Lieber Merlin, von welcher gottgewollten Ordnung sprichst Du da?
Und in Indien, wo siehst Du den Zusammenhang der Zustände dort und von Karma. Ohne die Lehre von Karma wäre es dort doch noch viel schlimmer, fürchte ich.
lg
Syrius
Lieber Syrius,
die Gottgewollte Ordnung war in unserer feudalen Vergangenheit eine Begründung zur Abgrenzung innerhalb der Gesellschaft. Das fing damit an, dass sich der jeweilige Potentat als Herrscher aus Gottes Gnaden verstand, und setzte sich so durch die ganzen Stände fort. Am Ende dieser Ordnung stand die große Masse der Leibeigenen. Man wurde nach dem damaligen Verständnis in einen Stand nach Gottes Willen hingeboren und hatte gefälligst dort auch zu bleiben.
Diese Abgrenzung wurde bis ins Detail betrieben, so durften einfache Leute nicht ohne Zustimmung des Grundherrn weder den Wohnort wechseln, noch heiraten. Ja und bei der Heirat bedurfte es noch der Zustimmung des Pfarrers. So wurde auch die Farbe der Kleidung festgelegt und viele Dinge mehr. Dass Frauen noch bis weit in das letzte Jahrhundert rechtlos waren, brauche ich jetzt nicht mehr näher beschreiben.
In Indien wird das als Kastenwesen bezeichnet, in dem man des Karmas wegen in eine Kaste hineingeboren wird und auch dort zu Lebzeiten keine Chance hat, in eine ander aufzusteigen. Wie in der Gottgewollten Ordnung, der einzige Trost eines niederen Standes war, dass man bei entsprechendem Gehorsam in das Paradies kommen könne, so wird man in den Lehren Indiens auf ein besseres Dasein in einem nächsten Leben vertröstet.
Diese Ordnungen haben fatale Folge, denn ein jeder wird sich fragen, warum wohl ein Leibeigener oder Unberührbarer in seinen Stand geboren wurde. Was hat diese Frau in ihrem letzten Leben falsch gemacht, dass sie nun als Frau ihr Dasein fristen muss? War das in der Christenheit nicht auch die Frage zu dem Blindgeborenen?
So wie bei uns ein Mann von Adel ein besserer Mensch sein soll, so ist das auch im Kastenwesen Indiens. Man setzt sich nicht an einen gemeinsamen Tisch mit dem Gesinde oder den Unreinen. Erinnere dich dazu, was die Pharisäer zu Jesus gesagt hatten, weil er sich an einen Tisch mit den Zöllnern setzte oder sich von einer Sünderin, die Füße waschen ließ. So wie in der Bibel die Frauen per se als Wesen zweiter Klasse abgestempelt wurden, so ist das leider auch heute noch.
Auch wenn man das gerne möchte, sind Religionen in vielen Ländern nicht immer Privatsache und deshalb ist es auch wichtig, welche Gedanken und Strömungen sie in einer Gesellschaft unterstützen. Schade nur, dass sich wirklich segensreiche Lehren nicht durchsetzen, weil damit manche Pfründe aufgegeben werden müssten, und sei es nur der Schlüssel der Erkenntnis.
Ich bin mir ganz sicher, dass ein guter Mensch zu sein, nicht davon abhängt, in welchen Stand er hineingeboren wurde. Für mich ist entscheidend, was ein Mensch in diesem Leben macht und nicht die scheinbare Reputation aus einer ungewissen Vergangenheit.
Merlin