem Falle muss ich dir leider zustimmen. Ich verstehe nicht, warum die Forschung in diese Richtung so arg vernachlässigt wird ...

ich verstehe das schon:

weil es zum system gehört dass unliebsames unterdrückt wird - wer schlachtet schon das huhn welches goldene eier legt

irgendwann wird auch der letzte erkennen, wie gross die lüge eigentlich ist, mit der man uns seit tausenden von jahren einlullt

lg
 
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