Hallo alys, ich fange mal mit deinem ersten Post an, der so endet:
Ich will einfach meinen Glauben nicht verlieren, denn wenn ich nicht einmal an Gott glauben kann und ihm vertrauen kann, was soll ich hier dann noch?
Wenn ich dich richtig verstehe, suchst du in der Literatur und bei den Erfahrungen anderer Menschen nach Belegen über das Wesen Gottes, also ob er vertrauenswürdig oder aber unberechenbar ist. Ob er sich deiner Zuneigung würdig erweist und dich nicht m Stich läßt, auch nicht nach dem Tod. Und der Anlaß für so trübe Gedanken ist offensichtlich eine schwere Enttäuschung, eine schlimme Ungerechtigkeit, die du erlebt hast. Und wird Gott dir nun helfen, Klarheit zu gewinnen, wie das alles kommen konnte und wie du dich vor weiteren Enttäuschungen schützen könntest? Wenn er dein Freund ist, würde er dir doch helfen. Und dann die Frage, die so alt wie die Religion ist: WAAAARUM??? Warum läßt er so vieles zu, das ein Mensch nicht kapiert, nicht verkraftet, nicht verstehen und einordnen kann.
Dann, im nächsten Post denkst du weiter: Aber der Gedanke, dass Gott gut und böse ist, ist für mich momentan am wahrscheinlichsten. Also quasi, dass Gott uns selbst machen lässt und wir selbst Ereignisse bewerten und sie weder gut noch böse sind an sich.
Das ist nun wahrlich hohe Theodizee. „Daß Gott uns selbst machen läßt“ – ja, das ist offensichtlich so. Da er nicht wirklich einschreitet, jedenfalls nicht sichtbar und unmißverständlich, da er die Bösen nicht bestraft und die Guten nicht belohnt, jedenfalls nicht mit Sicherheit, verläßlich und ohne Ausnahme, mischt er sich wohl nicht ein. Aber sind die Ereignisse des Lebens weder gut noch böse? Liegt es nur an unserer Bewertung, daß wir sie etikettieren wollen? Ich bin der Überzeugung, daß Jahwe, der die Geschichte mit Hiob hatte, nicht der Gott ist, den Jesus Vater genannt hat. Für mich sind das zwei schöpfungsgeschichtliche Stränge, die eng miteinander zu tun haben, wo aber der weiterführende Strang heißt, daß in Jesus sich der wahre Gott offenbart hat. Wenn ich also Hiob als Beleg für Gottes Handeln am Menschen heranziehe, würde ich aus der Sicht Jesu interpretieren. Ich glaube aber nicht, daß dies nötig ist, weil es um dich geht, nicht um Hiob und nicht um Jahwe.
Also: Sind die Ereignisse, die dich ins Schleudern gebracht haben, weder gut noch böse an sich? Bist du aufgefordert, jedes Bewerten sein zu lassen? Wirklich? Da schreit der Gerechtigkeitssinn aber auf! Und ich meine, zu recht. Wir haben mühsam gelernt, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, das war keine leichte Übung. Jetzt wollen wir auch, daß durch unser gerechteres Handeln ein Stückchen bessere Welt entsteht. Es soll wenigstens anerkannt werden, daß es ein richtiges Handeln, also etwas Gutes gibt, das wir auch leisten können. Und wozu bräuchtest du sonst dein Gewissen, genau!
Nun haben wir Gott sei Dank diesen Jesus, der alle diese Fragen beantwortet hat. Im Zusammenhang mit deiner untreuen Freundin sagte er, daß es gut sei, die andere Wange auch noch hinzuhalten. Blöd. Auch mit dem Verzeihen hatte er es extrem. Nicht nur siebenmal sondern 7x7x7 oder so. Ich interpretiere jetzt mal auf meine Weise. Jesus zeigte damit den Weg aus jedem schweren und aussichtslosen Konflikt. Wenn schon alles kaputt ist, wenn man schon den ersten Schlag hat einstecken müssen, wenn eigentlich das Zerwürfnis, der Krieg nicht aufzuhalten ist… dann bleibt dieser letzte Ausweg. Ich kann versuchen, die Schläge, die Enttäuschungen, die Verleumdung, die Ungerechtigkeit (zähneknirschend, heulend, gebrochen fast) zu akzeptieren. Weil es keinen anderen Weg gibt, der nicht Zerstörung bedeuten würde.
Ich kann nicht endgültig zerstört werden, selbst dann nicht, wenn ich mich unter meine Peiniger werfe. Wenn ich das tue, ist Jesus an meiner Seite, denn der ist schon lange vor mir ans Kreuz gegangen. Es ist das letzte, was ein Mensch inmitten des Horrors tun kann – aufgeben. Annehmen, vergeben. Das Leben vollständig in Gottes Hand legen. Es ist der einzige schmale Pfad in eine Zukunft. An der Stelle, das kann ich dir versichern, zeigt Gott, was er drauf hat. Aber da geht es nicht mehr um die eigenen Vorstellungen, den Wunsch nach Wohlergehen oder Heilung oder Wunscherfüllung! Du mußt aufgeben, wie Jesus am Kreuz aufgegeben hat. Hat er bewertet, hat er gerichtet? Die Jahre davor – oh ja! Aber er hat selbst erlebt, daß sein Reden nichts bringt. Auch für ihn gab es schließlich keinen anderen Weg in die Zukunft, in seine Gottesoffenbarung an die Menschheit, als das Bewerten aufzugeben.
Es gibt das Böse! Wie blind muß man sein, es schönzureden? Aber dahinter steht ein so großer Schöpfungsplan, den wir nicht glauben dürfen, zu verstehen. Der Mensch kann sehr böse sein, so blind, so selbstherrlich, und schaufelt sich die Grube der Verzweiflung, die er sich gerne philosophisch umdeutet auf „Erkenntnis“.
Dich hat es ganz schön erwischt, liebe alys, und das ist gut so. Du hast die Riesenchance, Gott zu verstehen, denn genau das will er unbedingt! Er ist nicht auf die Erde gekommen mit dieser Wahnsinnsbotschaft, um sich anhören zu müssen, niemand könne ihn je verstehen!