Ich fürchte, das würde zu garnichts führen, weil das, was ich als unlogisch erachte, für dich völlig logisch und nachvollziehbar ist. Und das liegt wiederum daran, dass wir völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Göttlichen haben. Die Deine ist genuin christlich. Dein Gott ist der Gott der Christen, er ist Jesus, er hat Engel und so weiter.
Gerade das aber bezweifle ich grundsätzlich. Ich glaube nicht, dass jene universellen Kräfte, die man als das Göttliche bezeichnen könnte, überhaupt irgendetwas mit der Gottesvorstellung irgendeiner Religion gemein haben. Und damit decken sich auch meine eigenen Erfahrungen. Ich bin der Überzeugung, dass jede personifizierte Gottesvorstellung ein Produkt der menschlichen Phantasie ist, mit dem der Mensch versucht, die den Kosmos lenkenden Kräfte, die ihm unverständlich sind und ihm daher zunächst Angst einflössen, in eine Gestalt zu zwingen, die er gewissermaßen "kennt", deren Pläne er kennt und die damit berechenbar wird.
Dieser Mechanismus ist ja nichts neues: Schon immer versuchte sich der Mensch, die Dinge, die er nicht erklären konnte, durch die Erfindung göttlicher Gestalten begreifbar zu machen. Blitz und Donner etwa, jene Urgewalten, die bei den Griechen und Römern mit Zeus/Jupiter, bei den Germanen und Wikingern mit Donar/Thor assoziiert wurden. Heute wissen wir, wie Blitz und Donner entstehen, aber die Geheimnisse der Urkräfte des Universums bleiben nach wie vor im Verborgenen; dies wird sich auch nicht ändern. So sind sie die Sphäre dessen, was nach wie vor personifiziert wird.
Selbst wenn deine Geschichte vom Sündenfall der Engel etc. auch aus meiner Sicht in sich logisch wäre, würde ich sie dennoch nicht als die Wahrheit über das Göttliche anerkennen, sondern nur als eine nette Geschichte - eine unter sehr, sehr vielen verschiedenen Geschichten. Warum sollte "dein" Gott wahrer sein als die Ma'at der alten Ägypter, der Pantheon der Griechen und Römer, die gefiederte Schlange der Azteken und Maya? Jede dieser Geschichten kleidet das Göttliche in eine oder mehrere Personifizierungen und unterstellt ihm diesen oder jenen Plan. Und doch ist keine von ihnen wahr.
Ich vermeide es daher, derartige Aussagen über die universellen Kräfte, das "Göttliche", treffen zu wollen. Man kann diese Kräfte spüren, sie erfahren, in magischer und meditativer Arbeit mit ihnen umzugehen lernen. Aber es wäre in meinen Augen vermessen, sie voll und ganz begreifen zu wollen und ihnen kleinliche menschliche Pläne zu unterstellen, die einfach zu durchschauen sind. Selbst wenn es Pläne gibt, die auf ein bestimmtes Ziel hin zulaufen - wer sagt uns denn, dass diese Pläne, deren Maßstäbe kosmisch sein müssten, für uns auch nur annähernd erfassbar sein müssten? Vielleicht manifestieren sie sich erst in Milliarden von Jahren unter Umständen, die wir uns heute noch nicht einmal zu erträumen wagen? Vielleicht haben sie mit der Menschheit noch nicht einmal viel zu tun? Wir können nicht ernsthaft behaupten, wir würden mal eben die Pläne des Universums kennen. Auch dann nicht, wenn man sich Jahrzehnte mit einer Variante einer Geschichte befasst hat - was sind Jahrzehnte in einem kosmischen Maßstab? Nichts. Garnichts.
Natürlich versuche ich, das Universum zu verstehen - aber ich weiß, dass ich dieses Ziel niemals endgültig erreichen kann. Der Weg selbst ist das Ziel.