1. Wäre eine ausführlichere Betrachtung aller möglichen Varianten der Interpretation des Begriffes "karma" hier ganz klar OT, und damit hat sich das in diesem Thread sowieso erledigt. Es wäre auch zu weit gegriffen, weil ich weder die Zeit noch die Ressourcen habe, das jetzt mit jeder Richtung durchzualphabetisieren. Hey, wenns dich so brennend interessiert, es gibt doch genug Internetquellen dafür (okay, nicht für jede Richtung, zugegeben). Ich habe eine grobe Übersicht gegeben, weil ich vielleicht auch noch ein Leben außerhalb des Internets führe. Der Punkt, um den es mir geht war der der DIFFERENZIERUNG und nicht im Detail jetzt jede einzelne Sichtweise zu Karma. ICH sollte vorsichtiger sein? Sag das mal Ping und Taftan bitte. Shivaanhänger sind außerdem keine "kleine Sekte" in Indien. Zen habe ich bewußt NICHT erwähnt, weil Zen nicht in Indien gelebt wird, sondern in Japan. Buddhistische Richtungen - wenn Du dich darin so gut auskennst, erhelle doch mich damit, wie die das unterschiedlich sehen (das tun sie nämlich).
2. Wie man sowas herausfindet? Indem man Sanskritistik jahrelang studiert, sich mit Originalquellen beschäftigt (nicht buddhistische, sondern eben die, die den Buddhismus aus ihrer Sicht sehen, von außen nämlich - wie z.B. einige Puranatexte) - Pali ist ein abgeschliffener Sanskritdialekt, ich kann Palitexte mit Einschränkung lesen, obwohl ich Sanskrit and Altindisch (neben Altpersisch, die Sprache des Avesta) und nicht Pali studiert habe. Landesbesuch mit richtigen Kontakten ist auch sehr hilfreich. Was Buddhismus angeht, hatte ich einige erhellende Gespräche mit echten Spezialisten darin. Wennst mich heute fragst, viel ist dabei nicht hängengeblieben, aber die Unterschiede zum Karmabegriff waren ein Teil des Inhalts dieser Gespräche. Das ist etwa zwanzig Jahre her, daß ich heute nicht mehr sattelfest bin, ist da wohl verständlich.
3. Es ist Bestandteil des Indologiestudiums, eine Art Kompaß zusammenzubasteln (innerlich), der es einem ermöglicht, in dem Urwald der Möglichkeiten indischer Kultur sich zu orientieren um seine eigene Nische der Forschung darin zu finden. Buddhismus legte ich recht bald zu den Akten, weil es einfach zuviel dazu gibt. Mein Spezialgebiet ist die früheste indische Textschicht, also das "altindische", die Wurzeltexte und die ersten Kommentare dazu (Brahmana und Aranyakatexte). Ich bin was Buddhismus angeht, kein Buddhist. Daher bin ich da etwas nüchterner, wenn ich mir das ansehe, was Gautama machte. Du vergißt dabei nämlich schnell, daß der Buddhismus ein Ausbrechen aus dem Samsara JEDEM ermöglicht. Das ist im Kastensystem NUR dem Brahmanen möglich. Ähnlich wie Jesus die jüdische Ordnung auf den Kopf stellte, tat das Gautama mit der Brahmanischen. Gautama kannst Du nicht loslösen von seinem Hintergrund, genausowenig wie das bei Jesus der Fall ist - wers mir nicht glaubt, Theologen fragen.
4. Mir kommt eben das Kotzen, wenn dann Leute daherkommen und Karma auf ein einziges Wort reduzieren, oder auf einen einzigen Zusammenhang. Vor allem, wenn dann plötzlich gefälligst differenziert werden soll, wenns um den eigenen Glauben geht. Also zwei Maßstäbe. Die mangelnde Differenzierung hinsichtlich indischer Richtungen ist ja verständlich, denn: Sich mit diesen Richtungen zu beschäftigen ist eine Lebensaufgabe. Ich bezweifle stark, daß hier außer mir viele die vier Vedas je komplett durchgearbeitet haben, geschweige denn sich mit den wichtigsten Puranatexten beschäftigt oder beispielsweise das Shatapathabrahmana durchgeackert haben. Nur Fachidioten tun das, ich war eine Weile so einer. Das war noch vor der Jahrtausendwende. Ich zitiere das meiste hier nur aus dem Gedächtnis. Die Mahabharata kennt mindestens ein User hier, der auch dauernd Zitate draus reinstellt. Mein Studium beschäftigt mich noch heute, auch wenn ich längst nicht mehr Sanskrittexte übersetze, sondern die archäologischen neueren Erkenntnisse mit dem abgleiche, was so geschrieben steht. Das alles mache ich übrigens in meiner Freizeit, neben einigen anderen Dingen, die hier jetzt definitiv nicht hingehören.
5. Ich habe nach wie vor keine Silbe über meine eigene Religion hier geäußert - dabei bleibe ich auch. Damit ist auch dieses Posting genau betrachtet OT. Nur so mal am Rande. Aber die handtaschenfertigende Threadstarterin hat sich eh verabschiedet, also ist es sich gleich. Trotzdem werde ich nichts über meinen Glauben schreiben: Der ist privat.
6. Viele der Bedeutungen des Wortes Karma sind heute noch gleichzeitig gültig, außer vielleicht (!) die mit der Ritualhandlung (die ja wirklich aus der Vorzeit stammt). Allein der Reinkarnationsbegriff unterlief glaube ich 14 (mehr oder weniger) unterschiedliche Entwicklungsstufen, wobei die Texte heute alle gleichzeitig noch heilig und gültig sind, sofern noch vorhanden. In Indien herrscht Pluralismus.
Wer anderer Meinung ist, kann das gerne sein. Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und mein Wissen ist löcherig und bescheiden. Mein Blick auf die indische Kultur ist durch viele Jahre intensiver Beschäftigung damit entstanden. Wer ein Problem hat weil er meint es besser zu wissen als ich, der kann das gerne so halten. Ich lerne ja nie aus, aber es gehört schon einiges dazu, mich in diesem Gebiet zu beeindrucken.
Mehr werde ich hier definitiv nicht dazu schreiben - ist eh schon viel zu viel geworden. Das ist nicht bösartig gemeint, sondern schlicht meiner wenigen Freizeit anzukreiden. Außer ein zwei Sätzen wird also von mir dazu nicht mehr kommen, denn der Broterwerb ist ab morgen wieder Priorität.
P.S.: Ich lernte übrigens auch Hebräisch, noch in der Schulzeit. Leider ist das schon so lange her, daß ich zwar diese Sprache noch lesen kann, aber sprechen - no way. Nein, ich bin kein Jude, um das gleich zu entschärfen.
P.P.S.: Einige textliche und grammatische Korrekturen vorgenommen. Gute Nacht euch.