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Im Zentrum des christlichen Glaubens steht das Bekenntnis zu dem gekreuzigten Juden Jesus von Nazareth. Bereits die Petruspredigten der Apostelgeschichte machen das Volk Israel insgesamt für Jesu Tod verantwortlich.
In der Kirchengeschichte wurde die Botschaft von der Schuld der Juden am Tode Jesus zur kollektiven Verdammung des Judentums. Der Vorwurf "Die Juden haben Jesus getötet" löste in der europäischen Geschichte oft unmittelbar Pogrome (gewaltsame Massenausschreitungen) an Juden aus. Denn Jesus war für Christen als Sohn Gottes das gottgleiche Wesen Gottes unter den Menschen. Wer ihn tötete, tötete Gott selbst. Daraufhin machten die Christen die "Christusmörder" auch sonst für alle erdenklichen Verbrechen verantwortlich. Sie bestimmten ihr "Wesen" als teuflisch und unterstellten ihnen permanente Mordabsichten.
Die traditionelle christliche Bibelauslegung versucht den Juden die Schuld am Tode Jesus zu geben. Sie behauptet:
1. Jesus Gebotsübertretungen hätten die Tora außer Kraft gesetzt. Deshalb hätten damalige jüdische Autoritäten ihn beseitigen lassen.
2. Seine Messiaswürde sei mit dem jüdischen Messiasglauben unvereinbar und habe seine Verurteilung zwangsläufig provoziert.
Dieses Bild hält weder einer genauen Prüfung der Evangelien noch dem sonstigen Wissen vom damaligen Judentum in Palästina stand. Die Auslegung des Neuen Testaments in der christlichen Theologie sieht Jesu Nähe und Distanz zu verschiedenen damaligen jüdischen Gruppen und die Gründe für seine Hinrichtung heute daher viel differenzierter. Sie unterscheidet damalige innerjüdische Konflikte von den wahrscheinlichen Ursachen des römischen Todesurteils. Unabhängig davon steht für die Kirchen jedoch seit 1965 einhellig fest, dass eine Mitschuld damaliger Teilgruppen des Judentums am Tod Jesu heutigen Antijudaismus unter keinen Umständen rechtfertigt.
Zwei Hauptpositionen haben sich seit 1945 herauskristallisiert. Da ist zum einen die nicht-christliche (jüdische) Einschätzung und daneben natürlich die Position, die von der christlichen Kirche vertreten wird. In diesem Beitrag soll die nicht-christliche Ansicht dargestelt werden. Im nächsten Beitrag dagegen die Ansicht aus christlicher Sicht dargestellt werden.
Sehen wir uns zu nächst einmal die nicht-christliche (jüdische) Darstellung an:
1. Römer, nicht Juden, tragen die Hauptverantwortung für Jesu Kreuzigung. Politische, nicht religiöse Motive hätten sie dazu bewegt. Die Beteiligung des jüdischen Hohen Rats (Sanhedrin) sei seiner damaligen Zwangslage geschuldet, er habe nur eine Helferrolle ohne eigenen Handlungsspielraum gehabt.
2. der jüdische Historiker Paul Winter sieht bereits Jesu Festnahme von Römern, nicht vom jüdischen Hohen Rat veranlasst und bestreitet, dass es einen Religionsprozess mit Todesurteil gegen Jesus gab.
3. Haim Cohn, Richter am Obersten Gerichtshof des Staates Israel, bestreitet, dass ein Straftatbestand des antiken jüdischen Religionsgesetzes auf Jesus anwendbar war und hält es daher sogar für wahrscheinlich, dass der jüdische Hohe Rat (Sanhedrin) Jesus damals vor den Römern zu retten versuchte. Dies hätten die Evangelisten umgedeutet, um sich vor römischer Verfolgung zu schützen und die Heidenmission zu erleichtern.
4. Pinchas Lapide sieht das Todesurteil des Sanhedrin als nachträgliche christliche Erfindung, da das Messiasbekenntnis Jesu vor Kaiphas keine "Gotteslästerung" gewesen sein könne.
5. Nach dem deutschen Juristen Weddig Fricke dagegen hätte der Hohe Rat durchaus ein Todesurteil fällen können; dass er es nicht tat, beweist für ihn, dass allein Pilatus Jesu Hinrichtung veranlasst habe, die er als politischen Mord einstuft.
Zum Schluß ein kleiner geschichtlicher Rückblick, der die Rolle des Hohepriesters Kaiphas etwas verdeutlichen soll:
Kaiphas wurde im Jahr 18 n. Chr. durch den römischen Präfekten Valerius Gratus in das Amt des jüdischen Hohepristers berufen. Das Amt des Hohenpriesters wurde nach jüdischem Brauch jährlich neu durch den jüdischen Sanhedrin ("Hoher Rat") an ein Mitglied der Priesteraristokratie der Sadduzäer vergeben. Der jüdische Hohe Rat bestand zu jener Zeit ausschließlich aus Sadduzäern, die von den Römern eingesetzt wurden.
Insofern gilt die außergewöhnlich lange Amtszeit des Kaiphas von 19 Jahren als Folge seiner geschickten Amtsführung nach außen und innen. Da auch die jüdisch-religiösen Ämter in dieser Zeit wesentlich von dem Wohlwollen der römischen Besatzungsmacht in Palästina abhingen, wird Kaiphas in erheblichem Maße auf römische Belange Rücksicht genommen haben.
Der jüdische Hohe Rat und namentlich der amtierende Hohepriester Kaiphas soll federführend an der Auslieferung Jesu an die Römer, die seine Kreuzigung betrieben haben sollen, beteiligt gewesen sein. Die jüdische Führung besaß zur Zeit Jesu aber nicht das Recht auf Kapitalgerichtsbarkeit. Das heißt, sie durften keine Todesurteile fällen.
Nach Matthäus (26,59-68) soll Kaiphas Jesus aber wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt haben. Formaljuristisch widerspricht das in den Evangelien geschilderte Verfahren gegen Jesus damit aber zeitgenössisch-jüdischen Rechtsgrundsätzen. Dennoch hat die Darstellung des Kaiphas bei Matthäus und Johannes in der Geschichte des Christentums zu erheblichen antijüdischen Tendenzen geführt. Die Frage nach der Schuld am Tod Jesu wurde so häufig Anlass zu generell judenfeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen. Dabei wurde häufig nicht ausreichend zur Kenntnis genommen, dass die Sichtweisen der Evangelien nicht unbedingt historisch gesicherten Tatsachen entsprechen, sondern vielmehr einer Absicht, die religiöse Gestalt und Botschaft Jesu zu vermitteln.
Antijudaismus im Neuen Testament
Kaiphas
Sadduzäer
In der Kirchengeschichte wurde die Botschaft von der Schuld der Juden am Tode Jesus zur kollektiven Verdammung des Judentums. Der Vorwurf "Die Juden haben Jesus getötet" löste in der europäischen Geschichte oft unmittelbar Pogrome (gewaltsame Massenausschreitungen) an Juden aus. Denn Jesus war für Christen als Sohn Gottes das gottgleiche Wesen Gottes unter den Menschen. Wer ihn tötete, tötete Gott selbst. Daraufhin machten die Christen die "Christusmörder" auch sonst für alle erdenklichen Verbrechen verantwortlich. Sie bestimmten ihr "Wesen" als teuflisch und unterstellten ihnen permanente Mordabsichten.
Die traditionelle christliche Bibelauslegung versucht den Juden die Schuld am Tode Jesus zu geben. Sie behauptet:
1. Jesus Gebotsübertretungen hätten die Tora außer Kraft gesetzt. Deshalb hätten damalige jüdische Autoritäten ihn beseitigen lassen.
2. Seine Messiaswürde sei mit dem jüdischen Messiasglauben unvereinbar und habe seine Verurteilung zwangsläufig provoziert.
Dieses Bild hält weder einer genauen Prüfung der Evangelien noch dem sonstigen Wissen vom damaligen Judentum in Palästina stand. Die Auslegung des Neuen Testaments in der christlichen Theologie sieht Jesu Nähe und Distanz zu verschiedenen damaligen jüdischen Gruppen und die Gründe für seine Hinrichtung heute daher viel differenzierter. Sie unterscheidet damalige innerjüdische Konflikte von den wahrscheinlichen Ursachen des römischen Todesurteils. Unabhängig davon steht für die Kirchen jedoch seit 1965 einhellig fest, dass eine Mitschuld damaliger Teilgruppen des Judentums am Tod Jesu heutigen Antijudaismus unter keinen Umständen rechtfertigt.
Zwei Hauptpositionen haben sich seit 1945 herauskristallisiert. Da ist zum einen die nicht-christliche (jüdische) Einschätzung und daneben natürlich die Position, die von der christlichen Kirche vertreten wird. In diesem Beitrag soll die nicht-christliche Ansicht dargestelt werden. Im nächsten Beitrag dagegen die Ansicht aus christlicher Sicht dargestellt werden.
Sehen wir uns zu nächst einmal die nicht-christliche (jüdische) Darstellung an:
1. Römer, nicht Juden, tragen die Hauptverantwortung für Jesu Kreuzigung. Politische, nicht religiöse Motive hätten sie dazu bewegt. Die Beteiligung des jüdischen Hohen Rats (Sanhedrin) sei seiner damaligen Zwangslage geschuldet, er habe nur eine Helferrolle ohne eigenen Handlungsspielraum gehabt.
2. der jüdische Historiker Paul Winter sieht bereits Jesu Festnahme von Römern, nicht vom jüdischen Hohen Rat veranlasst und bestreitet, dass es einen Religionsprozess mit Todesurteil gegen Jesus gab.
3. Haim Cohn, Richter am Obersten Gerichtshof des Staates Israel, bestreitet, dass ein Straftatbestand des antiken jüdischen Religionsgesetzes auf Jesus anwendbar war und hält es daher sogar für wahrscheinlich, dass der jüdische Hohe Rat (Sanhedrin) Jesus damals vor den Römern zu retten versuchte. Dies hätten die Evangelisten umgedeutet, um sich vor römischer Verfolgung zu schützen und die Heidenmission zu erleichtern.
4. Pinchas Lapide sieht das Todesurteil des Sanhedrin als nachträgliche christliche Erfindung, da das Messiasbekenntnis Jesu vor Kaiphas keine "Gotteslästerung" gewesen sein könne.
5. Nach dem deutschen Juristen Weddig Fricke dagegen hätte der Hohe Rat durchaus ein Todesurteil fällen können; dass er es nicht tat, beweist für ihn, dass allein Pilatus Jesu Hinrichtung veranlasst habe, die er als politischen Mord einstuft.
Zum Schluß ein kleiner geschichtlicher Rückblick, der die Rolle des Hohepriesters Kaiphas etwas verdeutlichen soll:
Kaiphas wurde im Jahr 18 n. Chr. durch den römischen Präfekten Valerius Gratus in das Amt des jüdischen Hohepristers berufen. Das Amt des Hohenpriesters wurde nach jüdischem Brauch jährlich neu durch den jüdischen Sanhedrin ("Hoher Rat") an ein Mitglied der Priesteraristokratie der Sadduzäer vergeben. Der jüdische Hohe Rat bestand zu jener Zeit ausschließlich aus Sadduzäern, die von den Römern eingesetzt wurden.
Insofern gilt die außergewöhnlich lange Amtszeit des Kaiphas von 19 Jahren als Folge seiner geschickten Amtsführung nach außen und innen. Da auch die jüdisch-religiösen Ämter in dieser Zeit wesentlich von dem Wohlwollen der römischen Besatzungsmacht in Palästina abhingen, wird Kaiphas in erheblichem Maße auf römische Belange Rücksicht genommen haben.
Der jüdische Hohe Rat und namentlich der amtierende Hohepriester Kaiphas soll federführend an der Auslieferung Jesu an die Römer, die seine Kreuzigung betrieben haben sollen, beteiligt gewesen sein. Die jüdische Führung besaß zur Zeit Jesu aber nicht das Recht auf Kapitalgerichtsbarkeit. Das heißt, sie durften keine Todesurteile fällen.
Nach Matthäus (26,59-68) soll Kaiphas Jesus aber wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt haben. Formaljuristisch widerspricht das in den Evangelien geschilderte Verfahren gegen Jesus damit aber zeitgenössisch-jüdischen Rechtsgrundsätzen. Dennoch hat die Darstellung des Kaiphas bei Matthäus und Johannes in der Geschichte des Christentums zu erheblichen antijüdischen Tendenzen geführt. Die Frage nach der Schuld am Tod Jesu wurde so häufig Anlass zu generell judenfeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen. Dabei wurde häufig nicht ausreichend zur Kenntnis genommen, dass die Sichtweisen der Evangelien nicht unbedingt historisch gesicherten Tatsachen entsprechen, sondern vielmehr einer Absicht, die religiöse Gestalt und Botschaft Jesu zu vermitteln.
Antijudaismus im Neuen Testament
Kaiphas
Sadduzäer