Mahabharata

Mahabharata 3. Buch

Kapitel 268 – Die Pandavas nehmen die Verfolgung auf

Dhatreyika wischte ihr schönes Gesicht ab und sprach zu Indrasena:
Die fünf Indra gleichenden Söhne des Pandu verspottend, hat Jayadratha Draupadi gewaltsam verschleppt. Ihre Spur ist noch gut zu sehen und die zerbrochenen Zweige der Bäume noch nicht einmal trocken. So wendet eure Wagen und folgt ihr schnell. Die Prinzessin kann noch nicht weit sein. Legt eure schweren und schön gearbeiteten Rüstungen an, ihr starken Krieger, nehmt eure kostbaren Bögen und Köcher auf und eilt ihr nach, damit sie nicht von Brutalität überwältigt wird, ihre Sinne verliert und alle Farbe ihrer Wangen.

Sie musste sich einem erbärmlichen und unwürdigen Schuft ergeben, als ob geheiligte Butter mit der Opferkelle in einen Haufen Asche geschüttet wird. Doch heilige Butter wird nicht in ein unangezündetes Feuer von Reisspreu geschüttet, und Blumengirlanden werden nicht auf einem Friedhof verstreut. Oh sorgt dafür, daß der Somasaft im Opfer nicht von einer hündischen Zunge wegen der Unachtsamkeit des Opferpriesters aufgeleckt wird.

Oh verhindert, daß die Lilie von einem nach Beute streunenden Schakal grob herausgerissen wird. Kein niedererer Lump darf mit seinen Lippen das strahlende und schöne Gesicht eurer Gattin berühren, so zart und rein wie die Strahlen des Mondes, mit der niedlichsten Nase und den schönsten Augen geschmückt, als ob ein Hund die geklärte Butter im Opfertopf ausleckt. Beeilt euch auf dieser Spur und laßt keine Zeit verrinnen.

Doch Yudhishthira entgegnete: Zieh dich zurück, gute Frau, und hüte deine Zunge. Sprich nicht auf diese Weise vor uns. Denn Könige oder Prinzen, welche in ihre Macht vernarrt sind, kommen so sicher zu Schaden.

Nach diesen Worten eilten sie los und folgten dem Pfad, der ihnen gewiesen wurde, wobei sie von Zeit zu Zeit heftig atmeten und wie Schlangen zischten, oder die Sehnen ihrer großen Bögen sirren ließen. Schon bald erblickten sie die Staubwolke, welche Jayadrathas Armee aufwirbelte. Auch entdeckten sie Dhaumya, wie er inmitten der räuberischen Infanterie ausschritt, und die Pandavas ermahnte, ihre Schritte zu beschleunigen.

Mit leichten Herzen baten die Pandavas Dhaumya, nun unbesorgt wieder heimzukehren. Und dann stürmten sie gegen das Heer mit großer Gewalt, wie ein Falke auf seine Beute niederstößt. Der Zorn über die Demütigung Draupadis erfüllte sie ganz, und gewaltig war ihre Entschlossenheit. Beim Anblick von Jayadratha und ihrer geliebten Gemahlin kannte ihr Zorn keine Grenzen. Sie riefen Jayadratha an, sich zu stellen, und schon damit geriet die feindliche Heerschar in große Verwirrung, so daß sie allen Richtungssinn verloren.
 
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Kapitel 269 – Draupadi beschreibt Yudhishthir

Angestachelt vom Anblick Bhimas (des Sohnes des Windgottes) und Arjunas (des Sohnes des Führers der Sura Götter aus dem Himmel Svarga Loka) ließen die Kämpfer um Jayadratha lautes Gebrüll ertönen. Doch König Jayadratha verließ der Mut, als er die Standarten der Verfolger sah, und er sprach zur strahlenden Draupadi auf seinem Wagen:
Ich glaube, diese fünf heranstürmenden Krieger sind deine Ehemänner, oh Draupadi. Du kennst sie gut, oh Dame mit den reizenden Zöpfen, beschreibe sie mir und sag, wer von ihnen auf welchem Wagen fährt.

Draupadi antwortete ihm:
Du hast gewalttätig gehandelt und damit dein Leben verkürzt. Was soll es dir jetzt nützen, du Narr, die Namen der großen Krieger zu erfahren? Denn nun, da meine heldenhaften Ehemänner da sind, wird hier niemand mit dem Leben davonkommen. So stehst du an der Schwelle des Todes, und deshalb will ich dem Gebot der Tradition folgen und deine Frage beantworten.

Ich sehe König Yudhishthir (den Sohn des Gottes Yama (Wächter der Disziplin), des Richter über die Verstorbenen), den Gerechten, mit seinen jüngeren Brüdern, und habe nicht die geringste Angst vor dir. Der Krieger an der Spitze mit dem Fahnenmast, auf dem die beiden Trommeln Nanda und Upananda geschlagen werden, hat das vollkommene Wissen über die Moral seiner Taten. In seinem Gefolge sind stets die Siegreichen. Sein Angesicht ist reines Gold, er hat eine markante Nase, große Augen und eine schlanke Gestalt. Dieser Ehemann von mir ist unter dem Namen Yudhishthir bekannt, Sohn des (Gottes) Dharma (Wächter über die Vorgeschriebene Pflicht) und der Beste des Kuru Geschlechts.

Dieser tugendhafte Prinz schenkt sogar Feinden das Leben, wenn sie sich ergeben. So leg lieber deine Waffen nieder und falte die Hände. Laufe zu ihm und flehe um seinen Schutz.
 

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Kapitel 269 – Draupadi beschreibt die Andere Pandavas

Der andere dort, den du siehst, der mit den langen Armen und so hochgewachsen wie ein Sal Baum, der auf seinem Wagen sitzend sich auf die Lippen beißt und seine Stirn so sehr zusammenzieht, dass sich seine Augenbrauen berühren, das ist mein Ehemann Bhima (der Sohn des Windgottes). Kräftig gebaute, starke, wohltrainierte und energiereiche Rosse der edelsten Zucht ziehen seinen Wagen. Seine Errungenschaften sind übermenschlich, daher der Name Bhima hier auf Erden. Wer ihn beleidigt, kann niemals weiterleben, denn er vergibt keinem Feind. Er nimmt immer verheerende Rache und gibt sich nicht nur mit einer rächenden Geste zufrieden.

Und dort, der beste Bogenkrieger, voller Klugheit und Ruhm, die Sinne unter perfekter Kontrolle und voller Verehrung für die Alten, ist mein Ehemann Arjuna (Sohn des Führers der himmlischen Sura Götter), der Bruder und Schüler von Yudhishthira. Er weicht niemals aus Wollust, Furcht oder Zorn von der Tugend ab oder handelt grausam. Dieser Sohn der Kunti besitzt die Energie des Feuers und zermalmt jeden Feind. Und jener Jüngling dort ist in allen Fragen von Moral und Gewinn wohl bewandert. Er zerstreut alle Ängste der Besorgten, verfügt über große Weisheit, gilt als der schönste Mann auf Erden und wird von allen Söhnen Pandus beschützt, denn sie lieben und achten ihn mehr als ihr eigenes Leben für seine unerschütterliche Hingabe an sie.

Es ist mein heldenhafter Ehemann Nakula. Zusammen mit seinem Zwillingbruder (Sahadev) führt er mit leichter Hand das Schwert und pariert alles mit Geschick. Du, törichter Mann, wirst heute zum Zeugen seines Könnens auf dem Schlachtfeld werden, als ob Indra (der Führer der himmlischen Sura Götter), in die Reihen der Daityas (dämonischer Asura Götter) einbricht.

Und der waffengeübte Held dort, der klug und weise immer das Wohl von Yudhishthira sucht, ist der jüngste und liebste Sohn des Pandu, mein Ehemann Sahadev. Er ist heroisch und entschlossen, und kein Mann gleicht ihm an Redegewandtheit und Klugheit in allen Versammlungen der Weisen. Er ist Kunti lieber als ihre eigene Seele und achtet immer die Pflichten der Kshatriyas. Er würde eher ins Feuer laufen oder sein eigenes Leben opfern, als irgendetwas sagen, was Moral oder Religion entgegensteht.

Wenn die Söhne Pandus alle deine Krieger in der Schlacht getötet haben, wirst du dein Heer in elender Lage erblicken, wie ein Schiff auf See, welches mit der Last seiner Schätze auf dem Rücken eines Wales gestrandet ist. Nun, ich habe dir über den Heldenmut meiner Gatten berichtet, die du aus Narrheit gedemütigt hast. Falls du ihnen je ungeschoren entkommen solltest, hast du wahrlich ein neues Leben gewonnen.

Vaisampayana fuhr fort: Die fünf Söhne Pandus ließen die panische und sie um Mitgefühl flehende Infanterie hinter sich, und griffen heftig und energiereich wie Indra von allen Seiten die Wagenkrieger um den König herum an. Dabei verdunkelten sie den Himmel mit ihren dichten Schauern an Pfeilen.
 

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Kapitel 270 – de Kampf

Doch nun rief der König der Sindhus seine Befehle, wie: „Halt! Angriff! Schneller Marsch!“. Zwar hallte Yudhishthira, Bhima, Arjuna und den Zwillingen von den Soldaten auf dem Schlachtfeld lautes Gebrüll entgegen, doch tatsächlich verloren die Krieger von Sivi, Sauvira und Sindhu den Mut beim Anblick der entschlossenen Helden, die grimmigen Tigern glichen.

Mit seiner goldverzierten Keule aus Saikya Eisen griff Bhima den zum Tode verurteilten Monarchen der Sindhus an. Doch Kotika warf sich schnell mit einer starken Truppe von großen Wagenkriegern dazwischen und trennte die Kämpfer wieder voneinander. Und obwohl Bhima nun von zahllosen Speeren, Wurfkeulen und eisernen Pfeilen umschwirrt wurde, schwankte er nicht einen Moment. Tatsächlich tötete er mit seiner Keule einen Elefanten nebst Treiber und vierzehn Fußsoldaten, die Jayadrathas Wagen verteidigten.

Auch Arjuna griff die Verteidigungslinie des Monarchen an und tötete fünfhundert mutige Krieger der Bergvölker aus der Sindhu Armee. Yudhishthira schlug in nur einem Augenzwinkern hundert der besten Krieger der Sauviras. Nakula kämpfte mit seinem Schwert in der Hand, sprang von seinem Wagen und zerschmetterte im Nu die Häupter der Kämpfer im Rücken von Jayadratha, so daß sie verstreut wurden als ob ein Bauer die Saat ausbringt.

Sahadeva fällte mit eisernen Geschossen viele Krieger auf ihren Elefanten, die wie Vögel von den Ästen der Bäume fielen. Da sprang der König von Trigarta mit dem Bogen in der Hand von seinem großen Streitwagen und tötete die vier Pferde von Yudhishthira mit einer Keule. Doch Yudhishthira nutzte die Nähe des Gegners und traf dessen Brust mit einem halbmondförmigen Pfeil. Die tiefe Wunde ließ den Helden Blut erbrechen, und er fiel zu Boden wie ein entwurzelter Baum.

Yudhishthira verließ mit seinem Wagenlenker Indrasena den Wagen und sprang auf Sahadevas Wagen auf. Die beiden Krieger Kshemankara und Mahamuksha konzentrierten sich auf Nakula und griffen ihn von zwei Seiten gleichzeitig mit einem perfekten Schauer aus scharfen Pfeilen an. Doch Nakula schlug beide Angreifer mit einem Paar langer Pfeile, so daß der Pfeileregen auf ihn wieder aufhörte.

Suratha, ein Experte im Kampf mit Elefanten, griff die Vorderseite von Nakulas Wagen an und ließ seinen Elefanten das Gefährt wegzerren. Wenig beeindruckt sprang Nakula vom Wagen ab, sicherte sich einen günstigen Standpunkt und stand mit Schild und Schwert so sicher wie ein Berg. Da trieb Suratha seinen rasenden Elefanten mit erhobenem Rüssel gegen Nakula, um ihn niedertrampeln zu lassen. Doch als das Tier nah genug war, trennte ihm Nakula sowohl Rüssel als auch Stoßzähne ab. Mit gräßlichem Schmerzgeheul fiel der in eine schwere Rüstung gehüllte Elefant zu Boden und begrub seinen Reiter unter sich.

Nach dieser wagemutigen Tat sprang Nakula auf Bhimas Wagen und ruhte sich einige Augenblicke aus. Bhima trennte dem Wagenlenker des angreifenden Kotika mit einem hufeisenförmigen Pfeil das Haupt vom Rumpf. Doch der Prinz bemerkte nicht einmal den Tod seines Wagenlenkers, so daß die Pferde führerlos und richtungslos weiterrannten. Als Bhima sah, daß Kotika ohne Wagenlenker dem Schlachtfeld den Rücken zuwandte, verfolgte er ihn und tötete ihn mit einem bärtigen Pfeil. Mittlerweile trennte Arjuna den zwölf Sauvira Helden mit seinen scharfen, mondsichelförmigen Pfeilen sowohl die Bögen entzwei als auch die Köpfe ab.

Dann schlug er die Führer der Ikshvakus, die Heerscharen der Sivis, Trigartas und Saindhavas. Man sah viele Elefanten und Wagen mit Bannern durch die Hand Arjunas fallen. Überall lagen abgetrennte Köpfe und Rümpfe herum und bedeckten den Boden. Schon sammelten sich die Hunde, Raben, Falken, Geier, Schakale und andere Aasfresser, um sich am Blut und Fleisch der Toten zu laben.
 

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Kapitel 270 – Jayadratha gefangen


Als Jayadratha erkennen mußte, daß seine Heerscharen geschlagen waren, überkam ihn panische Angst und er rannte fort, Draupadi zurücklassend. Feige setzte er sie irgendwo ab, rannte um sein Leben, und entkam im Getümmel auf dem Weg, den er gekommen war. Yudhishthira sah Draupadi und Dhaumya zu Fuß gehen, und gebot dem heldenhaften Sahadeva, die beiden schützend in seinem Wagen aufzunehmen. Bhima mähte im Rausch die fliehenden Fußsoldaten mit eisernen Pfeilen nieder, bei jedem seinen Namen nennend. Doch Arjuna hatte Jayadrathas Flucht bemerkt und hielt Bhima vom Schlachten des kläglichen Heeresrestes ab.

So sprach Arjuna zu Bhima: Ich kann nirgends Jayadratha auf dem Schlachtfeld entdecken, dessen üble Tat uns hier überhaupt zornig kämpfen ließ. Suche zuallererst ihn, und möge Erfolg deine Mühe lohnen. Was ist Gutes daran, sein Fußvolk zu töten? Warum widmest du dich solch unheilsamem Wirken ohne Gewinn?

Solcherart vom weisen Arjuna ermahnt, ließ Bhima von seinem Tun ab und wandte sich an Yudhishthira:
Da die meisten Krieger des Feindes geschlagen sind und in alle Richtungen davon rennen, geh du mit Dhaumya, Draupadi und den Zwillingen heim in unsere Einsiedelei. Dort beruhige die Prinzessin. Ich werde den törichten König der Sindhus nicht in Ruhe lassen, solange er lebt, selbst wenn er Zuflucht in die höllischen Bereiche nähme oder den Beistand Indras (Führer der himmlischen Sura Götter) bekäme.

Und Yudhishthira gebot ihm: Oh du mit den starken Armen, denk an unsere Schwester Dushala (die Gattin Jayadrathas) und die gefeierte Gandhari. Töte den König der Sindhu unter keinen Umständen, auch wenn er so gemein ist.

Doch diese Worte erregten Draupadi aufs Äußerste. Empört und sittsam zugleich sprach die kluge Dame zu Bhima und Arjuna: Wenn euch irgendetwas daran gelegen ist, mir Gutes zu tun, dann müßt ihr den hinterhältigen und verachtenswerten Schuft töten. Dieser Anführer der Sindhus ist sündig, dumm, infam und gemein. Wer gewaltsam eine Ehefrau oder ein Königreich raubt, dem sollte niemals in der Schlacht vergeben werden, und bettelte er auch um Gnade.

Von beiden Seiten ermahnt begaben sich die beiden mutigen Krieger auf die Suche nach Jayadratha, während König Yudhishthira sich mit Dhaumya, ihrem spirituellen Begleiter, und Draupadi auf den Heimweg machte. Dort angekommen sah er all die Brahmanen mit Markandeya auf ihren Sitzen, wie sie das Los von Draupadi bitterlichst beweinten. Doch als der weise Yudhishthira mit seinen Brüdern als siegreich erkannt wurde, verbreitete sich sogleich große Freude in der Einsiedelei. Yudhishthira setzte sich zu ihnen, und Draupadi und die Zwillinge zogen sich zurück.

Bhima und Arjuna hatten mittlerweile in Erfahrung gebracht, daß ihr Feind zwei Meilen Vorsprung hatte, und trieben ihre Pferde zur Eile. Arjuna vollbrachte die wundervolle Tat, die Pferde von Jayadratha aus dieser Distanz zu töten. Dabei halfen ihm seine himmlischen Waffen, die er mit Mantras erweckte und die keine Hindernisse kannten. So holten sie den völlig verwirrten und bekümmerten Jayadratha ein, der über seine sterbenden Pferde sehr verwundert war. Als er dann die beiden Entschlossenen heranstürmen sah, floh er weiter den Pfad im Walde entlang. Doch Arjuna holte den Rennenden schnell ein und rief ihm zu:

Wie konnte es sein, daß du mit so wenig Männlichkeit es wagtest, eine Dame gewaltsam zu rauben? Kehr dich zu uns, oh Prinz! Es ist feige, davonzurennen. Wie kannst du nur dein Gefolge inmitten der Feinde allein lassen und weglaufen?

Doch der Monarch der Sindhus blieb nicht stehen, obwohl ihn die beiden mehrmals ermahnten. Da ergriff ihn Bhima mit schneller Hand, und Arjuna beschwor ihn voller Milde, den Lumpen nicht zu töten.
 

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Kapitel 271 – Jayadratha begnadigt

Vaisampayana fuhr fort: Als Jayadratha von den beiden Brüdern mit ihren erhobenen Waffen weg und tief verzweifelt um sein Leben rannte, sprang Bhima vom Wagen ab und packte ihn beim Schopfe. Erst hob er ihn hoch und dann stieß er ihn heftig zu Boden. Noch einmal packte er ihn am Kopf und schlug auf ihn ein. Als Jayadratha die Sinne wiederkamen, stöhnte er laut und versuchte, auf die Beine zu kommen. Doch Bhima schlug ihm mit mächtigen Hieben auf den Kopf. Auch preßte er ihm Knie und Fäuste auf die Brust, so daß der König schon bald wieder das Bewußtsein verlor. Doch nun schritt Arjuna ein und besänftigte den zornvollen Bhimasena, nicht weiter zu strafen, sondern an Yudhishthiras Worte bezüglich Dushala zu denken.

Darauf antwortete Bhima: Dieser sündige Lump hat Draupadi so grausam gedemütigt. Sie kann solche Behandlung niemals ertragen. Oh, er verdient es hier und jetzt von meiner Hand zu sterben. Doch was kann ich tun? Der König ist immer voller Gnade, und auch du hinderst mich immer aus kindisch tugendhaften Motiven!

Nach diesen Worten nahm Bhima einen scharfen, sichelförmigen Pfeil und schor Jayadratha den Kopf bis auf fünf einzelne Haarbüschel. Jayadratha blieb dabei ganz still. Dann sprach Bhima zu ihm:
Wenn dir dein Leben lieb ist, dann höre mir zu, du Narr. Ich werde dir sagen, wie du dein Leben retten kannst. In öffentlichen Versammlungen und Plätzen mußt du sagen: Ich bin ein Sklave der Pandavas! Nur dann lasse ich dir dein Leben. Dies ist alter Brauch bei Siegern in der Schlacht.

Und Jayadratha, zitternd, schwach und mit Schmutz verschmiert, antwortete dem grimmig und kriegerisch aussehenden Bhima: So sei es.

Arjuna und Bhima fesselten ihn mit Ketten, warfen ihn auf den Wagen und kehrten in die Einsiedelei zurück. Dort traten sie vor Yudhishthira und stellten Jayadratha in diesem Zustand vor den sitzenden König. Dieser lächelte und gebot ihnen, den König der Sindhus freizulassen.

Doch Bhima begehrte auf: Sag du Draupadi, daß dieser Lump zum Sklaven der Pandavas geworden ist.
Voller Liebe bat da sein älterer Bruder: Wenn du Achtung für uns hast, dann gib den Narren frei.

Und auch Draupadi, welche des Königs Gedanken nur zu gut kannte, sprach:
Laß ihn gehen. Er wurde eben zum Sklaven des Königs Yudhishthira, und du hast ihn verunstaltet, indem du nur fünf Haarbüschel auf seinem Kopf übriggelassen hast.

So wurde der niedergeschlagene Jayadratha aus seinen Ketten befreit, trat vor König Yudhishthira und verbeugte sich vor ihm. Auch grüßte er die Munis. Und beim Anblick des von Arjuna Gestützten, sprach der freundliche Yudhishthira zu ihm voller Mitgefühl:
Du bist nun ein freier Mann. Ich lasse dich gehen. Doch sorge dafür, daß du niemals wieder so etwas tust. Schäm dich! Du warst entschlossen, einer Dame Gewalt anzutun, obwohl du feige und schwach bist. Wie konntest du nur an so etwas denken?

Mit Mitleid blickte Yudhishthira auf den Übeltäter und Beschmutzer seines Geschlechts und glaubte, daß jener seinen Verstand verloren haben mußte. So ermahnte er ihn:
Möge dein Herz in Tugend wachsen. Neige dich nicht noch einmal zu unmoralischen Taten. So geh nun mit deinem Wagenlenker, deiner Kavallerie und Infanterie.

Überwältigt von Scham beugte Jayadratha sein Haupt und ging schweigend und kummervoll zu dem Ort, an dem die Ganga sich in die Ebene ergießt. Dort übte er strengste Askese und rief den Schutz des Gottes mit den drei Augen (Śiva) an, den Gemahl der Göttin Uma . Zufrieden mit seiner Enthaltsamkeit erschien Śiva und war geneigt, seine Opfergaben anzunehmen und ihm einen Segen zu gewähren. Jayadratha bat den Gott:
Möge ich in der Lage sein, alle fünf Söhne des Pandu auf ihren Streitwagen in der Schlacht zu besiegen.
 

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Kapitel 271 – Teilzerstörung des Universums I

Doch Maheshvara (Śiva) antwortete ihm:
Das ist nicht möglich. Niemand kann die Pandavas im Kampf schlagen oder besiegen. Doch ich gewähre dir, daß du sie, außer Arjuna, einmal auf dem Schlachtfeld aufhalten kannst. Der heldenhafte Arjuna jedoch mit den mächtigen Waffen ist eine Form des Gottes Nara. Er übte vor langer Zeit Enthaltsamkeit im Vadari Wald, und des Transzendentalen Herrn Narayana ist sein Freund. Selbst die Götter könnten ihn nicht besiegen. Ich selbst übergab ihm die himmlische Waffe namens Pashupata. Und von den Herrschern der zehn Himmelsrichtungen bekam er den Donnerkeil und andere, gewaltige Waffen.

Der Transzendentale Herr Vishnu ist die grenzenlose Seele, der Herr und Lehrer aller Götter, das Höchste Wesen ohne materielle Eigenschaften und die Seele des Universums. Er durchdringt die ganze Schöpfung. Am Ende eines Zyklus der Zeitalter (Kali-, Dvapara-, Treta- und Satya-Yuga - 22 000 himmlische Jahre) nahm er die Gestalt des alles vernichtenden Feuers an und verschlang das ganze Universum mit seinen Bergen, Ozeanen, Inseln und Wäldern.

Nach der Vernichtung der Naga (Mystische Schlange) Welten
wurden alle unterirdischen Regionen des Universums zerstört,
und es erschienen Massen von vielfarbigen laut donnernden Wolken,
deren Blitze das ganz Himmelsgewölbe hoch droben durchzuckten.

Es ergossen sich Regengüsse in dicken Strömen wie Pfähle und füllten jeden Raum aus, womit sie schließlich das alles vernichtende Feuer wieder löschten. Ja, am Ende der vier Yugas wurde die Erde zum weiten Meer, völlig mit Wasser überflutet, und alle beweglichen und unbeweglichen Wesen verstummten im Tod. Sonne, Mond und Winde hörten auf zu existieren, und die Welt war aller Sterne und Planeten beraubt.

Und Narayana, dieses Höchste Wesen, das den Sinnen unbekannt und mit tausend Häuptern, Augen und Beinen geschmückt ist, begehrte der Ruhe. Die gewaltig aussehende Schlange Sesha (Bala-rāma in den Spielen Krishnas und Nityānanda in den Spielen Śrī Caitanya) mit ihren tausend Hauben strahlte wie zehntausend Sonnen und war so weiß wie die Kunda Blume, der Mond, der weiße Lotus, eine Perlenschnur oder Milch und diente ihm als Ruhelager.

So ging der verehrungswürdige und allmächtige Gott im tiefsten Meditation und umhüllte allen Raum mit nächtlicher Düsternis. Und als sich seine schöpferischen Kräfte wieder regten, erwachte er und fand das Universum aller Dinge bar. Und hier wird folgender Sloka rezitiert, der die Bedeutung Narayanas beschreibt:
„Das Wasser wurde vom Rishi Nara geschaffen. Es formte seinen Leib, und wir nennen es Nara. Und weil es ihm als Ruhelager (ayana) diente, ist er als Narayana bekannt.“
 

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Kapitel 271 – Teilzerstörung des Universums II

In dem Moment, als das immerwährende Wesen sich in Meditation versenkte, um die Schöpfung erneut zu beginnen, da erschien ein Lotus aus seinem Nabel, in dem der viergesichtige Brahmā (das erste vom Falschen Ego bedingte Lebewesen und Höchster Gott in einem Universum) entstand. Der Große Vater saß im Lotus, und sah, daß das Universum leer war. Da erschuf er in seiner Art und mit seinem Willen die neun großen Rishis, Marichi und andere. Jene wiederum erschufen in derselben Erkenntnis die Yakshas, Rakshasas, Pisachas, Reptilien, Menschen und alle anderen Kreaturen.

So hat der Höchste Geist drei Zustände. In Gestalt Brahmās ist er der Schöpfer (im inneren eines Universums),
in Gestalt Vishnus der Erhalter und in Gestalt Rudras (Śivas) der Vernichter des Universums.
bezeichnet.
 
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Kapitel 271 – Avataren des Transzendentalen Herrn


Oh König der Sindhus, du hast wohl nicht den wunderbaren Errungenschaften Vishnus gelauscht, wie sie dir die Munis und die in den Veden gelehrten Brahmanen erzählt haben? Als die Welt damals nur aus einem weitreichenden Ozean aus Wasser bestand, über dem einzig der Himmel thronte, da wanderte der Herr wie ein Glühwürmchen in der Regenzeit hin und her. Er suchte einen festen Boden, um die Schöpfung zu erneuern. Und so beschloß er, die Erde aus dem Wasser des Universums (Gharba-Dhaka Ozean) zu heben.

Er überlegte: „Welche Form soll ich annehmen, um die Erde aus der Flut zu retten?“ Mit himmlischer, innerer Sicht wurde ein wilder Eber aus ihm, der sich gern im Wasser tummelte. Dieses Opfertier strahlte, denn es hatte die Veden verinnerlicht, und maß zehn Yojanas in der Länge. Es hatte spitz zulaufende Zähne, das Fell so dunkel wie Gewitterwolken, einen bergesgroßen Körper und brüllte wie lauter Donner. So tauchte der Herr in die Wasser ein, zog mit einem seiner Eckzähne die Erde heraus und setzte sie in ihre rechte Sphäre.

Ein andermal nahm der mächtige Herr die wunderbare Gestalt eines Löwenmenschen an. Mit geballten Händen begab er sich zum Hofe des Herrschers der Daityas. Als der Erhalter seines Geschlechts, Hiranyakashipu, Sohn der Diti und Feind der Sura Götter, den Herrn in dieser eigentümlichen Form sah, da explodierte in ihm die Leidenschaft und seine Augen brannten in Rage. Und kriegerisch nahm der dunkle und mit Blumenkränzen geschmückte Hiranyakashipu seinen Dreizack auf, brüllte laut und stürmte gegen dieses Wesen, halb Mensch, halb Löwe, an. Doch der mächtige Herr aller wilden Tiere sprang hoch in die Luft und zerriß den (dämonischen) Daitya König zum Wohle aller Wesen mit seinen scharfen Klauen.
 
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