Narrative interessieren mich in diesem Zusammenhang nicht.
Vielleicht solltest Du Dich ein wenig mehr für sie interessieren, denn sonst passiert es sehr leicht, dass man selbst welche bedient, die man nicht bedienen möchte.
Kleine Anmerkung, weil ich mich wahrscheinlich missverständlich ausgedrückt habe: Ein Narrativ ist ein Erzählungsmuster. Das ist a priori nichts schlimmes. Mir kommt es mehr drauf an, keine narraive zu bedienen, die man nicht bedienen möchte. also, wenn man schreibt, die Sache neutral-nüchtern aus der Sicht z.B. eines Außerirdischen betrachten und bewerten zu wollen, passen einige Narrative nicht gut dazu, die du aber durchaus doch zu bedienen scheinst. Ich werde gleich in meiner Antwort mal drauf hinweisen, wo ich das zu sehen glaube.
Die EU ist als Wirtschaftsblock ist aber natürlich von der NATO nicht zu trennen. Ich glaub das ist doch sehr eindeutig.
Sobald es eine Gesamt-Europäische Armee gibt, würde ich dem zustimmen, weil die große Mehrheit der EU-Staaten auch NATO-Mitglieder sind. Aber so lange die Bewaffnung noch individuelle Sache der EU-Staaten sind, kann und muss man da durchaus noch differenzieren.
Nein das hab ich nicht vergessen, aber die Ukraine ist hier nicht der geostrategische Akteur. Die Russen sitzen auf einem Atomarsenal. Die Ukraine wäre bloß der Baustein inder Sicherheitsarchitektur des Westens, den Russland nicht dulden kann, während sich für den Westen mit der Ukraine in der Sicherheitsarchitektur Russlands nichts wesentliches ändern würde.
Die Ukraine hat allerdine die gleichen Bedürfnisse und Anliegen wie Russland. Sie wollen sicherheit und Souverenität. Russland als Atommacht ist zwar stärker und damit geostrategisch bedeutsamer, das macht die entsprechenden Bedürfnisse der Ukraine aber nicht weniger betrachtenswert. ansonsten würden wir schnell fatalistisch die Welt rein nach dem "Recht des Stärkeren" nicht nur betrachten sondern auch bewerten und beurteilen.
Innerhalb des liberalen universalen Narrativs der nationalen Souveränität mag das so aussehen, aber ich denke ich habe ausreichend argumentiert warum diese Sichtweise an der Realität scheitert. Die Realität ist ein russischer Bär, der aus einem überlebenskalkül heraus nicht dulden kann, dass der Bereich vor dem Eingang seiner Höhle ein Jägerstand werden soll, ob der Jäger dann später drin sitzt oder nicht.
Und weil Russland der starke Bär ist, sind die anliegen der Ukraine nicht mehr beachtenswert bzw. nicht mehr zu respektieren? Die Höhlenfledermaus kann aus einem ähnlichen Kalkül heraus nicht dulden, dass der Bär sie vereinnamt.
So wie sich die Sache für mich darstellt, sollten sich die europäischen Nationalstaaten mehr um ihr eigenes Überleben kümmern und auf alte europäische Werte besinnen, sowie eine realistische außenpolitische Position einnehmen zu deren internationaler Anerkennug militärische Stärke unumgänglich ist.
Auf welche europäischen Werte genau beziehst Du Dich hier? Denn meiner Mieinunge nach besinnt sich die EU mit der Unterstützung der Ukraine durchaus auf europäische Werte.
Ok bleiben wir kurz bei der Sache mit der Provokation. Du scheinst hier bereits Andeutungen in meinem Text gefunden zu haben in denen du meinst dieses Narrativ der nicht existenten Provokation heraus zu lesen. Gut, ich schreibe auch von mehreren Eskalationsstufen. Das allein ist für mich kein Narrativ, aber ich bin tatsächlich der Meinung, dass der Westen hiergezielt provoziert hat.
Ich sehe in Deinen Texten durchaus, dass du versuchst, dieses Narrativ nicht zu bedienen, bzw. am besten keins der gängigen Narrative. Allerdings Du tust es implizit dann doch durch die Selektion dessen, was du betrachtest und was nicht.
Aber der Reihe nach. Mein erster Gedanke:
würdest du sagen, dass dein Eindruck einer nicht-Provokation des Westens kein Narrativ ist, sondern Fakt?
Auch Narrative können faktisch richtig sein (siehe Anmerkung oben). Aber um die Frage zu beantworten: Ich bin im Thema Geopolotik nur Laie und habe bestenfalls profundes Halbwissen. Natürlich ist da die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich mehr Narrative bediene und die Faktenlage nicht gut genug kenne, um ein umfassend fundiertes Bild der Situation zu haben. Es liegt aber daneben auch in der Natur der Sache, dass ich meine Ansichten und Eindrücke als Fakten erachte bzw. sie so vertrete als wären sie welche - mindestens bis mich jemand davon überzeugt falsch gelegen zu haben.
Wie sähe denn eine westliche Provokation aus die du als solche gelten lassen würdest?
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Westen auch aktiv auf Russland zugegangen. Nehmen wir das Thema Raumfahrt - was mir besonders am Herzen liegt. Während des Kalten Krieges bis 1990 herum war das Thema ein großer Wettkampfplatz zwischen USA und UDSSR. Nach dem Zerfall der UDSSR haben die USA und Europa erkannt, dass ein ambitioniertes weltraumprogramm um einiges günstiger wird, wenn man russland davon nicht ausschließt, sondern in der Zusammenarbeit auch deren Infrastruktur und KnowHow mit-benutzt. Eine Win-Win-Situation für alle beteiligten.
Aber auch im Handel hat sich der Westen gegenüber Russland immer weiter geöffnet. Das zeigt sich u.a. darin, dass Deutschland sich mit Northstream I (und II) sehr stark von russischem Gas abhängig gemacht hat.
In einer Provokationslage, die ich als eine solche gelten lassen würde, wäre Russland weiter stärker ignoriert und geschnitten worden, und es hätte keine derartigen Annhäherungen geben können.
Die erste Frage wäre mal, handelte es sich um eine gezielte Provokation im Sinne einer containment strategie der USA, oder handelte es sich um ein außenpolitische Motivation des Westens basierend auf politisch ideologischen Überzeugungen wie der klassischen liberalen vorstellung einer Befriedung durch internationale Zusammenarbeit, eine sicherheitsgemeinschaft etc?
Für Europa wäre mein Eindruck eher letzteres. Bei den USA bin ich mir da nicht so sicher, würde aber auch nicht unbedingt argumentieren wollen, dass sie hier gezielt einen Konflikt provozieren wollten. Die Frage stellt sich aber auch nicht wirklich, weil die Motivation des Westens für sein Überleben völlig uninteressant ist.
Ähm... ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich da richtig verstehe; insbesondere das fett hervorgehobene. Meinst Du, dass es Provokation ist, dass eben auch mit Russland die Zusammenarbeit und Handel gesucht wurde? Glaubst Du, Russland/Putin hat das gedeutet, als wolle man das Land dadurch befreien?
Guckt man sich an wie sich der Westen (ich nenns jetzt mal Westen, man müsste das gewiss präzisieren) ggü den ex sovjetstaaten inklusive Ukraine verhalten hat kann man drei Strategien beschreiben: 1.) wirtschaftliche Einbindung durch die EU osterweiterung. Diese Geschichte hat wohl jeder Europäer im Hirn, deshalb beschreib ich das jetzt nicht. Nur so viel: 2009 wurden die Aufnahmegespräche erstmals verkündet, natürlich sehr zum Misfallen eines langsam erstarkenden Russlands
Ja, es missfiel Russland, dass die Ukraine sich vorsichtig richtung EU orientierte. Aber wie weit muss man das bedienen? Sollen Ukraine und EU Abstand voneinander halten, damit sich Russland nicht provoziert fühlt? Das kann eigentlich nicht Sinn und ergebnis der Sache sein.
2.) NATO- osterweiterung unter der Clinton-administration (Polen, Ungarn, tschechien 2000 und dann unter bush das Baltikum, rumänien, bulgarien und noch ein paar) wohlgemerkt kurze Zeit nachdem man der untergehenden russischen Führung das Gegenteil zugesichert hat. 2008 brachte die Bush Administration dann den Vorschlag einer NATO Erweiterung von Georgien und der Ukraine unter massivem Protest der Führung Putin 3.) sowie innenpolitische Einflussnahme und Stärkung der Orangen revolution 2004 in der Ukraine und der Rosenrevolution in Georgien. Wie das in Georgien ausgegangen ist, ist bekannt hier konnte sich Russland behaupten, in der Ukraine war Russland 2013/14 während der Revolution der Würde weniger erfolgreich. Da war es ja dann so dass Yanukovich sich offen zu einer Handelspartnerschaft mit Russland bekannt hat, woraufhin im ganzen Land die Leute auf die Straße gegangen sind mit vielen Toten, Yanukovich musste schließlich fliehen, nachdem ihm der Westen noch den Machterhalt zugesichert hat, sofern es Neuwahlen geben würde (an diesem Punkt ist die Dynamik wohl nicht mehr zu berechnen gewesen). Die nachfolgeregierung wurde von den USA unterstützt und war diejenige, wir erinnern uns, die mit den Faschisten in der Regierung unter Yatsenjuk für Irritationen sorgte. In Russland wertete man übrigens die Machtübernahme als CIA Putsch gg Yanukovich (ich sag mal bescheiden, dazu gab es wohl auch den einen oder anderen Anhaltspunkt). Kurz danach im selben Jahr marschierte Putin in der Krim ein und unterstützte den separatistischen Osten der Ukraine mit Waffen nebst einem kleinen Wirtschaftskrieg gg Kijev und dann kam 2022.
Das sind die Eskalationsstufen, ich hoffe ich habe das in der kürze nicht überzeichnet oder falsch dargestellt, aber ich meine schon dass in einer kurzen geschichte dieses Konfliktes eine fast schon wie ein Uhrwerk sich stetig eskalierende Gewalt und aggression zu beschreiben ist.
Und wie hätte sich "der Westen" verhalten sollen? wie hätte sich die Ukraine verhalten sollen? Was wäre in Deinen Augen keine Provokation gewesen, wobei gleichzeitig die zu respektierenden Anliegen der Ukraine (und Europa) nicht unter den Teppich gekehrt worden wären?