Mahabharata

Mahabharata 1. Buch
Vaka Badha Parva Kapitel 162

Kunti erfährt den Grund der Trauer ihrer Gastfamilie

Kunti sprach:
Ich möchte den Grund eurer Verzweiflung erfahren, denn ich möchte euch helfen, wenn ich es vermag.

Der Brahmane antwortete:
Oh du mit dem Reichtum an Askese, deine Worte sind wahrlich deiner würdig. Doch dieses Elend ist nicht durch Menschen abwendbar. Nicht weit von dieser Stadt entfernt lebt ein Rakshasa namens Vaka. Der Menschenfresser ist der Gebieter dieses Landes und der Stadt. Er ernährt sich von menschlichem Fleisch und herrscht mit großer Kraft über sein Reich. Er ist ein Anführer der Rakshasas. Stadt und Land werden von seiner Macht beschützt. Dafür brauchen wir vor den Machenschaften keines anderen Feindes, ja vor keiner lebenden Seele Angst zu haben.

Doch der festgesetzte Lohn für diesen Rakshasa besteht aus einer Wagenladung Reis, zwei Büffeln und einem Menschen, der ihm die Nahrung bringt. Ein Hausvater nach dem anderen ist an der Reihe, ihm sein Essen zu bringen. Obwohl es schwer zu akzeptieren ist, kommt die Aufgabe im Laufe der Jahre auf jede Familie zu. Wenn jemand versucht, dem auszuweichen, tötet ihn der Rakshasa mitsamt seinen Kindern und Ehefrauen und verschlingt sie alle. Es gibt in diesem Land auch eine Stadt namens Vetrakiya.

Dort lebt der König dieser Territorien, doch er weiß nichts von den Künsten der Staatsführung. Er verfügt über wenig Klugheit und sorglos unternimmt er nichts, um diesen Teil seines Reiches für kommende Zeiten zu sichern. Doch sicherlich verdienen wir dies alles, zumal wir im Reich dieses gemeinen und schwachen Monarchen in stetiger Sorge leben. Brahmanen sollten eigentlich nicht dauerhaft im selben Reich leben, denn sie hängen von niemandem ab. Sie sollten lieber wie Vögel leben und alle Reiche friedvoll durchwandern.

Es wird gesagt, daß man sich einen (guten) König, Ehefrau und Wohlstand sichern soll. Hat man alle drei erreicht, kann man dadurch seine Verwandten und Söhne retten. Doch ich habe anders gehandelt. Und nun tauche ich in einen See von Kummer ein und leide sehr. Die tödliche Reihe ist an mir. Ich muß dem Rakshasa seine Nahrung bringen: Reis, Büffel und einen Menschen. Ich bin nicht reich genug, um einen Mann zu kaufen, und in keinster Weise kann ich mich von einem aus meiner Familie trennen. Ich sehe kein Mittel, dem Rakshasa zu entfliehen. Und so versinke ich im Ozean des Leidens, aus dem es kein Entkommen gibt. Ich werde zum Rakshasa gehen, und meine ganze Familie wird mich begleiten, so daß der Schuft uns alle verschlingen möge.
 
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Mahabharata 1. Buch
Vaka Badha Parva Kapitel 163

Kunti beruhigt ihre Gastfamilie

Da sprach Kunti:
Weine nicht, oh Brahmane, und fürchte nicht länger die Gefahr. Ich sehe einen Weg, dich vor dem Rakshasa zu retten. Du hast nur einen Sohn, der auch noch sehr jung ist. Und du hast nur eine Tochter, auch sie ist jung und hilflos. Ich möchte nicht, daß einer der beiden, deine Frau oder du selbst zum Rakshasa gehen muß. Ich habe fünf Söhne, oh Brahmane. Laß einen von ihnen an deiner statt den Tribut zum Rakshasa tragen.

Der Brahmane erwiderte:
Niemals werde ich dies auf mich nehmen, um mein eigenes Leben zu retten. Ich werde niemals das Leben eines Brahmanen oder eines Gastes opfern, um mich selbst zu retten. Selbst Menschen von niederer Herkunft oder Sünder lehnen so etwas ab. Man sagt, daß man sich selbst und seine Kinder für einen Brahmanen opfern sollte. Ich erachte diesen Rat als hervorragend und folge ihm gern. Wenn ich zwischen dem Tod eines Brahmanen und meinem eigenen Tod wählen müßte, würde ich meinen eigenen vorziehen.

Das Töten eines Brahmanen ist die höchste Sünde. Dafür gibt es keine Sühne. Ich denke, es ist besser, widerwillig sich selbst, als widerwillig einen Brahmanen zu opfern. Oh gesegnete Dame, wenn ich mich selbst opfere, werde ich nicht der Selbstzerstörung schuldig. Keine Sünde kann an mir haften, wenn ein anderer mein Leben nimmt. Doch wenn ich bewußt dem Tod eines Brahmanen zustimme, wäre dies eine grausame und sündige Tat, deren Konsequenzen ich niemals entkommen könnte.

Die Gelehrten haben gesagt, daß
das Verstoßen eines Menschen, der zu deinem Haus kam und deinen Schutz suchte,
und das Töten eines Menschen, der den Tod durch deine Hand suchte, grausam und sündhaft sind.

Und die Ruhmreichen unter jenen, die sich mit den erlaubten Mitteln in Notsituationen auskennen, haben gesagt,
daß man unter keinen Umständen eine grausame und verurteilenswerte Handlung begehen sollte.
Es ist wohl gut, daß ich bald mit meinem Weib sterben werde. Niemals würde ich den Tod eines Brahmanen gutheißen.

Kunti sprach:
Auch ich bin der festen Überzeugung, daß Brahmanen immer beschützt werden müssen. Und auch für mich gilt: Und wenn ich hundert Söhne hätte, wäre mir keiner lieber als meine fünf. Doch dieser Rakshasa wird nicht in der Lage sein, meinen Sohn zu töten. Denn dieser Sohn von mir verfügt über große Macht und Energie, und er ist geübt in Mantras. Er wird dem Rakshasa treulich die Nahrung bringen, und sich selbst retten.

Das weiß ich sicher. Ich habe meinen heldenhaften Sohn schon mit gewaltigen Rakshasas mit riesigen Leibern kämpfen sehen, und immer wurden sie von ihm getötet. Doch, oh Brahmane, erzähle dies niemanden. Denn wenn seine Macht bekannt wird, werden die Menschen meine Söhne aus Gier nach dieser Macht ständig verfolgen. Aber die Weisen haben gesagt, wenn mein Sohn ohne Erlaubnis seines Lehrers dieses Wissen an irgend jemanden weitergibt, dann wird er nicht länger davon Gebrauch machen können.

Vaisampayana erzählte weiter:
Nach diesen Worten wurden der Brahmane und seine Frau wieder fröhlich, und erleichtert stimmten sie Kuntis nektargleichem Vorschlag zu. Dann begab sich Kunti mit dem Brahmanen zu Bhima, dem Sohn von Vayu, und baten ihn, die schwere Tat zu vollbringen. Und Bhima antwortete: „So sei es.“
 
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Vaka Badha Parva Kapitel 164

Gespräch zwischen Kunti und Yudhishthira

Nachdem Bhima versprochen hatte, die Tat zu vollbringen, kehrten die übrigen Pandavas mit den Almosen heim, welche sie im Laufe des Tages erhalten hatten. Schon von Bhimas Gesichtsausdruck ahnte Yudhishthira, wozu sich Bhima entschlossen hatte. Vertraulich saß er an der Seite seiner Mutter und fragte sie: „Was möchte Bhima mit dem schrecklichen Heldenmut vollbringen? Handelt er auf dein Wort hin oder aus eigenem Willen?“ Kunti erwiderte: „Auf mein Geheiß wird Bhima, der Bezwinger aller Feinde, die große Tat vollbringen, dem Brahmanen Gutes tun und die Stadt befreien.“

Da sprach Yudhishthira:
... Auf Bhimas Arme vertrauend schlafen wir jede Nacht friedlich und hoffen, das Königreich wiederzuerhalten, aus dem wir vom gierigen Sohn Dhritarashtras vertrieben wurden. ... Dieser Bhima verursachte den Tod Purochanas. Auf seine Kraft vertrauend erachten wir uns als Sieger über die Söhne Dhritarashtras und als Herrscher über die Erde mit all ihrem Reichtum. ...

Kunti antwortete:
... Nachdem ich Bhimas Macht gesehen habe, als wir aus dem Lackhaus entflohen sind und nach dem Kampf mit Hidimba, ist mein Vertrauen in ihn groß. Sein Arm kann es an Kraft mit tausend Elefanten aufnehmen. Deswegen konnte er euch alle aus Varanavata tragen, wo jeder von euch so schwer wie ein Elefant ist. Niemand auf Erden ist Bhima an Stärke ebenbürtig. Er mag sogar diesen Besten der Krieger, den Träger des Donners, besiegen. Gleich nach seiner Geburt fiel er mir vom Schoß auf einen Felsen. Durch die Härte seines Körpers zerbrach der Felsen unter ihm in Stücke.

Auch daher weiß ich um Bhimas Macht, oh Sohn des Pandu. Und deshalb entschloß ich mich, ihn gegen den Feind des Brahmanen ins Feld zu schicken. Meine Motive waren weder Torheit, noch Unwissen oder Gewinn. Bedächtig entschloß ich mich zur dieser tugendhaften Tat. Und es werden dabei zwei Ziele erreicht, oh Yudhishthira:
einmal die Vergeltung der guten Dienste des Brahmanen und außerdem der Gewinn von hohem religiösen Verdienst.

Denn ich bin davon überzeugt, daß ein Kshatriya, der in allen Dingen einem Brahmanen hilft, in die glückseligen Bereiche kommt.
Auch erntet ein Kshatriya, der einem anderen Kshatriya das Leben rettet, in dieser und der nächsten Welt großen Ruhm.
Hilft ein Kshatriya einem Vaisya, wird er in dieser Welt berühmt.
Und ein König sollte sogar die Shudras beschützen, wenn sie ihn um Hilfe bitten.
Wenn er das tut, wird er auch im nächsten Leben seine Geburt in einer königlichen Familie nehmen, über Wohlstand gebieten und von anderen Königen respektiert werden.
Oh Sohn im Geschlecht des Puru, der ruhmreiche Vyasa, der seine Weisheit durch harte asketische Anstrengung gewann, erklärte mir dies vor langer Zeit. Und deshalb habe ich diese Tat beschlossen.
 
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Vaka Badha Parva Kapitel 165-166

Bhima tötet den Rakshasa Vaka
Die Bürger von Ekachakra entdecken den toten Vaka


Da sprach Yudhishthira zu seiner Mutter:
Was du aus Mitgefühl für den leidenden Brahmanen wohl überlegt getan hast, ist hervorragend, oh Mutter. Bhima wird sicher lebend zurückkommen, nachdem er den Menschenfresser getötet hat, schon weil du, oh Mutter, immer Anteil an den Brahmanen nimmst. Doch sprich mit dem Brahmanen und sorge dafür, daß die Bewohner der Stadt nichts erfahren. Laß ihn das versprechen.

Vaisampayana fuhr fort:
Die Nacht verging, und Bhima verließ die Stadt … Der mächtige Sohn des Pandu kam zu dem besagten Wald, aß dort alle Nahrung selbst auf, und rief laut den Namen des Rakshasa. Ärgerlich erhob sich da der Rakshasa und trat hervor. Er war riesig und stark, hatte rote Augen, einen roten Bart und rotes Haar. Er war schrecklich anzusehen. ... Als er sah, wie Bhima sein Essen aß, kam er näher, biß sich auf die Unterlippe und riß die Augen zornig auf. Er sprach zu Bhima: „Wer ist der Narr, der sich voller Verlangen ins Reich Yamas wünscht, weil er vor meinen Augen das für mich gedachte Essen verspeist?“ ...

Da schrie der Rakshasa gellend auf, hob beide Arme hoch und stürmte auf Bhima zu, um ihn zu töten. Doch immer noch rührte sich Bhima nicht. Er warf nur einen einzigen Blick auf den Rakshasa und aß weiter. Da schlug der Rakshasa außer sich vor Wut Bhima von hinten auf den Rücken. Doch obwohl der Schlag heftig und mit beiden Armen ausgeführt war, schaute Bhima nicht auf und verschlang weiter wie bisher die Nahrung des Rakshasa…

Da erklärte der Rakshasa, daß er der mächtige Vaka wäre, sprang auf Bhima und ergriff ihn mit seinen ungeheuer starken Armen. Auch Bhima, der gewaltige Held, strengte sich nun richtig an, rang mit dem Rakshasa und zerrte gewaltsam an ihm. …Doch schon bald ermüdete der Menschenfresser. …Als Bhima erkannte, daß die Kräfte des Rakshasa nachließen, rang er ihn zu Boden, hielt ihn mit den Knien fest und schlug mit großer Kraft auf ihn ein. Dann setzte er ein Knie auf den mittleren Rücken seines Gegners, packte dessen Genick mit der rechten und seine Hüfte mit der linken Hand und brach ihn mitten durch. Der Rakshasa brüllte ein letztes Mal, erbrach Blut und starb auf Bhimas Knie.

Vom gräßlichen Todesschrei Vakas angelockt, kam die Familie des Rakshasa mitsamt ihren Dienern heraus. Und Bhima sprach zu den Geängstigten und Verwirrten: „Tötet niemals wieder Menschen. Wenn ihr das tut, werdet ihr wie Vaka sterben.“ Die Rakshasa versprachen es willig: „So sei es.“ Doch die Familie des toten Vaka fürchtete sie sich sehr vor der Macht Bhimas, und sie rannten in alle Richtungen davon.

Seit jenem Tag waren die Rakshasas sehr friedlich mit den Menschen von Ekachakra. Dann legte Bhima den leblosen Körper des Menschenfressers am Stadttor ab und kehrte unbeobachtet heim.

Nachdem Bhima heimgekehrt war, berichtete er Yudhishthira in allen Einzelheiten, was vorgefallen war. Als die Bürger von Ekachakra später den toten, blutbedeckten Körper von Vaka am Boden liegen sahen, standen ihnen beim Anblick des bergesgroßen, schrecklichen und völlig verdrehten Menschenfressers die Haare zu Berge.

… Dann rechneten sie sich aus, wer an der Reihe gewesen war, dem Rakshasa seinen Tribut zu zahlen, begaben sich zum Brahmanen und fragten ihn aus. Wieder und wieder von den Bürgern befragt, antwortete der Brahmane mit der Absicht, die Pandavas geheim zu halten: „Ein gewisser hochbeseelter und in den Mantras gelehrter Brahmane sah mich und meine Familie weinen, nachdem ich ausgewählt worden war, den Tribut zu leisten.

Er fragte mich nach dem Grund, erfuhr somit von der Not der Stadt und versicherte mir mit einem Lächeln: Fürchte dich nicht. Ich werde morgen dem Rakshasa seine Nahrung bringen. - Und so trug er das Essen für Vaka in den Wald. Die Tat, die uns so wohl tut, muß von ihm vollbracht worden sein.“ Da kehrten die Bürger in ihre Häuser zurück, und auch die Pandavas lebten weiter in Ekachakra. …
 
Mahabharata 1. Buch
Chaitraratha Parva Parva Kapitel 167-168


Ein Brahmane besucht die Pandavas

Janamejaya fragte:
Oh Brahmane, was taten diese Tiger unter den Männern, die Pandavas, nachdem Bhima den Rakshasa Vaka getötet hatte?

Vaisampayana sprach:
Die Pandavas lebten weiter im Hause des Brahmanen und studierten die Veden. Nach einigen Tagen kam ein Brahmane der strengen Gelübde ins Haus ihres Wirtes, um dort sein Quartier aufzuschlagen. Ihr Wirt war immer gastfreundlich zu allen Ankömmlingen, grüßte und ehrte den neuen Brahmanen und ließ ihn bei sich wohnen. Und Kunti und ihre Söhne baten den Neuankömmling, von seinen interessanten Erlebnissen zu erzählen. So sprach der Brahmane zu ihnen von verschiedenen Ländern, Schreinen und heiligen Flüssen, von Königen und vielen wunderbaren Provinzen und Städten. So erzählte der Brahmane auch von der (geplanten) hervorragenden Gattenwahl der Tochter des Königs von Panchala, und vom großen Opfer des Drupada, bei dem Dhrishtadyumna, Sikhandi und Draupadi (auch Krishnaa oder Jajnaseni = Tochter des Jajnasena/Jagmasena, ein anderer Name Drupadas) ohne eine Frau geboren wurden.

Als die Pandavas diese Neuigkeiten vom ruhmreichen König Drupada hörten, wollten sie mehr erfahren und ihre Neugier stillen. So fragten sie den Brahmanen: „Wie, oh Brahmane, geschah die Geburt von Dhrishtadyumna, dem Sohn des Drupada aus dem Opferfeuer? Und wie konnte inmitten des Opferplatzes die außergewöhnliche Geburt von Draupadi stattfinden? Und wie erlernte Drupadas Sohn alle Waffenkünste vom großen Bogenkrieger Drona? Und wie und warum zerbrach die Freundschaft zwischen Drona und Drupada?“

Solchermaßen befragt hob der Brahmane an, alle Einzelheiten über die Geburt von Draupadi zu erzählen.

Die Geschichte von Drona und Drupada

Der Brahmane erzählte:
In der Gegend, in der die Ganga sich in die weite Ebene ergießt, lebte ein großer Rishi, der sich härtester Buße zugewandt hatte. Er folgte strengen Gelübden, hatte große Weisheit und hieß Bharadvaja. Eines Tages, als der Rishi zur Ganga kam, um seine Waschungen zu vollführen, erblickte er die Apsara Ghritachi, welche vor ihm ihre Waschungen vollendet hatte. In dem Augenblick erhob sich ein Wind und trug die Kleider der Apsara fort. Als der Rishi sie nackt sah, fühlte er den Einfluß des Begehrens. Seit seiner Jugend war er dem Keuschheitsgelübde gefolgt, und sogleich, als er das Begehren spürte, floß sein Samen aus ihm heraus. Der Rishi fing ihn mit einem Wassertopf auf, indem ihm ein Sohn namens Drona (der Topfgeborene) geboren wurde.

Drona studierte die Veden und all ihre Zweige. Sein Vater Bharadvaja hatte einen Freund namens Prishata. Er war der König von Panchala. Ungefähr zu der Zeit, als Drona geboren wurde, kam auch der Sohn des Königs namens Drupada zur Welt. Drupada kam jeden Tag zur Einsiedelei des Bharadvaja und spielte und studierte mit Drona. Nach Prishatas Tod folgte ihm Drupada auf den Thron. Zu dieser Zeit hörte Drona, daß Rama (mit der Axt) sich in die Wälder zurückziehen wollte und entschlossen war, all seinen Reichtum wegzugeben. So begab sich der Sohn Bharadvajas zu Rama und sprach zu ihm: „Oh bester Brahmane, ich bin Drona und gekommen, von dir Wohlstand zu erhalten.“

Rama erwiderte: „Ich habe alles weggegeben. Du kannst nur noch um meinen Körper oder meine Waffen bitten.“ Da sprach Drona: „Bitte gib mir all deine Waffen zusammen mit dem Wissen, wie man sie gebraucht und zurückholt.“ Rama, dieser Nachfahre des Bhrigu, stimmte zu: „So sei es.“, und übergab Drona all seine Waffen. Danach betrachtete sich Drona als mit Erfolg gekrönt und war sehr glücklich, denn er erhielt von Rama diese höchste Waffe namens Brahmaa, welche ihn entschieden über andere Menschen erhob.

Danach ging der mächtige Drona zu Drupada, diesem Tiger unter den Monarchen, und sprach: „Ich bin dein Freund.“ Doch Drupada entgegnete: „Einer von niederer Geburt kann nicht der Freund von jemandem sein, dessen Linie rein ist.
Wer kein Wagenkrieger ist, kann nicht einen Wagenkrieger zum Freund haben.
So kann ein König niemanden zum Freund haben, der kein König ist. Warum verlangst du nach unsere einstigen Freundschaft?“

Schwer gekränkt beschloß der kluge Drona einen Plan, den König der Panchalas zu demütigen, und begab sich in die Hauptstadt der Kurus, die nach dem Elefanten benannt ist. Bhishma übergab dem weisen Sohn des Bharadvaja seine Enkelsöhne als Schüler und viel Vermögen. Und Drona rief seine Schüler zusammen und sprach zu ihnen: „Ihr Sündenlosen, es schickt sich für euch, mir nach Beendigung eurer Ausbildung an den Waffen meinen herzlich ersehnten Tribut zu zahlen.“ Da antworteten Arjuna und die anderen: „So sei es.“ Nach einiger Zeit, als die Pandavas fähige und zielsichere Krieger geworden waren und Drona sie für fähig hielt, verlangte er seine Bezahlung und sprach zu ihnen: „Drupada ist der Sohn des Prishata und König von Chatravati. Nehmt ihm sein Königreich und übergebt es mir.“

Da besiegten die Pandavas den Drupada in der Schlacht, nahmen ihn mitsamt seinen Ministern gefangen und übergaben ihn Drona. Als Drona den besiegten Monarchen vor sich sah, sprach er: „Oh König, ich bitte erneut um deine Freundschaft. Und weil einer, der kein König ist, auch keinen König zum Freund verdient, habe ich beschlossen, oh Jajnasena, dein Königreich unter uns aufzuteilen. Du wirst der König der Gebiete südlich der Ganga, und ich regiere den Norden.“ Der König von Panchala antwortete dem weisen Sohn des Bharadvaja, diesem besten Brahmanen und Ersten aller Waffenträger: „Oh du Hochbeseelter, gesegnet bist du. Laß es so geschehen und zwischen uns ewige Freundschaft sein, wie du es wünschst.“ So sprachen sie und beschlossen das andauernde Band zwischen sich. Danach trennten sich ihre Wege. Doch der Gedanke an die Demütigung verließ die Erinnerung des Königs Drupada für keinen Moment. Mit trauerndem Herzen wurde der König immer schwächer.
 
Mahabharata 1. Buch
Chaitraratha Parva Parva Kapitel 169


Drupadas Opferzeremonie, um Kinder zu bekommen

Der Brahmane erzählte weiter:
Mit schwerem Herzen wanderte König Drupada durch viele Einsiedeleien auf der Suche nach außergewöhnlichen Brahmanen mit besonderem Wissen in Opferriten. Überwältigt von Kummer, mutlos und sich sehnlichst Kinder wünschend sprach er wieder und wieder: „Ach, ich habe keinen Sohn, der alle übertrifft. Und Schande über die Kinder und Verwandten, die ich habe.“ ... So wanderte er an den Ufern der Yamuna und der Ganga und gelangte eines Tages zu einer heiligen Einsiedelei. In dieser Herberge gab es keinen Brahmanen, der kein Snataka (einer, der seine Studien beendet hatte) war, strengen Gelübden folgte ... Hier traf der König auf zwei Brahmanen namens Yaja und Upayaja.

Beide folgten härtesten Gelübden, hatten ihre Seelen unter völliger Kontrolle und gehörten dem höchsten Rang an. Sie widmeten sich ernsthaft ihren Studien der alten Bräuche und stammten von Kasyapa ab. ... Er ehrte die Füße von Upayaja, sprach immer liebe Worte zu ihm und bot ihm jedes Ding an, was ein Mensch nur begehren konnte. So sprach Drupada eines Tages zu ihm: „Oh Upayaja, wenn du die Opferriten durchführst, die mir einen Sohn verschaffen, welcher Drona besiegt, dann gebe ich dir zehntausend Kühe. Oder was immer du möchtest, ich bin bereit, es dir zu geben, oh Erster der Brahmanen.“ Upayaja antwortete ihm: „Ich kann nicht.“ Doch Drupada akzeptierte dies nicht als endgültige Antwort und diente ihm und verehrte ihn weiter.

Dann, nach Ablauf eines Jahres, sprach Upayaja, dieser Erste der Brahmanen, zu Drupada mit freundlicher Stimme: „Mein älterer Bruder Yaja wanderte eines Tages durch den tiefen Wald und hob eine Frucht vom Boden auf, die heruntergefallen war. Er kümmerte sich nicht um die Reinheit (bzw. Verdorbenheit) der Frucht. Ich war ihm gefolgt und hatte seine unwürdige Tat gesehen. Ja, er unterhält keine Skrupel, unreine Dinge anzunehmen. Als er diese Frucht aufnahm, sah er keinerlei Verdorbenheit einer sündigen Natur. Und wer einmal keine Reinheit erkannte, wird sie wohl auch andernfalls nicht erkennen. Als er im Hause seines Lehrers lebte, um die Bräuche zu studieren, aß er immer ohne Scheu die Reste der Mahlzeiten anderer Leute auf.

... Aus diesem Grund glaube ich, daß sich mein Bruder irdische Errungenschaften wünscht. Geh zu ihm, oh König. Er wird dir seine Dienste angedeihen lassen.“ Obwohl König Drupada nicht allzuviel von Yaja hielt, ging er zu dessen Haus. Er ehrte den Ehrwürdigen und sprach zu ihm: „Oh Meister, gewähre mir einen göttlichen Dienst. Ich gebe dir achtzigtausend Kühe. Die Feindschaft zu Drona verbrennt mein Herz! ... Drona ist vorzüglich gelehrt in den Veden und besitzt die Brahma Waffe. Deswegen besiegte er mich im Kampf, der sich aus (verletzter) Freundschaft erhob. ... Drona besitzt die Macht Brahmaas (Got El der Hebräer) und vereint mit seiner Kshatriya Macht ... Doch (deine) Brahma Kraft ist größer als die Brahma- und Kshatriya Macht (von Drona).

Und da ich ihm unterlegen bin, weil ich nur Kshatriya Kräfte besitze, erflehe ich von dir deine Brahma Kraft und dein Brahma Wissen, welches dich über Drona erhebt. Oh Yaja, führe ein Opfer durch, welches mir einen in der Schlacht unbesiegbaren Sohn gibt, der in der Lage ist, Drona zu vernichten. Ich bin bereit, dir zehn Kotis Kühe zu geben.“ Yaja antwortete: „So sei es.“, ... Und da er wußte, daß die Unternehmung schwer sein würde, bat er seinen Bruder Upayaja, welcher nichts begehrte, um seine Hilfe. Danach versprach Yaja, ein Opfer zur Vernichtung Dronas durchzuführen. Der große Asket Upayaja erklärte König Drupada alles, was für das große Opfer nötig wäre, damit er Kinder erhalten würde. Und er sprach: „Oh König, dir wird ein Kind geboren werden, mit großem Heldenmut ausgestattet, Energie und Stärke, wie du es wünschst.“

Der Brahmane fuhr fort:
Vom Wunsch nach seinem Drona vernichtenden Sohn beseelt und begierig auf Erfolg sorgte König Drupada für die nötigen Vorbereitungen. (Als alles komplett war,) goß Yaja geklärte Butter ins Opferfeuer und gebot Drupadas Königin: „Komm hierher, Königin, oh Schwiegertochter von Prishata. Sohn und Tochter sind für dich angekommen.“ Doch die Königin bat: „Oh Brahmane, mein Mund ist noch mit Safran und anderen aromatischen Dingen gefüllt. Auch haften an meinem Körper noch viele süße Düfte. So ist es für mich nicht schicklich, die geklärte Butter für Kinder in Empfang zu nehmen. Warte nur ein bißchen auf mich, oh Yaja. Warte auf die glückliche Vollendung.“

Doch Yaja erwiderte: „Oh Dame, ob du nun herkommst oder wartest, warum sollte das Ziel dieses Opfers nicht sofort erreicht werden, nachdem die Opfergabe schon von mir vorbereitet und von Upayajas Anrufungen gesegnet wurde?“ Sprach`s und goß die geheiligte Gabe ins Feuer. Da erhob sich aus den Flammen ein himmlischer Knabe. Er glänzte wie das Feuer selbst und konnte kaum angesehen werden. Er hatte eine Krone auf seinem Haupt, sein Körper war in einen vorzüglichen Harnisch gehüllt, er trug das Schwert in der Hand und Bogen und Pfeile. Ab und an brüllte er gewaltig. Sogleich nach seiner Geburt bestieg er einen vorzüglichen Streitwagen und fuhr in ihm herum. Da schrien die Panchalas in großer Freude: „Exzellent! Exzellent!“

... Und dann, ... sprach die Stimme eines unsichtbaren Wesens im Himmel: „Dieser Prinz wurde für die Vernichtung Dronas geboren. ...“ Und dann erhob sich von der Mitte des Opferaltars eine Tochter, auch Panchali genannt. Sie war äußerst schön und mit Glück gesegnet. Ihre Augen waren schwarz und groß wie Lotusblüten, ihre Haut war dunkel und ihre Haare schwarzblau und lockig. Ihre Fingernägel waren fein geschnitten und so glänzend wie Kupfer, ihre Augenbrauen schön geschwungen, ihre Schenkel rundlich und ihr Busen tief und schwellend. Ja, sie glich einer wahren Himmelstochter, die unter Menschen geboren wurde. Ihr Körper verströmte einen Duft wie der blaue Lotus und das ganze zwei Meilen weit. Ihre Schönheit kannte nichts Ebenbürtiges auf Erden. Sie selbst glich so sehr einer Himmlischen, daß ein Himmlischer, Danava oder Yaksha sie freien könnte.

Als dieses Mädchen mit den schönen Hüften geboren war, ertönte die körperlose Stimme erneut: „Dieses dunkelhäutige Mädchen wird die Erste aller Frauen sein. ... Dann übergaben die zufriedenen Brahmanen dem neugeborenen Paar ihre Namen. Sie sagten: „Der Sohn des Königs von Drupada möge Dhrishtadyumna heißen, wegen seiner außergewöhnlichen Kühnheit und weil er wie Dyumna mit natürlicher Rüstung und Waffen zur Welt kam. Und weil das Mädchen so dunkelhäutig ist, soll sie auch Krishnaa (die Dunkle) heißen.“

...
 
Mahabharata 1. Buch
Chaitraratha Parva Parva Kapitel
170-171


Kunti schlägt vor, nach Panchala zu gehen/ Treffen mit Vyasa

Vaisampayana sprach:
Nach dieser Erzählung des Brahmanen schienen die Söhne von Kunti wie von Pfeilen durchbohrt, und die mächtigen Helden verloren ihren Geistesfrieden. Kunti bemerkte sogleich, daß alle ihre Söhne lustlos und unaufmerksam waren, und so wandte sie sich an Yudhishthira.

Kunti sprach:
Wir haben nun für viele Nächte im Hause des Brahmanen gelebt. ... Wenn du es wünschst, würde es uns gut tun, nach Panchala zu gehen. ... Ich denke, daß es nicht gut ist, wenn wir lange an einem Ort leben. Wenn du magst, mein Sohn, dann laß uns gehen.

Yudhishthira antwortete:
Es ist unsere Pflicht, deinen Worten zu folgen, die auch noch unserem Wohl dienen. Doch ich weiß nicht, ob meine jüngeren Brüder auch gehen möchten.

Vaisampayana fuhr fort:
Da sprach Kunti mit Bhimasena, Arjuna und den Zwillingen über die Reise nach Panchala und alle sagten: „So sei es.“ So verabschiedete sich Kunti grüßend vom Brahmanen, und sie machten sich auf die Reise zur schönen Stadt des ruhmreichen Drupada.

Kurz vor ihrer Abreise, als die Pandavas noch unerkannt im Hause des Brahmanen lebten, kam Vyasa, der Sohn von Satyavati, zu Besuch. ... Vyasa sprach:
Einst lebte ein ruhmreicher Rishi mit seiner Tochter im Wald. Die Tochter hatte eine schlanke Taille, schöne Hüften, feine Augenbrauen und besaß alle Tugenden. Doch wegen ihrer (früheren) Taten war die schöne Maid sehr unglücklich. Denn obwohl sie hübsch und keusch war, bekam sie keinen Ehemann. Mit kummervollem Herzen begann sie, asketische Buße zu üben mit dem Ziel, einen Gatten zu erhalten. Schon bald erfreute sie mit ihrer strengen Buße den Gott Shankara (Mahadeva, Shiva).

Dieser Besitzer der sechs göttlichen Attribute war ihr gnädig und sprach zur ruhmreichen Dame: „Bitte um den Segen, den du ersehnst. Sei gesegnet. Ich bin Shankara und bereit, dir zu geben, was du erbittest.“ Um sich Gutes zu tun, sprach das Mädchen wieder und wieder zum Höchsten Gott: „Oh, gib mir einen fähigen Ehemann.“ Da antwortete ihr Ishana, dieser Beste unter allen Rednern: „Oh Gesegnete, du sollst fünf Ehemänner unter den Bharata Prinzen erhalten.“ Doch die Maid sprach zu diesem Segen: „Oh Herr, ich wünsche mir durch deine Gnade nur einen Ehemann!“ Doch der Gott erwiderte mit hervorragenden Worten: „Nun Mädchen, du hast fünfmal gesagt: Gib mir einen Ehemann. Daher sollst du in einem anderen Leben fünf Ehemänner haben.“

Nun, ihr Prinzen der Bharata Linie, diese himmlisch schöne Dame nahm ihre Geburt im Geschlecht des Drupada. Die makellose Draupadi in Prishatas Familie wurde zur Gattin für euch alle berufen. Geht also, ihr Mächtigen, in die Hauptstadt von Panchala und lebt dort. Es gibt keinen Zweifel, daß ihr sie als Gattin erhalten und mit ihr sehr glücklich sein werdet.

Vaisampayana fuhr fort:
Nach diesen Worten verabschiedete sich ihr ruhmreicher und gesegneter Großvater von den Pandavas und ging seiner Wege.
 
Mahabharata 1. Buch
Chaitraratha Parva Parva Kapitel
172 -1


Arjuna kämpft mit dem Gandharva Angaraparna

Nachdem der ruhmreiche Vyasa gegangen war, verabschiedeten sich diese Bullen unter den Männern, die Pandavas, vom Brahmanen und reisten mit freudigen Herzen nach Panchala, wobei ihre Mutter voranschritt. ... Dann gelangten die Söhne Pandus an das Ufer der Ganga. Hier schritt Arjuna, dieser mächtige Wagenkämpfer, voran mit einer Fackel in der Hand, um den anderen den Weg zu weisen und wilde Tiere abzuschrecken. Doch zu dieser Zeit vergnügte sich der stolze König der Gandharvas mit seiner Ehefrau in den erfrischenden und einsamen Wassern der Ganga.

Der Gandharva König hörte die Schritte der näherkommenden Pandavas und wurde ärgerlich. Als er die Pandavas mit ihrer Mutter sah, hob er seinen schrecklichen Bogen hoch und sprach: „Es ist weithin bekannt, daß außer den ersten Momenten das graue Dämmerlicht und die Nacht den Wanderungen der Yakshas, Gandharvas und Rakshasas gehören, die nach Belieben überall erscheinen können. Die restliche Zeit gehört den Menschen, damit sie ihre Arbeit verrichten können. Wenn Menschen aus Habsucht in dieser Zeit näher kommen, töten wir und die Rakshasas diese Narren.

... Bleibt, wo ihr seid. Kommt nicht näher. Wißt ihr nicht, daß ich hier in den Wassern der Baghirati (Ganga) bade. Ich bin der Gandharva Angaraparna, der seiner eigenen Kraft stets vertraut. Ich bin stolz und hochmütig und ein Freund Kuveras (Schatzmeister der Sura-götter). Dies ist mein Wald an den Ufern der Ganga, wo ich mich vergnüge, um meine Sinne zu erfreuen. Er wird nach mir Angaraparna genannt. ...Wie könnt ihr es wagen, mir nahe zu kommen, wo ich das strahlendste Juwel in Kuveras Diadem bin?“

Arjuna antwortete:
Oh du Dummkopf, wer könnte andere vom Ozean, den Hängen des Himalaya und diesem Fluß fernhalten? Oh du Wanderer der Himmel, sei der Magen leer oder voll, sei es Tag oder Nacht - es gibt keine besondere Zeit für irgend jemanden, sich der Ganga, diesem Vorzüglichsten aller Ströme, zu nähern. ... Diese Ganga entspringt den goldenen Gipfeln des Himavat und, in sieben Ströme zerteilt, ergießt sie sich in die Wasser des Ozeans. Wer Wasser aus diesen sieben Strömen trinkt, also aus Ganga, Yamuna, Sarasvati, Vithastha, Sarju, Gomati und Gandaki, wird von allen Sünden gereinigt.

Oh Gandharva, wenn die Ganga durch die himmlischen Regionen fließt, wird sie Alakananda genannt. In den Bereichen der Ahnen wird sie zur Vaitarani, und ist für Sünder nur schwer zu überqueren. Selbst der inselgeborene Vyasa sagte dies. Dieser besondere und göttliche Fluß ist frei von allen Gefahren und fähig, in den Himmel zu führen. Warum versperrst du uns den Weg dahin? Deine Tat ist nicht vereinbar mit ewiger Tugend. Warum sollten wir die gefahrlosen Wasser der geheiligten Bhagirathi nicht berühren, von denen uns niemand abhalten kann? Wir werden deine Worte nicht beachten.

Vaisampayana erzählte:
Da entflammte der Zorn des Gandharva, er spannte seinen Bogen, bis er kreisrund war, und schoß Pfeile auf die Pandavas ab, die giftigen Schlagen glichen. Doch Arjuna, der Sohn des Pandu, wehrte alle Pfeile mit seinem guten Schild und der Fackel in der Hand ab.

Dann sprach Arjuna:
... Die feurige Waffe, die ich auf dich schleudern werde, übergab Vrihaspati, der verehrte Lehrer von Indra, dem Bharadvaja. Bharadvaja gab sie Agnivesha und dieser meinem Lehrer. Und Drona, dieser Beste der Brahmanen, gab sie mir.

Vaisampayana fuhr fort:
Nach diesen Worten entließ Arjuna zornig die lodernde Waffe aus Feuer auf den Gandharva und verbrannte seinen Wagen im Nu. Der mächtige Gandharva wurde von der Macht der Waffe ohnmächtig und fiel mit dem Kopf nach unten vom Wagen. Sogleich ergriff ihn Arjuna beim Schopf, welcher mit Blumengirlanden geschmückt war, und zog dem bewußtlosen Angaraparna zu seinen Brüdern. Doch Kumbhinasi, die Gattin des Gandharva, wollte ihrem Ehemann helfen, rannte zu Yudhishthira und suchte seinen Schutz. Sie sprach:

„Oh du Trefflicher, weite deinen Schutz über mich aus. Oh, laß meinen Gatten frei. ...“ Als Yudhishthira die weinende Frau sah, sprach er zu Arjuna: „Oh du Feindebezwinger, mein Kind, warum solltest du einen Feind töten, den du im Kampf bereits besiegt hast? Der von dir seines Ruhmes beraubt wurde, den seine Ehefrau beschützen muß und der keine Heldenmacht mehr hat?“ Da sprach Arjuna: „Nimm dein Leben zurück, oh Gandharva. Zieh deines Wegs und trauere nicht. Yudhishthira, der König der Kurus, befahl mir, Erbarmen walten zu lassen.“
 
Mahabharata 1. Buch
Chaitraratha Parva Parva Kapitel
172 -2


Die Brahmacharya Art (Zölibat und Studium) ist die höchste Art zu leben

Der Gandharva erwiderte:
... Gesegnet bin ich, da ich dir, Arjuna, dem Träger von himmlischen Waffen, begegnete. Ich möchte dir die Macht der Illusion übertragen, die nur Gandharvas beherrschen. Mein vorzüglicher und farbenfroher Wagen wurde von deiner Feuerwaffe verbrannt. ... Die Macht über die Illusion erwarb ich mir durch asketische Buße. Ich werde sie nun dir, dem edlen Erhalter meines Lebens übertragen. Denn jener verdient jede glückliche Gunst, der nach dem Sieg über einen Feind mittels seiner Macht, dem Bittenden sein Leben zurückgibt.

Die Kunst wird Chakshusi genannt. Sie wurde von Manu auf Soma, von Soma auf Viswavasu und letztendlich von ihm auf mich übertragen. Einst erhielt ich sie von meinem Lehrer, doch nun, da ich keine Energie mehr habe, ist sie nutzlos geworden. Ich habe dir ihren Ursprung und ihre Abfolge erklärt. Höre nun, was sie vermag. Mit ihrer Hilfe kann man sehen, was immer man möchte, und dessen Wesen. Eigentlich kann man diese Kunst nur erlangen, wenn man für sechs Monate auf einem Bein steht. Doch ich werde sie dir verraten, ohne daß du dich strengen Gelübden verschreiben mußt.

Oh König, aufgrund dieses Wissens sind wir den Menschen überlegen. Und weil wir diese göttliche, innere Sicht haben, sind wir den Göttern gleich. Oh Bester der Menschen, weiterhin gebe ich dir und jedem deiner Brüder gerne einhundert Pferde, die im Reich der Gandharvas geboren wurden. Sie haben einen himmlischen Duft und tragen die Götter und Gandharvas mit der Schnelligkeit des Geistes. Sie mögen dir mager erscheinen, doch sie ermüden nie und werden nie langsamer. Vor langer Zeit wurde der Donner für Indra erschaffen, damit er den Asura Vritra damit bezwinge. Als er auf Vritras Kopf geschleudert wurde, zersprang er in tausend Stücke.

Die Himmlischen verehren mit Respekt diese Fragmente des Donners. Was in der Welt als Ruhm bekannt ist, ist ein Teil davon. Die Hand eines Brahmanen, welche die Gaben ins Opferfeuer gießt, der Streitwagen des Kshatriya, die Wohltätigkeit der Vaisyas und die Dienstbarkeit der Shudras für die anderen drei Kasten sind alles Teile dieses Donners. Es wird gesagt, daß diese Pferde einen Teil des Streitwagens und somit des Donners bilden und daher unschlagbar sind. Die Pferde vor dem Streitwagen sind die Nachfahren des Vadava-Feuers. Solche Pferde, die im Land der Gandharvas geboren wurden, können jeden Farbton annehmen, überall hingehen und das so schnell, wie es ihr Eigentümer wünscht. Die Pferde, die ich euch geben möchte, werden immer eure Wünsche erfüllen.

Arjuna sprach: Oh Gandharva, wenn du mir deine Kunst und die Pferde gibst, weil du dich über ein Leben freust, welches du aus meinen Händen in einer bedrohlichen Situation erhieltest, werde ich deine Gaben nicht annehmen.

Der Gandharva entgegnete: Die Begegnung mit einer ruhmreichen Person ist immer eine Quelle von Verdienst. Außerdem hast du mir mein Leben geschenkt. Weil ich mit dir zufrieden bin, möchte ich dir meine Kunst geben. Und damit die Verpflichtung nicht nur auf einer Seite sei, werde ich von dir, oh Arjuna, du Bulle unter den Bharatas, deine hervorragende und ewigwährende Feuerwaffe annehmen.

Arjuna sprach: Ich akzeptiere deine Pferde im Austausch für meine Waffe. Laß unsere Freundschaft für immer währen. Lieber Freund, erklär uns, warum wir Menschen die Gandharvas fürchten müssen. Wir sind Feindebezwinger, tugendhaft und mit den Veden vertraut. Sag uns, oh Gandharva, warum du uns für unsere nächtliche Wanderung getadelt hast.

Der Gandharva antwortete: Ihr seid ohne Ehefrauen und folgt keiner dementsprechenden Lebensart (obwohl ihr den Schülerstand bereits verlassen habt). Und ihr habt keinen Brahmanen, der euch führt. Aus diesem Grund habe ich euch getadelt, ihr Söhne des Pandu. Die Yakshas, Rakshasas, Gandharvas, Pisachas, Nagas und Asuras verfügen über Weisheit und Intelligenz und sind mit der Geschichte des Kuru Geschlechts bestens vertraut. Auch ich habe von Narada und anderen himmlischen Rishis die guten Taten eurer weisen Ahnen vernommen. Und ich habe auf meinen Wanderungen über die weite Erde mit ihrem Gürtel aus Meeren höchstselbst den Heldenmut eurer großen Linie mit angesehen.

Oh Arjuna, ich kenne deinen Lehrer persönlich, den ruhmreichen Sohn des Bharadvaja, der in allen drei Welten für sein Wissen über Veden und Waffen bekannt ist. Oh du Tiger der Kurus und Sohn der Kunti, ich kenne auch Dharma, Vayu, Indra, die Aswin Zwillinge und Pandu, diese sechs Erhalter des Kuru Geschlechts und eure vorzüglichen himmlischen und menschlichen Vorfahren. Ich weiß, daß ihr fünf Brüder gelehrt und hochbeseelt seid, waffenkundig, tapfer, tugendhaft und daß ihr euren Gelübden folgt. Und obwohl ich weiß, daß euer Verständnis und eure Herzen trefflich sind und euer Benehmen tadellos, habe ich euch doch angegriffen.

Denn, ihr Abkömmlinge des Kuru, es schickt sich für keinen Mann mit Kraft in den Armen, eine üble Behandlung vor den Augen seiner Gattin mit Geduld zu ertragen. Besonders, da sich unsere Macht mit der Dunkelheit vergrößert, packte mich vor meiner Frau der Zorn. Und doch wurde ich von dir, dem Besten der Gelübde einhaltenden Männer, in der Schlacht besiegt. Höre den Grund, der zu meiner Niederlage führte. Die Brahmacharya Art (Keuschheit und Studium) ist die höchste Art zu leben, und ihr folgt ihr gerade. Deswegen, oh Arjuna, wurde ich von dir in der Schlacht besiegt.

Wenn sonst ein von Begierde getriebener Kshatriya mit uns des nächtens kämpft, kommt er niemals mit dem Leben davon. Doch, oh Arjuna, ein seiner Bestimmung folgender Kshatriya, der mit Brahma gesegnet ist und bei der Sorge um seinen Staat auf die geistige Führung vertraut, kann alle Wanderer der Nacht besiegen. Oh Kind der Tapati, die Menschen sollten daher immer gelehrte und selbstbeherrschte Priester für alles Gute beschäftigen, was sie begehren. Und der Brahmane ist würdig, eines Königs Priester zu sein,
der in den Veden und allen ihren sechs Zweigen Vervollkommnung erlangt hat,
der rein und wahrhaft ist,
der eine tugendhafte Seele und Selbstkontrolle besitzt
.

Solch ein Monarch wird immer siegreich sein und sich letztendlich den Himmel gewinnen, der einen reinen und angenehmen Brahmanen zum Priester hat, der mit den Geboten der Tugend vertraut und ein Meister des Wortes ist. Ein König sollte immer einen fähigen Priester wählen, mit dem er Neues gewinnt und Altes beschützt. Wem sein eigenes Wohl am Herzen liegt, sollte sich immer von einem Priester führen lassen, denn dann kann er sich die ganze Erde mitsamt den Weltmeeren gewinnen. Oh Sohn von Tapati, ein König ohne einen Brahmanen kann durch seine Tapferkeit oder seine edle Geburt allein niemals irgendein Reich erobern. Wisse also, du Halter der Kuru Linie, daß das Königreich für immer währt, in dem die Brahmanen Macht haben.
 
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Tapati, Tochter des Sonnengottes, begegnet König Samvarana

Arjuna sprach: Du hast mich als Nachfahre der Tapati angesprochen. Ich möchte den Grund dafür wissen. Oh tugendhafter Gandharva, wir sind Söhne der Kunti, doch wer ist Tapati?

Da begann der Gandharva folgende, in den drei Welten geheiligte Geschichte zu erzählen: ... Dieser eine im Himmel, der mit seinem Licht das ganze Firmament erfüllt, hatte eine strahlende Tochter namens Tapati. Diese Tochter des Sonnengottes Surya war die jüngere Schwester von Savitri. Sie wurde in allen drei Welten geehrt und gab sich asketischer Buße hin. Keine Frau unter den Sura-Göttern, Asuras, Yakshas, Rakshasas, Apsaras und Gandharvas war ihr an Schönheit ebenbürtig. Sie hatte vollkommen symmetrische und makellose Glieder und Gesichtszüge, große, schwarze Augen und schöne Kleider. Das Mädchen war keusch und benahm sich äußerst angenehm. Ihr Vater, der Sonnengott Surya meinte, daß niemand in den drei Welten sie als Ehefrau verdiente, wegen ihrer Schönheit, ihren Fähigkeiten, dem guten Betragen und ihrer Gelehrtheit.

Als sie nun ins heiratsfähige Alter kam und würdig war, einem Ehemann übergeben zu werden, da verlor ihr Vater allen Frieden seines Geistes, denn er dachte ständig darüber nach, welchen Gatten er wählen sollte. Zu dieser Zeit ehrte König Samvarana, der Sohn Rikshas, den strahlenden Sonnengott mit Arghya, Blumengirlanden und Düften, mit Gelübden, Fasten und asketischer Enthaltsamkeit verschiedenster Art, und mit aller Hingabe, Demut und Frömmigkeit. Überzeugt, daß Samvarana mit allen Regeln der Tugend vertraut war und jeden auf Erden an Schönheit übertraf, kam der Sonnengott zu dem Entschluß, daß er ein guter Ehemann für seine Tochter wäre und wollte sie diesem Besten aller Könige mit dem weltweitem Ruhm übergeben.

Wie der Sonnengott selbst das Firmament mit seinem Glanz erleuchtete, so erfüllte König Samvarana die Erde mit dem Glanz seiner guten Errungenschaften. Und wie die um Brahma Wissenden die Sonne in all ihrem Glanz verehren, so verehrten alle weltlichen Menschen König Samvarana. Mit Glück gesegnet übertraf Samvarana sogar den Mond Soma in der Beruhigung der Herzen seiner Freunde, und die Sonne im Verbrennen der Herzen seiner Feinde. So beschloß der Sonnengott, der auch Tapana genannt wird, ganz allein, seine Tochter Tapati diesem tugendhaften und fähigen König Samvarana zu übergeben.

Eines Tages begab sich der schöne und mächtige König Samvarana auf die Jagd in die Bergwälder. Als er nun auf langem Wege die Hirsche durch die Berge verfolgte, starb sein hervorragendes Pferd an Hunger, Durst und Erschöpfung. So ließ der König sein Pferd zurück und wanderte zu Fuß über den Kamm des Berges weiter. Nach einer Weile erblickte er eine unvergleichlich schöne Maid mit großen Augen. Und er, der ohne Begleiter unterwegs war, konnte nicht anders, als dieses einsame Mädchen bewegungslos anzustarren. Für eine Weile glaubte er, die Göttin Shri selbst vor sich zu sehen, so schön war die Maid. Dann meinte er, sie wäre die Verkörperung der Sonnenstrahlen. Ihr Körper glühte wie eine feurige Flamme, doch in ihrer Güte und Lieblichkeit glich sie eher der makellosen Erscheinung des Mondes.

Die dunkeläugige Maid stand auf dem Kamm des Berges wie eine Statue aus Gold, und schien mit ihrer Schönheit und kostbaren Kleidung den ganzen Berg mit allen Pflanzen und Felsen in einen goldenen Glanz zu tauchen. Der Anblick dieser Wunderbaren erfüllte den Monarchen mit Geringschätzung für alle Frauen, die er je zuvor erblickt hatte. Und er erachtete seine Augen als gesegnet, denn nichts vergleichbar Schönes hatten sie seit seiner Geburt je erblickt. Herz und Augen des Königs waren Gefangene der Dame, und wie mit Seilen gefesselt stand er verwurzelt und bar aller Vernunft an diesem Ort. Er dachte: „Der Schöpfer muß diese große Schönheit geschaffen haben, indem er die Essenz aus der ganzen Welt mit allen Sura-Göttern, Asuras, und Menschen extrahiert (gebuttert) hat.“ So jagten ihm die Gedanken durch den Kopf, während er das Mädchen für ihren Reichtum an Schönheit für unerreichbar in allen drei Welten hielt.

Und so trafen den Monarchen mit der reinen Herkunft die Pfeile des Liebesgottes, und er verlor den Frieden seines Geistes. In der starken Flamme des Begehrens brennend wandte sich der König an die bezaubernde Maid, die zwar erwachsen, doch völlig unschuldig war.
Samvarana sprach: Oh du mit den lieblichen Schenkeln, wer bist du und wessen Tochter? Wie kamst du hierher? Oh du mit dem süßen Lächeln, warum wanderst du allein durch die einsamen Wälder? Mit vollkommener Makellosigkeit und allen Ornamenten geschmückt, scheinst du mir das begehrteste Juwel von allen zu sein. Du bist wohl weder eine , Sura-, Asura-Göttin, Yaksha, Rakshasa, Naga noch Gandharva und auch nicht menschlichen Ursprungs? Oh treffliche Dame, die schönste Frau die ich je erblickte, oder von der ich je hörte, kann sich nicht mit dir in Schönheit messen. Oh höchst Entzückende, beim Anblick deines Gesichts, das lieblicher als der Mond ist und Augen hat, die Lotusblüten gleichen, erdrückt mich der Gott der Liebe!

Und der Gandharva erzählte weiter: Doch die Dame sprach kein Wort zum Monarchen, der vor Leidenschaft brannte und sie wieder und wieder bedrängte. Statt dessen verschwand die großäugige Maid so schnell wie der Blitz vor den sehnenden Augen des Monarchen. Da irrte der König durch den ganzen Wald wie einer, der seinen Verstand verloren hat, auf der Suche nach dem Mädchen mit den Lotusaugen. Als er sie nirgends fand, versank er in mitleiderregendes Wehklagen und stand lange Zeit starr vor Kummer.
 
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