Ramar
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Grußrede von Heide Pfarr am 7.12.2006 in Berlin
http://www.verdi.de/.../arbeitsplatz_prostitution/download/konferenz_2006/data/Pfarr Grussrede.pdf
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Namen der Hans Böckler Stiftung möchte ich Sie als Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus 8 europäischen Ländern zur Fachkonferenz Sexarbeit ein Beruf
mit Interessensvertretung? begrüßen.
Lange Zeit war das Thema Prostitution ein Tabuthema, das in der Öffentlichkeit und
im Bereich der Forschung nur selten und wenn, dann auf abwertende und
diskriminierende Art und Weise behandelt wurde.
Die Prostituierte oder Sexarbeiterin genießt sowohl weltweit als auch in der
europäischen Gesellschaft noch immer wenig Anerkennung und gesellschaftliches
Ansehen. Doch immerhin gibt es im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, mit dem wir für die Planung dieser Konferenz kooperiert haben,
ernstzunehmende Forschungs- und Politikansätze zu diesem Thema.
Prof. Dr. Tjaden wird heute Nachmittag einige seiner Recherchen über
Arbeiterbewegung und Sexarbeit präsentieren.
Auch beim wissenschaftlichen Nachwuchs trifft das Thema zunehmend auf
Interesse: so haben sich im Mai diesen Jahres sich die Stipendiaten der Hans
Böckler Stiftung auf ihrer Jahrestagung in Saalfeld erstmalig mit der Thematik
Migration und Sexarbeit befasst. Ich möchte diese Thematik aufgreifen, weil sie
meines Erachtens von zentraler Bedeutung ist, wenn wir über globale
Zusammenhänge nachdenken.
Durch die ökonomischen und politischen Entwicklungen der letzten beiden
Jahrzehnte hat die Prostitution heutzutage eine globale Dimension erreicht hat.
Weltweit nehmen wir eine Feminisierung der Armut wahr und als Konsequenz die
Entscheidung vieler Frauen in der Prostitution tätig zu werden. Es sind nämlich
hauptsächlich Frauen, die der Prostitution nachgehen, um sich selbst und ihre
Familien zu ernähren.
Gleichzeitig stellen wir eine FrauenArbeitsMigration fest. Die neuen Weltstrukturen
haben massive Migrationsbewegungen verursacht, in denen Prostitution eine
Tätigkeit ist, die bewusst während des Migrationsprozesses und im Gastland
ausgeübt wird. Es werden heutzutage russische Frauen in Dubai angetroffen sowie
Thailänderinnen in Tokio und Brasilianerinnen in Tel Aviv.
Diese internationale Dimension der Prostitution ist auch in Europa zu beobachten.
Eine europaweite Umfrage des europäischen Netzwerkes für HIV-Prevention und
Gesundheitsförderung von migrierten Sexarbeiterinnen TAMPEP, in 2005, zeigt,
daß in fast allen alten EU-Ländern Migrantinnen heutzutage die Mehrheit der
gesamten Sexarbeiterinnen im Lande ausmachen. In Österreich und Italien sind es
um die 80%. In Deutschland sind es 60%.
Dr. Lissia Brussa, die Vorsitzende des Netzwerkes TAMPEP in Europa wird auf die
rechtliche und soziale Situation der Migrantinnen in der Sexarbeit in den einzelnen
europäischen Ländern heute Nachmittag noch konkret eingehen.
Doch können wir davon ausgehen, dass zur Zeit die Lage, in der die Migrantinnen
ohne legalisierten Aufenthaltstatus, die in der EU leben und arbeiten von
Rechtlosigkeit geprägt ist. Das ist unter anderem die Folge des begrenzten Zugangs
zu einem legalen Migrationprozess und zum legalen Arbeitsmarkt.
Aus dem illegalisierten Aufenthaltstatus ergeben sich direkte Auswirkungen auf die
Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Frauen:
Sie sind stärker Gewalt und gesundheitlichen Risikosituationen ausgesetzt.
Sie haben weniger Zugang zu Informationen und Beratungsstellen.
Sie verzichten aus Angst vor Abschiebung und anderen Repressalien darauf,
Anzeige gegen Täter zu erstatten.
Die immer restriktiver werdenden europäischen Migrationsgesetze bewirken, dass
Frauen so genannte dritte Personen brauchen, um in den Prozess der
Arbeitsmigration einzusteigen. Dies macht sie zu einer leichten Beute für
Arbeitsverhältnisse, die von Abhängigkeit und Ausbeutung geprägt sind. Dies gilt
nicht nur für Frauen, die in die Sexarbeit gehen, sondern für diejenigen, die sich zum
Beispiel mit Arbeit in privaten Haushalten den Lebensunterhalt verdienen.
Die Legalisierung der Prostitution in Deutschland durch das Prostitutionsgesetz, das
2002 in Kraft getreten ist, eröffnet unter den aktuellen Entwicklungen des
Bleiberechts für MigrantInnen mit Arbeitserlaubnis neue Diskurse um die
Anerkennung von Sexarbeit als Beruf.
Während bislang die Bundesanstalt für Arbeit eine Vermittlung von arbeitsuchenden
Sexarbeiterinnen aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt, weil sie die Prostitution
nicht als eine anderen gleichgestellte berufliche Tätigkeit definiert, stellt sich die
Frage nach den Arbeitspapieren erneut, wenn nun Frauen ( und auch Männer), die
von der Bleiberechtregelung Gebrauch machen wollen, eine Arbeit in der
Sexindustrie nachweisen können.
In Hinsicht auf die gesamte Gruppe der Sexarbeiterinnen in Europa, kommt
allerdings noch hinzu, dass es in den meisten europäischen Ländern noch keine
Gesetzgebung gibt, die den Frauen ihre elementaren Arbeitsrechte zugesteht.
Nur in wenigen europäischen Ländern haben Gewerkschaften das Thema Sexarbeit
aufgegriffen. Und dann häufig nur unter dem Aspekt Frauenhandel und
Zwangsprostitution.
Noch weniger Gewerkschaften haben Sexarbeiterinnen bei sich organisiert und
treten für deren Rechte ein.
Ver.di ist eine der ersten Gewerkschaften, die seit der Verabschiedung des
Prostitutionsgesetzes dezidiert Partei ergriffen für die im Sexgewerbe bzw. in der
Prostitution Tätigen hat.
Die Hans Böckler Stiftung will mit der gemeinsamen Ausrichtung dieser Konferenz
einen Beitrag dazu leisten, eine breitere Diskussion im europäischen Rahmen zu
ermöglichen: Brauchen Sexarbeiterinnen eine Interessensvertretung? Und können
bzw. wollen Gewerkschaften diese anbieten und gewährleisten? Diese Fragen
werden im Zentrum der Diskussionen in dieser Konferenz sein.
Um einen intensiveren Meinungsaustausch zwischen GewerkschafterInnen,
SexarbeiterInnen, VertreterInnen aus Wissenschaft und Forschung und von Praxis-
und Beratungsstellen zu ermöglichen, mussten wir die Zahl der Teilnehmerinnen zu
dieser Konferenz auf 50 Personen begrenzen, Viele weitere Anfragen mussten wir
leider deshalb negativ bescheiden. Wir sehen mit Zuversicht, dass die Thematik
immer mehr gesellschaftliche Gruppen interessiert und bewegt.
Für die Organisation und Vorbereitung dieser Konferenz möchte ich mich bei allen
bedanken, die bereits vor Monaten die internationalen Kontakte knüpften und ein
beeindruckendes Netzwerk von Kooperationspartnern aus Holland, der Schweiz,
Österreich, Spanien, Norwegen, Polen, Großbritannien und Deutschland mit
Europäischen Organisationen, wie dem Europäischen Gewerkschaftsbund und dem
International Committee on the Rights of Sexworkers in Europe aufbauen konnten.
Ich heiße Sie alle herzlich willkommen und freue ich mich, dass mit Ihrer Beteiligung,
soviel internationales Interesse und Engagement sichtbar wird und wünsche der
Konferenz eine lebendige und konstruktive Diskussion und einen erfolgreichen
Verlauf.
http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/sport/prostitution.html
http://lefoeblog.blogspot.com/2006/01/sexarbeiterinnen-konferenz-in-brssel.html
http://www.lefoe.at/design/content.php?page=b&lang=de&content=241
L.G.
Ramar
http://www.verdi.de/.../arbeitsplatz_prostitution/download/konferenz_2006/data/Pfarr Grussrede.pdf
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Namen der Hans Böckler Stiftung möchte ich Sie als Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus 8 europäischen Ländern zur Fachkonferenz Sexarbeit ein Beruf
mit Interessensvertretung? begrüßen.
Lange Zeit war das Thema Prostitution ein Tabuthema, das in der Öffentlichkeit und
im Bereich der Forschung nur selten und wenn, dann auf abwertende und
diskriminierende Art und Weise behandelt wurde.
Die Prostituierte oder Sexarbeiterin genießt sowohl weltweit als auch in der
europäischen Gesellschaft noch immer wenig Anerkennung und gesellschaftliches
Ansehen. Doch immerhin gibt es im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, mit dem wir für die Planung dieser Konferenz kooperiert haben,
ernstzunehmende Forschungs- und Politikansätze zu diesem Thema.
Prof. Dr. Tjaden wird heute Nachmittag einige seiner Recherchen über
Arbeiterbewegung und Sexarbeit präsentieren.
Auch beim wissenschaftlichen Nachwuchs trifft das Thema zunehmend auf
Interesse: so haben sich im Mai diesen Jahres sich die Stipendiaten der Hans
Böckler Stiftung auf ihrer Jahrestagung in Saalfeld erstmalig mit der Thematik
Migration und Sexarbeit befasst. Ich möchte diese Thematik aufgreifen, weil sie
meines Erachtens von zentraler Bedeutung ist, wenn wir über globale
Zusammenhänge nachdenken.
Durch die ökonomischen und politischen Entwicklungen der letzten beiden
Jahrzehnte hat die Prostitution heutzutage eine globale Dimension erreicht hat.
Weltweit nehmen wir eine Feminisierung der Armut wahr und als Konsequenz die
Entscheidung vieler Frauen in der Prostitution tätig zu werden. Es sind nämlich
hauptsächlich Frauen, die der Prostitution nachgehen, um sich selbst und ihre
Familien zu ernähren.
Gleichzeitig stellen wir eine FrauenArbeitsMigration fest. Die neuen Weltstrukturen
haben massive Migrationsbewegungen verursacht, in denen Prostitution eine
Tätigkeit ist, die bewusst während des Migrationsprozesses und im Gastland
ausgeübt wird. Es werden heutzutage russische Frauen in Dubai angetroffen sowie
Thailänderinnen in Tokio und Brasilianerinnen in Tel Aviv.
Diese internationale Dimension der Prostitution ist auch in Europa zu beobachten.
Eine europaweite Umfrage des europäischen Netzwerkes für HIV-Prevention und
Gesundheitsförderung von migrierten Sexarbeiterinnen TAMPEP, in 2005, zeigt,
daß in fast allen alten EU-Ländern Migrantinnen heutzutage die Mehrheit der
gesamten Sexarbeiterinnen im Lande ausmachen. In Österreich und Italien sind es
um die 80%. In Deutschland sind es 60%.
Dr. Lissia Brussa, die Vorsitzende des Netzwerkes TAMPEP in Europa wird auf die
rechtliche und soziale Situation der Migrantinnen in der Sexarbeit in den einzelnen
europäischen Ländern heute Nachmittag noch konkret eingehen.
Doch können wir davon ausgehen, dass zur Zeit die Lage, in der die Migrantinnen
ohne legalisierten Aufenthaltstatus, die in der EU leben und arbeiten von
Rechtlosigkeit geprägt ist. Das ist unter anderem die Folge des begrenzten Zugangs
zu einem legalen Migrationprozess und zum legalen Arbeitsmarkt.
Aus dem illegalisierten Aufenthaltstatus ergeben sich direkte Auswirkungen auf die
Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Frauen:
Sie sind stärker Gewalt und gesundheitlichen Risikosituationen ausgesetzt.
Sie haben weniger Zugang zu Informationen und Beratungsstellen.
Sie verzichten aus Angst vor Abschiebung und anderen Repressalien darauf,
Anzeige gegen Täter zu erstatten.
Die immer restriktiver werdenden europäischen Migrationsgesetze bewirken, dass
Frauen so genannte dritte Personen brauchen, um in den Prozess der
Arbeitsmigration einzusteigen. Dies macht sie zu einer leichten Beute für
Arbeitsverhältnisse, die von Abhängigkeit und Ausbeutung geprägt sind. Dies gilt
nicht nur für Frauen, die in die Sexarbeit gehen, sondern für diejenigen, die sich zum
Beispiel mit Arbeit in privaten Haushalten den Lebensunterhalt verdienen.
Die Legalisierung der Prostitution in Deutschland durch das Prostitutionsgesetz, das
2002 in Kraft getreten ist, eröffnet unter den aktuellen Entwicklungen des
Bleiberechts für MigrantInnen mit Arbeitserlaubnis neue Diskurse um die
Anerkennung von Sexarbeit als Beruf.
Während bislang die Bundesanstalt für Arbeit eine Vermittlung von arbeitsuchenden
Sexarbeiterinnen aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt, weil sie die Prostitution
nicht als eine anderen gleichgestellte berufliche Tätigkeit definiert, stellt sich die
Frage nach den Arbeitspapieren erneut, wenn nun Frauen ( und auch Männer), die
von der Bleiberechtregelung Gebrauch machen wollen, eine Arbeit in der
Sexindustrie nachweisen können.
In Hinsicht auf die gesamte Gruppe der Sexarbeiterinnen in Europa, kommt
allerdings noch hinzu, dass es in den meisten europäischen Ländern noch keine
Gesetzgebung gibt, die den Frauen ihre elementaren Arbeitsrechte zugesteht.
Nur in wenigen europäischen Ländern haben Gewerkschaften das Thema Sexarbeit
aufgegriffen. Und dann häufig nur unter dem Aspekt Frauenhandel und
Zwangsprostitution.
Noch weniger Gewerkschaften haben Sexarbeiterinnen bei sich organisiert und
treten für deren Rechte ein.
Ver.di ist eine der ersten Gewerkschaften, die seit der Verabschiedung des
Prostitutionsgesetzes dezidiert Partei ergriffen für die im Sexgewerbe bzw. in der
Prostitution Tätigen hat.
Die Hans Böckler Stiftung will mit der gemeinsamen Ausrichtung dieser Konferenz
einen Beitrag dazu leisten, eine breitere Diskussion im europäischen Rahmen zu
ermöglichen: Brauchen Sexarbeiterinnen eine Interessensvertretung? Und können
bzw. wollen Gewerkschaften diese anbieten und gewährleisten? Diese Fragen
werden im Zentrum der Diskussionen in dieser Konferenz sein.
Um einen intensiveren Meinungsaustausch zwischen GewerkschafterInnen,
SexarbeiterInnen, VertreterInnen aus Wissenschaft und Forschung und von Praxis-
und Beratungsstellen zu ermöglichen, mussten wir die Zahl der Teilnehmerinnen zu
dieser Konferenz auf 50 Personen begrenzen, Viele weitere Anfragen mussten wir
leider deshalb negativ bescheiden. Wir sehen mit Zuversicht, dass die Thematik
immer mehr gesellschaftliche Gruppen interessiert und bewegt.
Für die Organisation und Vorbereitung dieser Konferenz möchte ich mich bei allen
bedanken, die bereits vor Monaten die internationalen Kontakte knüpften und ein
beeindruckendes Netzwerk von Kooperationspartnern aus Holland, der Schweiz,
Österreich, Spanien, Norwegen, Polen, Großbritannien und Deutschland mit
Europäischen Organisationen, wie dem Europäischen Gewerkschaftsbund und dem
International Committee on the Rights of Sexworkers in Europe aufbauen konnten.
Ich heiße Sie alle herzlich willkommen und freue ich mich, dass mit Ihrer Beteiligung,
soviel internationales Interesse und Engagement sichtbar wird und wünsche der
Konferenz eine lebendige und konstruktive Diskussion und einen erfolgreichen
Verlauf.
http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/sport/prostitution.html
http://lefoeblog.blogspot.com/2006/01/sexarbeiterinnen-konferenz-in-brssel.html
http://www.lefoe.at/design/content.php?page=b&lang=de&content=241
L.G.
Ramar