Porzellanengel

Natürlich. Natürlich sehe ich auch fern, um meine persönlichen Probleme zu relativieren. Selbstverständlich bin ich peripher informiert, über die militärische Intervention der internationalen Allianz gegen Gadafi und den angeblichen Stand bei den AKW`s in Japan und weiß nicht recht, wie ich mich fühlen soll :morgen:

Ich werd mal zu Mama ins Heim fahren.

Nur auf Besuch. :rolleyes:
 
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Wilhelm erinnert sich weiter, an seine bananenfreie Zeit...

Da war nicht nur die Freundin, die er den ganzen Tag mit seiner Bananikerpersönlichkeit zuschwatzen musste. Wilhelm war ein Bananiker von hohem Range :D und als solcher hatte er gelernt, seinen inneren Dialog zu kultivieren und sich auch im Stillen, bei sich, mit seiner Suchtpersönlichkeit auseinander zu setzen. Er hatte die Angelegenheit damals wirklich sehr ernst genommen. Und das war durchaus angebracht und ist es auch heute.

Der innere Dialog, ja, genau... darin lag ebenfalls eine große Chance.

Freunde, der innere Dialog und die Merkzettel an der Innenseite der Wohnungstür:

ACHTUNG! AUFS KREUZBAND AUFPASSEN.

KEINE SCHNELLEN DREHBEWEGUNGEN AUS DER HÜFTE!

TANZEN VORÜBERGEHEND VERBOTEN!

KEINE DUNKELROTBRAUNEN FLÜSSIGKEITEN TRINKEN!

GASTRONOMISCHEN BETRIEBEN AUSWEICHEN!

FINGER WEG VON VERDÄCHTIGEN KRÄUTERFLÄSCHCHEN!

BLAUE ZUCKERL ZURÜCKSCHRAUBEN!

MONTAG, 15:45; ERSTGESPRÄCH.

HURRA, WIR LEBEN NOCH.
 
So manch einer mochte denken
Wilhelm besuchte die Schule zu Wien
nicht nur gratis sondern effektiv umsonst.

Dabei war er doch so ein nettes, strebsames Kerlchen...

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... und brachte immer schon seine zierliche Porzellanengelsfigur gerne in große Gefahr, den Stuntman in den Genen eingebettet. :lachen:
 
Das persönliche Weh relativiert sich immer wieder aprupt, wenn ich den Fernseher einschalte.

Trotzdem sitze ich hier, in diesem Körper und kämpfe mit meiner Bananiker-Figur rum. Zwischendurch denk ich mir: Es ist eigentlich eine Schande! Da wackelt die Erde, eine große Welle kommt aus dem Meer, hunderttausende suchen Zuflucht in Notunterkünften, viele verlieren ihr Leben oder ihre Angehörigen, eine handvoll Kraftwerksarbeiter versucht unter Einsatz des Lebens die Situation bei den AKW`s zu entschärfen, Amerika, England und Frankreich eröffnen das Feuer gegen den Feind...

...und ich sitz hier und schlag mich mit meinen Süchten rum. Es ist wirklich eine Schande.

Schande hin und Schande her, das Erstgespräch ist Vergangenheit, ab Mittwoch bin ich in der Gruppe und morgen muss ich einen Termin beim Institutspsychiater ausmachen, um die Tabletten neu und richtig einzustellen bzw. abzusetzen.

Denn wenn ich nicht kämpfe, gegen mein persönliches, kleines Bananen-Problem, wird`s auf der Welt auch nicht lustiger.
 
Die Sonne scheint
mir bis ins Herz
vertreibt vorübergehend
mir den Schmerz.

Mit dem Rucksack betrete ich die Tabaktrafik. Die Verkäuferin ist meist gut gelaunt und lacht: "Na, gehst du jetzt wieder zur Schule?"

Sie weiß, dass ich mit einem Alkoholproblem raufe und erst kürzlich verzeifelt meinen Zahnersatz gesucht habe. Gute Schule täte Not.

"Ja..." sag ich, "... ich beginne ein neues Leben. Aufgeben tun wir allenfalls Briefe bei der Post."

"Gut!" sagt sie. "Ich hoffe, es wird besser als das Alte."

"Willst du auch wieder zur Schule gehen?" frag ich schelmisch zurück. "Neben mir wäre noch ein Sitzplatz frei." :D

Wieder lacht sie. "Nein danke... ich bin recht zufrieden mit meinem Leben."

"Sehr gut. Dann wünsch ich dir noch einen schönen Tag."

Ich geh wieder raus. Mein Fahrrad steht noch da und die Sonne scheint mir bis ins Herz, vertreibt vorübergehend mir den Schmerz.
 
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Gestern war ich zum ersten mal in der psychotherapeutischen Gruppe. Natürlich unterliege ich als Teilnehmer ebenso der Schweigepflicht über interne Geschehnisse wie die anderen Teilnehmer oder der Gruppenleiter, doch soviel darf ich sagen: Ich bereue es nicht, mal aus einem anderen Grund außer Haus gegangen zu sein, als zum Einkaufen, Amtswege zu erledigen oder ins Wirtshaus zum saufen.

Dann hat mich ein Kumpel abgeholt, wir sind zu mir und haben bis 4 Uhr früh gequasselt. Um 7 stand der Rauchfangkehrer vor der Tür und ich bin froh, dass er seine Arbeit sauber erledigt hat.

Draußen scheint die Sonne. Ich setz mich aufs Rad und fahr zu meiner Ex zum essen. Sie hat immer ein Zuviel im Kühlschrank, weil sie den Überfluss ihrer Nachbarn abfängt. Da sie selbst kein Fleisch isst, opfere ich mich gerne. Besser, die Leichenteile landen in meinem Magen, als im Müll.

Ich schalte den Fernseher ein. Ein Bericht über einen Schweizer Heroinabhängigen, der bei einem gewissen Dr. Zobin eine Rosskur absolviert hat. Die Methode ist umstritten und wird von den hiesigen Suchtexperten mit Skepsis betrachtet, da man im Falle eines Rückfalles mit hoher Wahrscheinlichkeit des Todes ist. Atemlähmung.

Der Patient wird mit Elektromagnetischen Wellen und einem Serum (?) in eine Art Trance versetzt, während der ihm mit einem anderen Serum (?) die entsprechenden Suchtmittel-Rezeptoren (In dem Fall Heroin) versiegelt werden. Abschließend wird die Therapie auf ihren Erfolg hin überprüft indem der Patient mit einer niedrigen Dosis seiner Suchdroge in Todesnähe geführt wird. Setzt die Atemlähmung ein, war die Behandlung erfolgreich. Dann wird er zurückgeholt und verlässt die Klinik quasi suchtbefreit. Nun muss er sich der Aufgabe stellen, sein Leben ohne Droge zu meistern und den Müllhaufen, den er im Laufe seiner Sucht angerichtet hat, abzutragen. Es ist eine sehr gefährliche Methode, aber nicht uninteressant.

Dieser Dr. Zobin hat dem Patienten für die Zeit danach drei Punkte dringlichst ans Herz gelegt:


  1. Meide dein altes Umfeld
  2. Such dir eine Arbeit (eine Aufgabe)
  3. Treibe Sport

Auch für Alkoholiker anwendbar. Zum Glück hab ich nicht mehr genug Geld, sonst würde ich mich vielleicht gleich anmelden. Aber es muss auch so gehen.

Die Zeit wird meine Rezeptoren versiegeln. :morgen:
 
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