liebe reinfriede,
danke, absoluten dank für deine geschichte. sie hat mich berührt, betroffen gemacht. besonders die szene mit dem vater:
,"Das schlimmste für mich war damals, meinen Vater zu füttern. Er - der stolze, autoritäre Mann musste sich von mir füttern lassen. Und das schlimmste waren seine Augen, ich spüre heute noch diesen Ausdruck in seinen Augen, wie erniedrigt er sich gefühlt haben muss".
.... genau DAS hat mich auch besonders berührt, absolut,
es hat richtiggehend gefühlsmäßig sehr viel bewegt.
denn es könnte sich in unserer geschichte irgendwann genauso verhalten. dass das absolut-gefühlserlebnis irgendwann fast am totenbett kommt......, dass einem dann alles irrsinnig leid tut (unter "das alles" meine ich, dass man das gefühl hat, nicht befähigt gewesen zu sein, es GUT für den anderen zu machen), und dass man dann ein leben lang diese drückenden schuldgefühle mit sich trägt bzw. sie zu kompensieren versucht (wie in deiner geschichte beschrieben).
zitat reinfriede:
Und plötzlich wurde es klar, was eigentlich das Problem meiner Mutter war: Sie fühlte sich schuldig. Diese Situation hatte sich eingebrannt bei ihr, es war ihre letzte Erinnerung an ihren Vater. Sie fühlte sich in Wahrheit schuldig daran, dass sie ihren Vater "erniedrigt" hatte - wahrscheinlich auch schuldig daran, dass er trotz des Fütterns nicht geschafft hatte. Kinder beziehen alles auf sich, genau das tat sie....und den letzten Eindruck, den sie von ihm hatte, war der der Erniedrigung...
Und dieses übertriebene "Erhöhen" jedes Mannes, dieses unterwürfige, "fütternde" Verhalten Männern gegenüber war nichts anderes als ihr Versuch, dieses "Schuldgefühl" zu kompensieren, ihren Vater wieder "zu ehren"....
ihr kinder wart die leidtragenden dieses kompensierens, es muss sehr, sehr prägend gewesen sein, - kinder können soetwas ja auch noch nicht aus der höheren perspektive betrachten (ja, sie fühlen sich wahrscheinlich auch noch selber für sich wieder "schuldig"). ja, und wenn man dann erwachsen wird, dann macht sich der eine die mühe, zu ERGRÜNDEN (oder die erkenntnis kommt blitzartig durch ein schlüsselerlebnis), das handeln der eigenen eltern zu verstehen, und der andere tut es eben nicht. ich denke, die meisten tun es nicht. tun entweder so, als wäre nichts gewesen, übertragen unbewusst auf andere, oder
sie halten sich fern von den eltern, klagen lediglich an, dies und jenes und ende.
ich freue mich jedenfalls für alle eltern, die kinder haben, die sich wie reinfriede die MÜHE machen, die elterliche geschichte aus der ursprungsperspektive zu betrachten.
damit befreit man seine eigenen eltern von dieser last, sich "schuldig" zu fühlen, und ich denke, man fühlt sich selber auch besser, weil es keinen anlass mehr gibt für "groll", der sich ja letztlich auch gegen einen selber richtet. "
ja, das funktioniert dann, wenn man im erwachsenenleben eine beziehung hat zu seinen eltern, die zumindest DA in ordnung ist.
was aber, wenn nicht????
und die frage steht noch immer unbeantwortet da.
ich habe die "verzeih"-frage auch hinter mir, wie gesagt.
heute auf den tag genau ist es vier jahre her, dass wir die todesnachricht hatten von meinem neffen, mit dem der vater (=sein großvater) ja gar nichts am hut hatte. absolut KEINE gefühlsregung, kein hinschauen vorher, = ein vorbeirennen, wie er es bei den eigenen kindern gemacht hatte.
und dann eben diese tränen, von denen ich berichtete ,beim begräbnis.
die haben mich betroffen gemacht. ja. weil ich dachte ja bis dorthin, der vater wäre einfach ein eiskalter, verhärteter mensch.
damit konnte ich viel besser leben. es war einfach so. punkt. ich fühlte mich nicht "verpflichtet".
ich konnte nicht mehr gut leben, nachdem ich sah, dass auch mein vater gefühle hat und ev. erwartungen auch an MICH hat, die ich nicht erfüllen konnte.
dann plötzlich war ich mitten drinnen, denn ich fragte mich, warum ich denn - falls er erwartungen an mich hat - ich diese nicht erfüllen kann. ich schaute nicht genau hin. ich schaute nicht auf mich. ich war sofort bei IHM.
damit begann ich dann dieses "aufrollen", dieses rückblicken ("was hat der tod denn verändert") in den lebensfragen.
ja, ich sah mir den vater dann eben an, er der kleine bub, was der alles mitgemacht hatte.... . der bruder, den sie tot im bach gefunden haben, die mutter, die wegging bzw. verjagt wurde, die prügel, von denen heute noch narben sichtbar sind, die härte im elternhaus, die stiefmutter, die nicht hinter den kindern stand und jede kleinigkeit verraten hatte, die mangelsituation nach dem krieg etc.
ja, und somit konnte auch ich alles verstehen: es gibt nichts anzuklagen aus diesem gesichtspunkt, somit nichts mehr zu verzeihen.
deshalb "verzeihen" von mir unter anführungszeichen.
ich hatte den vater sogar plötzlich mit mitgefühl betrachten können.
heute muss ich sagen,
es ist alles viel zu schnell gegangen, ich sah MICH selber nicht mehr, ich sah nicht, dass auch mein inneres kind betrachtet gehört.
das wurde mir zum verhängnis. davor warne ich jeden, der versucht, nachdem alles im vorfeld verdrängt wurde, es absolut mit der mitgefühl-methode zu versuchen!!!!!
ich weiß genau, wie sich das dann anfühlt. nicht gut. du untermauerst alles von dir, und sollst dann plötzlich die leibevolle tochter/das liebevolle kind sein. geht nicht!!!
ich hatte ja jahrelang verdrängt (war alles kein problem, weil ich abgelenkt war von den vaterproblemen durch die eigenen freigewählten lebenskatastrophen). und dann war ich vom einem zum anderen mal im mitgefühl. es ging viel, viel zu schnell. ich selber habe mich übersehen. bin eh so stark, und erwachsen ........
nach dem aufarbeiten das böse erwachen. es schien nur ein, zwei monate gut zu sein. da fuhr ich hin zum vater,und er konnte mir nicht mehr weh tun.
es fühlte sich jedenfalls plötzlich nachher nicht mehr ehrlich an, wenn ich ankam, wenn ich zu ihm fuhr,.... es war, als würde ich mich selber verraten und viel zu viel von mir selber fordern...... für mich hat die tatsache schon gereicht, dass ich ihm "verzeihen" konnte, es hat mich irgendwie sogar ein wenig stolz gemacht, dass ich es nicht notwendig habe, auf rache zu sinnen.
aber das hat dann auch nicht funktioniert. einen vater kann man nicht so einfach aus dem leben streichen. das geht vielleicht aber dann, wenn man eine notwendige, hilfreiche wut aufbaut. das hab ich in diesem thread versucht.
hat nicht geklappt. ich fühle mich noch immer nicht gut in dieser beziehung. ich könnte höchstens verdrängen. nicht hinschauen.
zum vatertag hätte ich ein büchlein gekauft gehabt, ein "dankeschön"büchlein. ich hätte mich dort bedankt dafür, dass er immer großzügig war.
ich konnte ihm das aber nicht bringen, ich hatte das empfinden, dass ich mich selber verrate.
denn all das, was NICHT in ordnung ist, würde unerwähnt bleiben. ihm das zu sagen, was für MICH nicht in ordnung ist/war, würde nichts bringen, denn er ist sich ja dessen nicht bewusst bzw. es ist ja nichts mehr, was ich anklagen möchte. bzw. er würde sich nicht die mühe machen, mit verstehen zu wollen "ich lasse mir keine vorschriften machen".
das büchlein liegt noch immer da, ich bin nicht hingefahren.
so läuft es also weiter wie bisher, mit dem unterschied, dass ich mehr und mehr keinen kontakt mehr mit ihm möchte.
die angst ist aber riesig, dass die erkenntnis, es nicht geschafft zu haben, mir am totenbett sehr sehr leid tut..... .
als reinfriede die geschichte ihrer mutter mit deren vater beschrieb, war es, als würde ich meinen vater vor meinem geistigen auge sehen.
dieser stolze mann, der sich dann erniedrigt fühlt. dann und ´DA war plötzlich wieder sehr, sehr viel. mitgefühl mit diesem eigentlich armen mann, der seine verletzungen niemals zeigen würde aus angst davor, sein gesicht zu verlieren.
ich mag dieses mitgefühl nicht sehr, ich fühle mich hin und hergerissen.
bis in ein paar tage.
lg abendsonne
(ps.: meine persönliche lage ist nicht besser.
ich fühlte mich die letzten wochen absolut gezwungen, meine seele fast zu verkaufen, um hier in unserem kleinen ort endlich zu einer wohnung zu kommen. mir wurde dann erst bewusst, was ich da mache. damit kann ich mir und den kindern mehr schaden, als es nutzen würde)