Nussschale
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Die NaTO-Osterweiterung wird in diesem Kontext oft genannt.
Nun gut, Russland möchte keine NATO-Stützpunkte so nahe an sich dran haben. So weit, so verständlich. Glücklicherweise bedeutet eine NATO-Mitgliedschaft nicht automatisch, dass NaTO-Waffen gegen Russland in dem entsprechenden Land gelagert werden. So hat z.B. Finnland das schon im eigenen antrag auf die Mitgliedschaft kategorisch ausgeschlossen.
Nun wird es aber gerne unverständlich. Es wird gerne behauptet, "der Westen" häte Russland übel provoziert, weil er die Ukraine in die NATO aufnhemen wollte. Und das ist so nicht richtig. Richtig ist, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen werden wollte. Die NATO hingegen hat zwar nicht sofort kategorisch nein gesagt, aber richtig Feuer und Flamme war man in der NATO darüber auch nicht (sonst wäre die Ukraine nämlich schon längst Mitglied geworden). Wodurch fühlt sich Putin also von wem genau provoziert?
Darüber hinaus hat Putin nicht nur die Annhäherung der Ukraine an die NATO missbilligt, sondern auch die Annäherung an die EU sowie das Streben der Mitgliedschaft dahin. Versuche auch nur etwas engere Handelsbeziehungen zwischen der Ukraine und der EU zu knüpfen hat Putin in seiner ganzen amtszeit offen missbilligt und aktiv torpediert. Warum? Was erwartet er? Dass die Ukraine gefälligst nur mit Russland oder "dem Osten" engere Handelsbeziehungen eingeht?
Während ich den Punkt mit der NATO noch halbwegs nachvollziehen kann, ist das für mich völlig unverständlich, weil die Handelsbeziehungen der Ukraine mit anderen Staaten Russland herzlich wenig angehen, sofern Russland die Ukraine als souveränen eigenständig handelnden Staat akzeptieren würde.
Dein Punkt, dass es die Ukraine ist, die in die NATO aufgenommen werden wollte ist zwar sicherlich richtig, aber geostrategisch belanglos. In der anarchisch strukturierten Geopolitik gilt das erste Interesse dem Überleben. Die interessenslage ist also rein sicherheitsstrategisch. Alle weiteren Interessen sind diesem ersten aller Interessen untergeordnet. Aus dieser Sicht ist das langsame Einschnüren Russlands durch NATO-Partner eine Bedrohung und zwar völlig unabhängig davon ob man davon überzeugt ist, dass man ja selbst nur die eigenen Sicherheitsinteressen schützt und überhaupt niemals eine Bedrohung für Russland sei. Man muss aus logischen Gesichtspunkten anerkennen, dass kein Staat die Möglichkeit hat in die Absichten andere Staaten Einblick zu nehmen. Man kann vorwegnehen und Strategien entwickeln, aber weder weiß ein Staat um die weitere geopolitische Entwicklung noch um die konkreten weiteren strategischen Schritte anderer Akteure im Feld. Die Sicherheitsperspektive kann daher niemals verlassen werden, weder von den USA noch China noch Russland.
Ist dieser Punkt einmal gemacht kann man sich die Sicherheitslage Russlands ansehen. Russland ist geographisch zwischen Gebirgen, Eis und Meer eingebettet. Jetzt hat für Russland Sibirien aber keine unmittelbare Bedeutung sehr wohl aber das wirtschaftliche Herz Russlands nämlich der Gürtel der sich um die großen Städte Russlands südlich der Tundra zieht. Alles was Russland am Leben hält findet hier statt. Für Russland gilt es dieses Gebiet zu schützen wenn Russland und gemeint ist hier genauer der russische Staat, der russische Hegemon überleben möchte. Zu diesem Zweck ist es dass ureigenenste Interesse rundherum Pufferzonen zu schaffen. Für die USA ist diese Pufferzone freilich das Meer sowie Kanada, für Chin der Himalaya sowie das Meer und der Dschungel für Russland der Kaukasus, sowie die (mehr oder weniger) vasallenstaaten im Süden bis zum hindukusch und im Westen Weißrussland, und bis vor ein paar Jahren die Ukraine. Dieses sicherheitsstrategische Faktum bleibt bestehen, ganz unabhängig davon was die Ukraine möchte. Wenn die Ukraine, das heisst der Ukrainische Staat beschließt von nun an sein Glück in der NATO und EU zu suchen, dann bedeutet das den Verlust einer Pufferzone und die Notwendigkeit die ukrainisch russische Flachland-Grenze militärisch zu schützen. Ein in anderen Worten absolutes Ding der Unmöglichkeit. Eine solche Grenze ist nicht zu schützen.
An dieser Stelle würde ich die Argumente also dann folgendermaßen zusammenstellen:
Auf der einen Seite die Betonung der ukrainischen Eigenständigkeit und dem Recht sich seine eigene Sicherheitsarchitektur zu bauen.
Auf der anderen Seite der geostrategische Überlebenswillen einer bestehenden russischen Sicherheitsarchitektur, die über die letzten 30 Jahre Schaden genommen hat.
Beide Interessen sind absolut unvereinbar, sie waren die ersten 20 Jahre nach dem Fall der SU nur deshalb vereinbar weil die Ukraine eine prorussische Führung besaß die entsprechend russische Interessen schützte.
Das Fazit an dieser Stelle lautet also, dass in den Wirren eines zusammenbrechenden Großreiches Staaten entstanden sind, die bereits ein Konfliktpotential für die Zukunft genetisch in sich trugen. Einigen Köpfen der damaligen Zeit war das auch bewusst. Das halboffizielle Zugeständnis des Westens ggü Russland ist natürlich in den Sand geschrieben gewesenund den sich überschlagenden Ereignissen geschuldet in der die politischen Führer, alle persönlich bekannt, wahrscheinlich auch in einer gewissen Naivität der Situation heraus handelten. Globalstrategisch (d.h. Aus dem Blickwinkel des überlebens) war die Ukraine mit dem Potential einer West-NATO Orientierung eine Fehlkonstruktion. So wie viele willkürliche Grenzen die das imperiale Europa durch Afrika und den nahen Osten gezogen haben fehlkonstruktionen waren