Anatol schrieb:
Vor allem die Sexualität benötigt Heilung
Mag sein. Ich erlebe es jedoch auch so, dass ausgelebte Sexualität heilt. Der Moment, in welchem ich mich für die andere Person öffne, besitzt ein ungemeines Heilungspotential. Während im Alltag oftmals ein Hickhack herrscht, und ich mich innerlich verschliessen muss, um wenigstens das Gröbste auszufiltern, so besteht in ausgelebten Sexualität die Möglichkeit, das Muster umzukehren. Die innere Abwehrhaltung wird dadurch ausgehebelt, und so können Dinge zum Vorschein kommen, die sonst keine Beachtung und keinen Platz finden. Es ist weniger die eigentliche sexuelle Lust, die hier beiträgt, als eher das Erlebnis von Nähe eines anderen, lebendigen Menschen.
Insofern trägt ausgelebte Sexualität ein grosses Potential in sich für persönliches Heilsein, welches wiederum wichtige Voraussetzung ist, damit spirituelles Wachstum überhaupt geschehen kann. Das war auch eine Einsicht von Osho, und eben darum hat der Typ so sehr seine neo-tantrischen Praktiken verbreitet.
Es gibt eine Therapieform für vergewaltigte Kinder, in welcher diesen Kindern das Reiten und die Pflege von Pferden beigebracht wird. Ich will das jetzt nicht auf die gleiche Stufe stellen, wie ausgelebte Sexualität, aber ein ganz wichtiges Element dieser Therapie ist die körperliche Nähe zu einem lebendigen Wesen. Ein Kind, welches an den Geschlechtsorganen Schmerzen erleiden musste, das sich nun auf ein Pferd setzen soll, wo es beide Beine weit spreizen muss, um Halt zu haben, muss viel Vertrauen und Mut in das Pferd entwickeln. Genau auf diesen Effekt zielt die Therapie. Man hofft, dass das Kind lernt, erneut Vertrauen aufzubauen, sich einzulassen (hier auf ein Tier, das ist für ein vergewaltigtest Kind vermutlich einiges einfacher als Vertrauen in einen Menschen). Dadurch kann ein Heilungsprozess einsetzen, welcher dringend nötig ist, damit sich die Person gesund und ausgeglichen entwickelt.
Warum opti das nicht gelten lassen will oder behauptet, bloss eine Minderheit sei in er Lage, Sexualität nutzbringend einzusetzen, ist mir (k)ein Rätsel.
Darüberhinaus muss ich noch was anmerken zu dem, was Venus3 hierhin geschrieben hat. Natürlich ist das, so wie sie es schreibt, ziemlich absurd. Ein Körnchen Wahrheit steckt da aber auch drin. Der männliche Körper unterscheidet sich doch insgesamt nicht unwesentlich von einem weiblichen Körper. Alleine schon die grössere Muskelmasse. Hier geht es - symbolisch - um Kraft. Darüberhinaus ist es das männliche Geschlechtsteil, welches beim Sexualakt in die Frau eindringt, er gibt beim Höhepunkt Sperma ab, sie nimmt es auf. Es ist diese Verbindung von männlicher Kraft mit Extroversion als einem gerichteten Vektor, der schnell einmal aggressiv auf jemanden wirken kann. Insofern würde ich Venus3 vorsichtig zustimmen.
Nicht zustimmen kann ich nun aber hingegen bei der gedanklichen Verbindung dieser beiden Komponenten, Kraft und Extroversion, mit Vergewaltigung. Vergewaltigung ist einzig die negative Variante der Sache. Kraft an und für sich ist neutral, es liegt in der Entscheidun des Gebieters, was er mit der ihm zur Verfügung stehenden Kraft anfängt. Man darf nicht vergessen, dass alles wachsende Leben beispielsweise eine Kraft darstellt - und zwar eine meist höchst kreative, manchmal hingegen auch destruktive! Kraft und Extroversion ist an und für sich neutral. Adolf Hitler hatte auch Kraft, vielleicht nicht physisch, aber dafür in seinem Auftreten. Er hatte sich entschlossen, diese Kraft auf eine komplett zerstörerische Art und Weise zu nutzen. Mahatma Ghandi trug dieselbe Kraft in sich, aber er nutzte sie um 180° gedreht anders.
Den Anblick des männlichen Körpers bei der Ausübung und kreativen Anwendung seiner Kräfte fanden schon die alten Griechen ästhetisch - daher die Erfindung der olympischen Spiele. Auch ein Fussball- oder Eishockeyspiel ist in grossem Masse von ziemlich brutaler Gewalt beherrscht. Nichtsdestotrotz wird diese dort in einem weiten Ausmass toleriert und sogar gewünscht!
In diesem Sinne kann ich nicht beistimmen, das für eine Vergewaltigung zu halten.