Ich möchte ein paar Dinge ergänzen, die mir bei der Entscheidung für oder gegen eine Aufstellung wichtig erscheinen und auch bei der Wahl der richtigen Begleitung. Dazu nehme ich Dein Posting, King, als roten Faden das wird also keine direkte Antwort auf Dich, sondern ich bin Dir dankbar für die Struktur, die's im Konkreten verankert, und die ich sozusagen benutze ...
Rein rechtlich dürfen in Österreich nur Psychotherapeuten und Lebensberater eine Familienaufstellung mit Personen machen. Esoteriker/Energetiker dürfen das nicht. In Deutschland ist das meines Wissens etwas relaxter oder wird zumindest so gehandhabt.
Da kenne ich auch in Österreich eine andere Wirklichkeit. Aufstellungs- als psychotherapeutische Arbeit ist freilich an entsprechende Ausbildung und rechtliche Rahmenbedingungen gebunden ... aber es gibt neben der psychotherapeutischen Arbeit auch ein weites Feld, in dem Aufstellungen in unterschiedlichsten Kontexten angeboten werden. Das reicht vom Coaching bis zur Selbsterfahrung, vom "Lehrtraining" bis zum Skihüttenexperiment. Wie es ja auch andere Formen von Gruppenarbeit gibt, die auf sehr unterschiedlichem Niveau praktiziert werden und durchaus Risken für Menschen mit sich bringen, die entsprechende Affinitäten aufweisen.
Ob die Familienaufstellung etwas für dich bringt, kannst nur Du entscheiden. Es gibt auch bei der Aufstellung mit Personen einige Varianten der Aufstellung. Die klassische Familienaufstellung dient primär dazu, Problempunkte im Familiensystem zu erkennen und ggf. zu beheben. Die Veränderung ist hierbei nur bei dir, und über deine eigene Veränderung veränderst Du in der Rückwirkung das Familiensystem.
Es gibt vor allem auch inzwischen eine große Bandbreite an Aufstellungsformaten neben der Famlienaufstellung etwa Systemische Strukturaufstellungen, die Aufstellungsarbeit mit Traumatisierten nach Ruppert, die autopoietischen Aufstellungen nach S. Essen ... es ginge also nicht nur darum, sich um "geeignete" AufstellungsbegleiterInnen umzusehen, sondern sich auch anzusehen, welches Verfahren dem eigenen Anliegen am ehesten entsprechen könnte. Und ob es eher Aufstellung oder etwas Anderes sein sollte. In meinem Umfeld kenne ich keineN AnbieterIn von Aufstellungen, die ohne (mindestens) ein individuelles Vorgespräch und ohne Angebot einer qualifizierten Nacharbeit eineN InteressentIn aufstellen lassen würden ... das ist immer eingebettet in einen weiteren Begleitungskontext. Ich weiß aber, dass es schon auch andere gibt, bei denen man sich seine Aufstellung einfach abholen kann.
Es kann nicht oft genug gesagt werden: Am besten ist es, sich erst einmal verschiedene AufstellerInnen anzusehen, mit ihnen zu sprechen, als RepräsentantIn an ihren Veranstaltungen teilzunehmen ... es gibt wohl kaum einen Arbeitsbereich im psychosozialen Kontext, der transparenter wäre. Man/frau kann sich das anschauen, vergleichen, entscheiden, wem man sich anvertrauen möchte ... und dann auch den eigenen Teil an der Verantwortung für den Prozess übernehmen, der durch eine Aufstellung initiiert wird.
Zu den Wirkmechanismen von Aufstellungen - auch von Familienaufstellungen - habe ich andere Ansichten und Erfahrungen. Der Fokus liegt nicht auf Problempunkten im Familiensystem, sondern zunächst einmal auf dem Anliegen des Menschen, der aufstellt. Wenn sich das dann in Richtung von Familienaufstellung entwickelt, entsteht im Raum aktuell (1) ein Beziehungsgefüge, das die systemischen Kontexte des Aufstellenden in einem Feld von Wechselbeziehungen darstellt mit der Chance, dieses Gefüge aktuell so zu verändern und anders zu arrangieren, dass die Wirkungen der Veränderung bewusst wahrgenommen werden. Man arbeitet sozusagen mit einem ganzheitlichen Modell und macht eine ganzheitliche Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn die Dinge in Bewegung geraten. Wenn aus einer Unordnung durch Umordnung neue Ordnungen entstehen können. Das hat nichts mit kausalen Begründungsmodellen zu tun ("Weil der Großvater damals ..."), sondern mit neuen Sichtweisen auf und mit neuem Einfügen in komplexe Wechselwirkungen. Selbstverständlich kann immer, wenn in einem System an einem Zipfel etwas in Bewegung gerät, das gesamte System sich verändern. Muss aber nicht. Es geht unter anderem darum, den Aufstellenden aus destruktiv erlebten systemischen Mustern zu lösen und ihn in die Mitte seines eigenen Systems zu stellen. Ihn einzuladen, die Rolle als Opfer eines Systems schrittweise aufzugeben und ihn die Erfahrung machen zu lassen, wie es sich anfühlt, als Aktiver im eigenen System mitzuwirken.
Auch als Darsteller ist sie recht informativ, weil man normalerweise intuitiv für jene Rollen ausgewählt wird, die auch den eigenen Rollen im tatsächlichen Leben entsprechen. Das kann man dann natürlich in Einzelsitzungen hinterfragen, wenn einem Elemente dieser Rolle möglicherweise nicht behagen.
Es gibt im Leben eines jeden Menschen eine Fülle der unterschiedlichsten Potenziale, die in solchen Rollen aktiviert werden können. Ich bin selbst schon als Vergewaltiger, Mörder in Rollen gewählt worden, als liebender Vater, unterstützender Bruder ... manches davon bin ich, manches nicht. Sucht's Euch aus ;-) ... Es ist dann im Einzelfall freilich interessant, was einen über die konkrete Aufstellung und über's Entrollen hinaus noch bewegt und was man wieder abstreift. Dieses "Dienen" als RepräsentantIn ist ja auch nicht ohne und kann eine Fülle an wertvollen eigenen Bewegungen begleiten, ohne ein eigenes Anliegen explizit aufstellen zu müssen. Viele Anliegen werden so auch indirekt bearbeitet. Und auch da hab ich's im übrigen schon erlebt, dass jemand aus einer scheinbaren Nebenrolle heraus auf einmal in eine sehr tief greifende Dynamik geraten ist. Da ist es beruhigend, wenn die Aufstellungsleitung damit angemessen umgehen kann.
Ob es hilft ... na ja, wenn es grössere Familienthemen oder unauffindbare Themen gibt, dann ja. Und sei es eben nur, dass man danach das Thema kennt.
Was "kennt" man denn? Man hat - wenn es gut gegangen ist, eine neue Sichtweise gewonnen, die dabei unterstützt, Lösungswege zu gehen. Ein neues Konstrukt. Ein anderes Narrativ. Es geht darum, aus erstarrten Mustern in ein Feld von vermehrten Handlungsoptionen zu gelangen. Wenn einem dabei irgendein "Thema" hilft, ist's gut. Wichtig ist aber der Zugewinn an Beweglichkeit, nicht das Thema. Thematische Fixierungen können leicht auch wieder zu neuen Erstarrungen führen.
Bei eher "normalen" Themen würde ich persönlich Gruppen- oder Einzelselbsterfahrung gezielt einsetzen. Wenn Du dir nicht sicher bist, dann solltest Du dich bei einem Therapeuten oder Lebensberater (Österreich) einmal beraten lassen. Achtung: Lebensberater in Deutschland sind meistens Astrologen, und haben mit österreichischer Lebensberatung auf psychologischer Basis nichts zu tun!
Für die Aufstellung muss man als Darsteller etwa 30-50 rechnen, Aufstellungen gibt's ab etwa 150, wobei seriös etwa 200-400 zu veranschlagen sind.
Der Preis richtet sich natürlich auch danach, ob das eben nur die Aufstellung ist, oder ob auch eine vernünftige Vor- und Nachbetreuung erfolgt.
Davon akzeptiere ich vor allem den Tipp, sich gut beraten zu lassen ... was dann neue Schwierigkeiten mit sich bringen kann: frag drei Ärzte, und du bekommst vier Antworten ... und nach der achten Beratung kann man/frau sich dann allmählich fragen, ob man nicht doch auch mal drangehen sollte, sein Anliegen zu bearbeiten (wenn es sich nicht dadurch eh schon gelöst hat, auch das kommt vor ...). Und Beratungen sind immer nur so gut wie die Beratenden selbst es sind ... wie weiß ich das als Unterstützung Suchender? Aber das ist ja eh überall so, wo fachliche Expertise benötigt wird.
Die Preise sind tatsächlich sehr, sehr unterschiedlich ... eine Aufstellung bei einem/einer fachlich zweifelsfrei fundierten LeiterIn wird es kaum unter 180 geben und mehr als 250 sollten es auch nicht sein, es sei denn, man möchte für einen Namen zahlen. Die Rede ist von Einzelaufstellungen - wenn es zum Beispiel um ein Wochenendseminar geht, sieht es anders aus. Als RepräsentantIn teilnehmen kenne ich von gratis bis hin zum gleichen Betrag bei einem Seminar wie die Aufstellenden (mit dem Argument, s.o., dass auch die RepräsentantInnen ihre Dinge bearbeiten und sich von den Aufstellenden nur dadurch unterscheiden, dass sie es nicht explizit tun). Ich rede hier von Preisen, wie ich sie in der Steiermark kenne. Vor- und Nachbetreuungen werden zu den üblichen psychotherapeutischen bzw. Lebensberatertarifen nach Stunden abgerechnet. Da geht es nicht um Freundschaftsdienste oder Qualitätssicherung etc., sondern um die fachliche Begleitung individueller Entwicklungsprozesse und die jeweils gerade gewählten/zu wählenden Interventionen.
Und siehe oben oft genug geht es ja nicht um Aufstellungen im therapeutischen Sinn, sondern um "ein wenig Lebenshilfe" oder um betriebliche Organisationsentwicklung oder um astrologische Aufstellungen ;-) Auch die können *siehe oben, siehe Veritas71 nicht ohne sein. Wenn sich jemand danach unrund fühlt und das nicht als guten Impuls zur Weiterentwicklung empfindet, dann sollte sich niemand schämen, dafür therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wobei ich auch da die Frage nach Schuldzuweisungen differenziert betrache: Wenn eine Aufstellung unversehens etwas auslöst, was so nicht gewollt war, dann ist dafür kaum die Aufstellung allein verantwortlich zu machen. Freilich vermag ein erfahrener Leiter Derartiges wahrzunehmen und damit umzugehen bzw. den unkontrollierten Ausbruch von Aufgestautem in den Griff zu bekommen ... aber was da aufgestaut ist, liegt doch wohl eher in anderen Kontexten. Man könnte das dann auch als Chance begreifen, eine bereits begonnene Bewegung in förderlicher Form weiterzuführen.
Jedenfalls, und das gilt auch für den Tipp, sich als RepräsentantIn umzusehen: Die Erwartung, dass die Teilnahme an einer Systemischen Aufstellung jemand unberührt lässt, wird selten eingelöst werden. Wenn man nicht bereit ist, in Bewegung zu geraten und sich auf neue Erfahrungen einzulassen, sollte man einen weiten Bogen ums Aufstellen machen ...