Meditation und Psychotherapie

Lieber Zugvolge (nochmal),

Die Frage, die sich mir stellt, lautet: Ist ein Psychotiker so anders als jemand, der Selbstzweifel bekommt, wenn sich im Bus jemand von ihm wegsetzt?
Im Grunde fahren sie beide ihren eigenen Film, um es mal platt zu sagen. Nur der eine ist noch funktionsfähig, der andere nicht mehr und evt. sogar fremd- oder selbstgefährdent.
Und ich bin der Meinung, dass bei Psychotikern chemisch in den Hirnstoffwechsel eingegriffen werden sollte, weil sie ihre Krankheit von alleine nicht in den Griff bekommen. Diese Medikation sollte meiner (fachfremden) Meinung nicht dauerhaft sein, aber sie dient nicht der Betäubung, sondern dem Blick entnebeln. (Dass das teilweise anders läuft, ist wieder ein eigenes Thema.)

Ja, sehe ich ähnlich. Die Frage ist dann für mich eher, wie lange soll dies geschehen und welche MÖglichkeiten gibt es dann, um baldmöglichst andere Wege einzuschlagen.

Ich kenne eine Reihe Frauen (seltsamerweise keinen Mann, vielleicht sprechen die nicht so drüber?) die erfolgreich (Gesprächs-)Therapien absolviert haben, meist spielte da die Mutter-Tochter-Beziehung eine Auslöser-Rolle.

Ist wirklich selstsam. Ich kenne auch fast nur Frauen und die Männer, die ich kenne, sprechen fast nicht darüber, seltsam :rolleyes:

Hach ja, und dann gibt es noch diese ganzen Karrieristen, die gar nicht als krank auffallen, aber die ihren Job nicht aus Überzeugung machen, sondern weil sie dadurch Anerkennung, Macht und Geld (als Symbol für Macht) erhalten...

Ja, ja, aber wie gesagt: wenn wir die zu dem gegebenen Zeitpunkt der Evolution nicht hätten, dann würde die Marktwirtschaft zusammenbrechen. Damit will ich nicht sagen, dass eine kapitalistische Gesellschaft gut ist, ich meine das "unter den gegebenen Bedingungen".

Und dann gibt es noch das Phänomen, dass Menschen mit - ich nenn es mal so - spirituellen Wahrnehmungen als psychotisch eingestuft werden, obwohl sie es gar nicht sind. Hier wäre eine Therapie vielleicht sogar schädlich und Meditiation hilfreich.

Das ist natürlich eine spannende Frage. FCKW hatte das Thema öfters angesprochen, wenn ich mich richtig erinnere. Ihn interessierten die "Krisen", die ein Mensch - nach Ken Wilber - auf den transpersonalen Stufen durchläuft.
Ich glaube jedenfalls, dass sich beides auch nicht ausschließt, also dass eine spirituelle Hocherfahrung auch zu einem psychotischen Zustand führen kann. Wenn jedenfalls Probleme auftreten, dann würde ich immer sagen, dass eine Therapie hilfreich sein könnte - ich will das also nicht ausschließen - die Frage ist dann natürlich nur, ob es eine solche Therapie überhaupt schon gibt. Ja - wahrscheinlich meintest du das, dass die herkömmlichen Therapieformen dann eventuell schädlich sind, weil sie den Betroffenen eventuell nicht verstehen und ihn "alleine" lassen.

Überhaupt finde ich, es gibt noch einen Problembereich neben den persönlichen Neurosen, nämlich die Entspiritualisierung der westlichen Welt. Auch das führt bei vielen Menschen zu - hmm - Identitätskrisen. Auch hier finde ich, dass Meditation eher hilfreich ist als eine Therapie.

Also, da bin ich mir immer nich so sicher. "Entspiritualisierung" setzt ja voraus, dass die Menschen - also zahlreiche Menschen einer Gesellschaft - zuvor wirklich spirituell weit entwickelt waren. Ich will das nicht ausschließen, ich weiß auch nicht genau, auf welche Epochen du dich beziehst, aber ich bin da erst einmal skeptisch, wenn ich höre, dass die Menschen in den letzten 2500 Jahren in Europa spirituell entwickelter waren als heute. Mein Eindruck ist, dass "die Gewalt unter den Menschen im Alltag" - also damit meine ich nicht den Kriegszustand - in den letzten 2000 Jahren eher abgenommen hat, dass die Medizin dazu beigetragen hat, dass viele Menschen nicht an Krankheiten sterben und unter ganz anderen Bedingungen leben können, dass die "Entdeckung" der Kindheit und der Menschenrechte im 16-18 Jahrhundert dazu geführt hat, dass Kinder zunehmend weniger Gewalt ausgesetzt sind, auch wenn das natürlich auch gegenwärtig zumeist immer noch nicht einer liebevollen Sphäre gleicht - leider. Daran sind aber nicht die Eltern "Schuld", das ist einfach der kosmologisch-evolutionäre Prozess.

Liebe Grüße,
Energeia
 
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Liebe Kinnarih,

Dieses Problem ist mir wohl bewußt. Allerdings sehe ich da auch gewisse Veränderungen.

Welche Veränderungen siehst du? Also ich sehe auch welche, ich will einfach nur nachfragen, welche du siehst.

Deshalb, weil etwas noch nicht so weit verbreitet und selbstverständlich ist, wie es sein sollte, ist es doch kein Fehler, sich über die Vorteile, die es haben kann, zu unterhalten. Oder seh ich das falsch?

Mir ging es thematisch um die Vor- und die möglichen Nachteile.

Ich fand den Thread bisher auch sehr gewinnbringend und mir ist vieles klarer geworden, ich habe Probleme, Unterscheidungen, Fragen etc. erkannt. Die Kritik und die Extrempositionen, die hier eingenommen wurden, waren hierbei sehr hilfreich. Die Kritik hat aber für mich nicht dazu geführt, dass ich irgendwie in meiner grundfesten positiven Haltung erschüttert wurde.

Wenn es jetzt hier nicht mehr weitergehen sollte, weil die grundlegenden Fragen geklärt sind und die verbleibenden Fragen jetzt doch sehr in spezielle Bereiche hineinragen, dann wäre das für mich auch vollkommen in Ordnung.

Liebe Grüße,
Energeia
 
Liebe Kinnarih,



Welche Veränderungen siehst du? Also ich sehe auch welche, ich will einfach nur nachfragen, welche du siehst.

Es ist heute nicht mehr so wie vor 30 Jahren, als man vor allem auf dem Land der Ansicht war, für psychische Probleme braucht man keinen Arzt... da findet ganz langsam ein Umdenken statt. Ganz langsam, ich weiß, aber doch.
 
Mich würde in dem Zusammenhang die Frage nach "Heilung" interessieren. Was bedeuten denn "Genesung" und "Heilung"? Wie "ist" eine gesunde Seele? Ist sie überhaupt noch?
 
Hallo Chaya,

wir hatten bisher mehrere Heilungsbegriffe unterschieden.

Zunächst hatten wir einen relativen Heilungsbegriff genannt: Heilung bedeutet hier "heilen", als ein Heil-Werden.
Sowie einen absoluten Heilungsbegriff: Heilung ist erst dann erreicht, wenn Erleuchtung erfahren wird.

Der absolute Heilungsbegriff ist insofern hinderlich, dass durch ihn kleine Heilungsprozesse, die nicht zur Erleuchtung führen, aber das "Funktionieren" im Alltag und das subjektive Selbstgefühl von Menschen verbessern, die sehr verletzt sind, nicht wirklich gewürdigt werden.
Der relative Heilungsbegriff kann dazu verführen, dass man mit ein paar Heilungsschritten zufrieden ist und keine übergeordnete Heilung anstrebt - vorausgesetzt es gibt so etwas.

Dann hatten wir auch ein klare Unterscheidung zwischen Psychotherapie und Spiritualität getroffen. Psychotherapie dient der Heilung starker, tiefer Verletzungen, die zu Projektionen, Abspaltungen, Psychosen Narzissmus, NEurosen,etc. führen. Ziel ist hier die Heilung dieser "Wunden", die zu Trauerprozessen, zu einem subjektiv besseren Lebensgefühl, zu einer Stabilisierung, Selbständigkeit und schließlich zur Übernahme der Verantwortung für das eigene Leben führt: ein Mensch identifiziert sich nicht mehr mit seinen alten Wunden, gibt den Tätern nicht mehr die Schuld und erwartet nicht von der Welt, dass sie ihn rettet, sondern er ist so weit, dass er sich innerlich heiler fühlt, von der Vergangenheit vorwiegend loslässt und für sein (zumindest gegenwärtiges und zukünftiges) Leben Verantwortung übernimmt.
Aus der Sicht des Chakra-Ansatzes könnte man auch sagen, dass die unteren 5 Chakren recht gut harmonisiert wurden: es wurde ein Vertrauen gewonnen, es bestehen keine krassen Minderwertigkeitsgefühle mehr, die Durchsetzungskraft hat zugenommen, Trauerarbeit hat zu einem Loslassen und Offensein geführt, Innneres kann ausgesprochen, Probleme können angesprochen werden.

Zu spirituellen Erfahrungen kann es zwar schon vor diesem Entwicklungspunkt kommen, jedoch besteht dann immer die Möglichkeit, dass die spirituellen Erlebnisse nicht wirklich verarbeitet werden. Dass zum Beispiel eine Sucht entsteht, eine Abhängigkeit, ein Anklammern nach dem "Mutterschoß". Dass ein Größenselbst ausgeweitet wird ("Ich bin ein Meister!", "Ich bin erleuchtet, ihr seht es nur nicht", etc.), dass Erfahrungen zu intensiv sind und zuviel verdrängte Ereignisse aufgespült werden, dass ein Mensch viel zu hart und aggressiv mit sich umgeht ("Du musst das jetzt ganz alleine schaffen!").
Wenn jedoch die persönliche Stabilität gegeben ist, dann führt die spirituelle Entwicklung zu einem Offensein und einer Liebe der Natur, der Tiere und Menschen, einer inneren Stille, tiefen Vertrauen, etc. .

Liebe Grüße,
Energeia
 
Danke für deine Antwort Energeia.
Ich glaube, dass Heilung immer nur ein begrenzter Zustand ist, bestimmt nichts abgeschlossenes, somit gibt es keine Heilung, nur ein sich "heil fühlen".
Und was bedeutet es heil zu sein in einer ansonsten kranken Welt? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
 
Danke für deine Antwort Energeia.
Ich glaube, dass Heilung immer nur ein begrenzter Zustand ist, bestimmt nichts abgeschlossenes, somit gibt es keine Heilung, nur ein sich "heil fühlen".
Und was bedeutet es heil zu sein in einer ansonsten kranken Welt? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

meine Sichtweise offenbart das Heilung etwas ist das jedem Lebewesen zuteil werden sollte :)
 
Salut Chaya,

Danke für deine Antwort Energeia.
Ich glaube, dass Heilung immer nur ein begrenzter Zustand ist, bestimmt nichts abgeschlossenes, somit gibt es keine Heilung, nur ein sich "heil fühlen".
Und was bedeutet es heil zu sein in einer ansonsten kranken Welt? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie du deinen Beitrag auf meinen Beitrag beziehst. Ich hatte dort einen relativen Heilungsbegriff, das Heil-Werden, und einen absoluten Heilungsbegriff, Erleuchtung, unterschieden, weil diese bisher in diesem Thread von unterschiedlichen Beitragschreibern verwendet wurden. Das, was du nun als Heilung bezeichnest, das scheint mir dem Heil-Werden sehr zu ähneln.

Ich sehe die Welt aber etwas anders als du - nicht so, dass sie "ansonsten krank" ist. Das scheint mir eine Sichtweise zu sein, die auf der Unterscheidung "krank/gesund" beruht. Es ist für mich keine schwarze und auch kein weiße Welt, es ist ein bunte Welt.
Wenn wir die Gesellschaft als "krank" wahrnehmen, dann liegt das vielleicht eher daran, dass wir uns in ihr nicht aufgehoben und zu ihr kein Urvertrauen spüren - dies ist jedoch individuell ganz verschieden, scheint es mir.

Liebe Grüße,
Energeia
 
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Ja, ich bezog mich nur auf das Heil-Werden, da es für mich ein Prozeß ist, der zwar einen Anfang hat, aber kein Ende, da eben für mich nie abgeschlossen ist.Ich denke schon, dass wir in einer kranken Welt leben, denn sonst gäbe es keine Krankheiten mehr, weder physisch noch psychisch. Ein heiler Mensch müßte "streng gesehen" frei von Kränkungen sein und in weiterer Konsequenz stets gesund. Nur - wer ist das schon?
Ich verfüge mittlerweile über genug Urvertrauen und fühle mich gut aufgehoben, aber wie es schon Adorno so schön sagte "es gibt kein Richtiges im Falschen" und darum ist für mich alles relativ, auch der Begriff der Heilung. ;)
 
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