Depression ist in der Tat ein sehr interessantes Thema und wenn man das von allen Seiten betrachtet, dann fällt auf, wie komplex es ist.
Es gibt etliche Arten von Depressionen und noch mehr Einschätzungen der Menschen dazu.
Dass es nur das Serotonin (in den meisten Fällen) nicht ist, weiß man seit sehr langer Zeit, also wirkt kein entsprechendes Medikament, aber was tun, wenn ein Mensch nun depressiv (?) ist oder zumindest davon überzeugt ist?
Die meisten Menschen kennen die genaue Wirkung der gängigen Antidepressiva nicht, denken, das wirke sofort und mache mitunter "glücklich" - das ist definitiv nicht der Fall.
Meiner Erfahrung nach sind die meisten (wirklich gut über das Medikament aufgeklärte) Menschen ziemlich enttäuscht, wenn sie Antidepressiva bekommen, weil der Effekt längst nicht so ausgeprägt ist wie bei vielen anderen Medikamenten (Schmerzitteln, Antibiotika, Cortison, Benzos - das kennen die meisten).
Und das wissen die Behandelnden - nicht erst seit Kirsch - und wägen sehr genau ab, was sie wem geben.
Zudem ist vielen Menschen nicht bekannt, dass Depressionen einfach auch "modern" (leider) sind und "stets glücklich" kein Normalzustand ist - ein großes kulturelles und zeitspezifisches Problem.
Ein paar weitere Argumente sind hier gut erklärt:
Dagegen verwies Professor Hans-Jürgen Möller aus München auf eine deutsche Praxisstudie mit Escitalopram, in deren Verlauf 70 Prozent der Patienten auf die Therapie ansprachen und 57 Prozent in Remission gelangten.
Die Mehrheit der Patienten hatte zu Beginn eine schwere Depression. Dies zeige, so Möller, dass Antidepressiva durchaus unter Alltagsbedingungen eine gute Wirkung entfalten.
Der Psychiater kritisierte auch das Konzept der Metaanalyse: Wenn alle möglichen unterschiedlichen Studien in einen Topf geworfen werden, dann erhält man vor allem viel Rauschen und sieht relevante Unterschiede oft nicht mehr."
Für den Psychiater sind die positiven Effekte in den Placebogruppen auch nicht nur durch die Erwartungshaltung der Patienten zu verstehen, sondern auch durch Ko-Therapien mit Anxiolytika, Hypnotika und begleitenden Psychotherapien, die ebenfalls zur Reduktion der Symptome und damit der Placebo-Verum-Differenz beitragen.
https://www.aerztezeitung.de/medizi...erview-kontroverse-nutzen-antidepressiva.html
Bei sehr schweren Formen (Menschen, die nicht mehr aufstehen können usw.) bleibt keine andere Wahl, aber bei leichten und mittelschweren Formen sind alle Ärzte schon immer sehr zurückhaltend mit der Verschreibung gewesen.
Letztendlich gibt es so interessante Erkenntnisse aus der Hirnforschung und der Verhaltenstherapie (Veränderung von Kognitionen), die wahrscheinlich vieles überflüssig machen, aber dazu müssen die Menschen auch bereit sein.
Vorzuwerfen ist Kirsch eigentlich nur, etwas rigoros auszuschlachten, was lange bekannt ist.