Lieber Shimon,
es tut mir leid, aber ich kann in dem besagten Beitrag nichts Antisemitisches erkennen. Er hat auch nicht geschrieben, dass die Juden Jesus ermordet hätten. Der Grund für die Verhaftung Jesus durch den Sanhedrin lag doch in seinem Verhalten im Tempel und der Ankündigung, er wolle den Tempel einreisen. Erstens störte er hier die Tempelruhe und zweitens war die Ankündigung der Zerstörung ein absolutes Sakrileg und kam einer Gotteslästerung gleich. Ich erinnere dazu, dass es da nicht um ein beliebiges Gebäude ging, sondern um den Ort, an dem Gott gegenwärtig war.
Auf Gotteslästerung stand nach dem jüdischen Gesetz die Steinigung. Es war nun so, dass im Jahr 6 n. Chr. der Tetrarch Herodes Antipas durch die Römer wegen Grausamkeit abgesetzt wurde und Judäa, Samaria und Idumäa unter römische Verwaltung gestellt wurde. Dazu wurde in der Folgezeit Pontius Pilatus als Statthalter Roms eingesetzt. Nach römischem Recht durfte deshalb von den Juden kein König ausgerufen werden. So durfte auch vom Sanhedrin keine Todesstrafe mehr vollzogen werden, weil über Leben und Tod nur der Landesherr entscheiden durfte. Das war also in jener Zeit Kaiser Tiberius, der in Judäa durch den Statthalter vertreten wurde.
Aus all den Gründen musste die Anklage wegen Gotteslästerung und Aufruhr dem Statthalter übergeben werden. Pontius Pilatus verstand aber in Sachen Aufruhr Spaß, denn darauf stand im Imperium Romanum für Nichtrömer die Todesstrafe durch Steinigung. Brisant war das auch deshalb, weil Jerusalem mit Pilgern aus dem ganzen Land vollgestopft war. Deshalb war er mit seinen Legionären zu Passah auch aus seinem Amtssitz von Cäsarea Maritima nach Jerusalem gekommen, um Präsenz zu zeigen und jederzeit eingreifen zu können.
Dass Pilatus in Sachen Aufruhr nicht zimperlich war und kurzen Prozess machte, kann man an ein paar anderen Beispielen sehen. Zum Aufruhr passte dann für ihn auch, die Botschaft Jesus vom Reich Gottes, das er errichten wolle. Ich erinnere nochmals an das Verbot zur Ausrufung eines Königs. Weder der Sanhedrin noch Pilatus waren an einem Aufruhr in der Stadt interessiert, denn damit stand auch für die Juden ihre bescheidene Selbstständigkeit auf dem Spiel. Etwas, das man in den späteren Geschehnissen mit der Auslöschung Judäas und der Zerstreuung der Juden in die Diaspora nachvollziehen kann.
Niemand hatte also Jesus ermordet, denn diese Entwicklung hat er selbst für seine Ziele in Kauf genommen. Jesus hatte ganz klar gegen jüdisches und auch römisches Recht verstoßen. Ich erinnere dazu, dass dieses Ende seinem Verständnis vom Himmelreich und dem Knecht Gottes von Jesaja entsprach.
Wenn man den Evangelien folgt, war er schon in Cäsarea Philippi mit dem festen Vorsatz aufgebrochen, am Passahfest in Jerusalem die Prophezeiungen vom Knecht Gottes zu erfüllen. Als gläubiger Jude mussten ihm die Konsequenzen zum Auftritt im Tempel und der Ankündigung dessen Zerstörung bewusst gewesen sein. Unter diesem Aspekt bin ich mir auch sicher, dass ihn nichts aufgehalten hätte, sich diesen Weg sich zu erzwingen.
Merlin