Gewalttätigkeit

Ich verfolge diesen Thread nun von Anfang an mit, habe bis jetzt noch nichts dazugeschrieben, weil ich ein wenig in der Klemme sitze.

Ich kann Plutos Gefühle denke ich gut nachvollziehen (zumindest interpretiere ich ihre Worte so, dass ich Parallelen dazu in meinem Fühlen finde), andererseits möchte ich nicht mit dem jungen Vater tauschen müssen - die Vorstellung, dass mir jemand mein Kind vorenthält, würde mich wahrscheinlich auch so ziemlich jede Türe eintreten lassen.

Aber dieser Satz hier:

man kommt ja nur dahin ein kind loszulassen - es seine eigenen fehler begehen zu lassen - wenn man sich selbst nicht mehr schuldig an den fehlern des kindes fühlt -

der quert irgendwie, auch weil ich das Wort "Fehler" in dem Posting so oft finde. Das ruft ziemlichen Widerstand in mir hervor.

Denn ich denke, dass das Thema doch ziemlich komplex ist und Urteile in jeder Form ("Fehler" von diesem oder jenem) im besten Falle noch als kontraproduktiv, im schlechtesten Fall sogar als völlig unverstanden-worden-sein empfunden werden können.

Zumindest mir ginge es so.

Denn "sich schuldig fühlen an den Fehlern des Kindes" ist eine Annahme, die überhaupt nicht stimmen muss.

Wenn ich bei mir nachgucke, was für ein Gefühl meiner Gluckenhaftigkeit zugrundeliegt, so ist es eine Angst, meine Kinder leiden zu sehen, egal in welcher Form.

Und da wäre es eher die Frage, wann Sorge um das Glück des Kindes angebracht ist und wann sie zum Übergriff wird. Hier eine stimmige Grenze definiert zu bekommen, empfände ich persönlich als hilfreich.

Denn ehrlich - wenn eine meiner Töchter mich um Hilfe bitten würde, weil sie unglücklich ist bei ihrem Mann, ich würde ihr selbstverständlich helfen. Die Frage ist ja, wo beginnt angemessene, lösungsorientierte Hilfe und wo wird sie "zuviel" und beginnt ins Kontraproduktive zu kippen?

Liebe Grüße
Suena
 
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Hallo Suena,

Wenn ich bei mir nachgucke, was für ein Gefühl meiner Gluckenhaftigkeit zugrundeliegt, so ist es eine Angst, meine Kinder leiden zu sehen, egal in welcher Form.

nur dein Satz hier birgt einen grossen Zwiespalt und einen grossen Widerspruch.

Ich will mein Kind nicht leiden sehen, lasse es deswegen nicht "allein" handeln, ich will helfen und unterstützen.
In dem Moment ist es für das Kind schwierig Probleme selbst lösen zu lernen und die anstehende Lektion positiv zu meistern.
Es bleibt dadurch haften an der Mutter .

Diese Angst von der du sprichst, bewirkt also das Gegenteil, die Person kann nicht wirklich selbstständig handeln und sich selbst erkennen.

Du lässt in dem Moment eben nicht los, deine Erwartungen vom Leben deines Kindes erfüllen zu wollen, denn du hast eine Vorstellung wie es laufen sollte.
Das Kind, auch wenn es schon ein kleiner Erwachsener ist, hört oft zu sehr auf die Mütter und lassen sich die Meinungen aufdrücken.

Doch vielleicht hat das Leben für das Kind einen anderen Auftrag vorgesehen, Prüfungen die zu bestehen sind usw.

Auch wir Menschen werden stark und kräftig wenn wir uns eigenständig durchs Leben schlagen.
Und jede Familie hat ebenso eine andere Erziehungsform für ihre eigenen Kinder , die meißt nicht mit denen der Grosseltern übereinstimmen.
Auch wenn diese meinen es gelernt zu haben oder besser zu wissen, meißt ist es tatsächlich nicht so!


LG
flimm
 
Ich will mein Kind nicht leiden sehen, lasse es deswegen nicht "allein" handeln, ich will helfen und unterstützen.

Ich sehe das so, dass ich meine Kinder nicht im Stich lassen will. Als meine Jüngste z.B. mal bedroht wurde, stand am nächsten Tag die komplette Familie dort, hinter ihr. Und wartete auf den Typen.

Das Kind, auch wenn es schon ein kleiner Erwachsener ist, hört oft zu sehr auf die Mütter und lassen sich die Meinungen aufdrücken.

In diesem Thread sehe ich (und das betrifft MEIN Empfinden) sehr um das Thema Schutz. Sein Kind schützen zu wollen bedeutet in meinen Augen nicht zwangsläufig, ihm seine Meinung aufs Aug drücken zu wollen. Überhaupt, wenn das Kind (nicht aufs Alter bezogen) um Hilfe bittet.

Die Frage, die sich für mich stellt: Wann ist Schutz nötig und wann nicht?

Liebe Grüße
Suena
 
Die Frage, die sich für mich stellt: Wann ist Schutz nötig und wann nicht?

...womit wir wieder bei der Grenze zwischen Mutterliebe und Gluckenhaftigkeit sind...

oder wann ist ein Kind....kein Kind mehr???

wenn meine Tochter zB. ihr Mofa zerdeppert....wie "helfe" ich ihr??

Indem sie die Folgen ihres Fahrfehlers selber trägt, und ohne Mofa dasteht....
oder soll ich ihr (Leid und Verantwortung abnehmen und) ein neues Mofa kaufen (und sie damit "entmündigen")

was ist "richtig" oder "falsch"??? :rolleyes::rolleyes:
 
Die Frage, die sich für mich stellt: Wann ist Schutz nötig und wann nicht?
Hallo Suena,

in der Frage klingt für mich noch etwas mit - im Hinblick auf erwachsene Kinder, wie in diesem Fall. "Wann ist Schutz sinnvoll - und wann nicht".

Und das ist in meinen Augen dann gegeben, wenn das Kind (gleichgültig wie alt, gleichgültig in was auch immer hineingeraten, und auch gleichgültig warum hineingeraten) um Hilfe bittet - und eine klare Linie und Vorstellung von dem hat, was es will, das Kind. Wenn eine eindeutige Richtung erkennbar ist. Dann ist Hilfe und Engagement sinnvoll, in meinen Augen. Dann ist das Unterstützung dessen, was in dem Menschen, der als mein Kind um Hilfe bittet, selbst schon als Entschluß zum Handeln gegeben ist.

Solange das nicht klar ist, ist es nicht nur nicht sinnvoll - sondern beinahe unmöglich, helfend einzugreifen. (Es sei denn, es bestünde akute Lebensgefahr - da kann ich dann nicht abwarten, ob Kind sich entschließt, sich selbst retten zu wollen...)

So empfinde ich das im Moment: im gegebenen Fall kommen von der tochter keine klaren Signale. Sondern Doppelbotschaften. Hilf mir, Mami, weil ich fürcht mich vor meinem Mann, aber ich will schon die Ehe aufrecht erhalten mit ihm.

Das funktioniert nicht...

Liebe Grüße
Kinny
 
Sein Kind schützen zu wollen bedeutet in meinen Augen nicht zwangsläufig, ihm seine Meinung aufs Aug drücken zu wollen. Überhaupt, wenn das Kind (nicht aufs Alter bezogen) um Hilfe bittet.

Die Frage, die sich für mich stellt: Wann ist Schutz nötig und wann nicht
Liebe Suena!

Ich denke nicht, dass es dafür eine allgemeingültige Regel gibt. Wenn doch, dann die, dass die Chancen für den angemessenen Schutz steigen, wenn im Einzelfall geklärt werden kann, welche Form dieser Schutz annehmen kann. Und wenn auch, während dieser Schutz gewährt wird, ein Austausch darüber erfolgt, wie es weitergehen kann.

Die primären Elternreflexe sind freilich, erst einmal vorbehaltslos auf der Seite des Kindes zu stehen, und das ist auch gut so. Elternliebe ist nicht an Bedingungen gebunden. In die ersten Reflexe mischt sich auch noch reichlich Anderes: das Gefühl, gebraucht zu werden (auf Elternseite). Das Gefühl, sich in einer kritischen Situation vertrauensvoll in eine Geborgenheit fallenlassen zu können (auf Kinderseite). Das stärkende Empfinden, Verbündete zu finden, die für einen kämpfen. Vielleicht die Befriedigung, dass etwas erfüllt zu werden scheint, was man als Muster "eh immer schon so gesehen hat". Oder die Gewohnheit, dass einem eh (meistens gern) die Suppe ausgelöffelt wird, die man sich eingebrockt hat ... "der Papa wird's schon richten" sang Qualtinger. Und vieles mehr an Gefühlen und Konstrukten, alles mögliche, was in solchen Situationen halt mitschwingt. Das mischt sich, und in der Regel ist zunächst einmal schwer in Ordnung, was da "aus dem Bauch heraus" kommt.

Dann scheint es mir aber schon auch relativ bald einmal sinnvoll zu sein, genauer hinzuschauen, was wem tatsächlich hilft - und die eigenen Bedürfnisse und Zugänge zur Situation ebenso achtsam zu betrachten wie jene des Kindes. Und wenn's gut geht, lässt sich das in einem offenen Austausch klären. Auch und vor allem dann, wenn ein Kind zum Beispiel mal kommt (schön, wenn es dieses Vertrauen in der Beziehung gibt) und sagt "Mutti/Vati, ich hab mich eine eine Scheißsituation manövriert und weiß nicht mehr weiter ... bitte hilf!" Was ist dann Hilfe? In meinen Augen: Erst einmal das Kind in den Arm nehmen. Es nähren. Den Zeigefinger eingesteckt lassen. Und dann, sobald die Grundsicherung wieder auf gutem Boden steht, es stärken. Ihm beistehen darin, seine nächsten Schritte zu klären, und ihm den Rückhalt geben, dass es diese nächsten Schritte selbst gehen kann. Und (wenn es erwachsen ist, das Kind) auch selbst verantwortet. Dass man nicht zu Seinem macht, was Sache des "Kindes" ist.

Und ich stimme ganz und gar zu, dass es nur besser werden kann, wenn die Fehler-Schiene rausgenommen wird. Ich kann meine Fehler durchaus wertschätzend würdigen als Versuch, die Dinge richtig zu machen. Wenn der Versuch nicht gelungen ist, kann ich ihn betrachten und entweder an der Versuchsanordnung oder an den Kontexten etwas verändern, damit die Aussichten auf ein besseres Ergebnis steigen (und ich kann auch, wenn ich Lust habe, hinterfragen, was denn so ein besseres Ergebnis wäre und wer das bewertet). Wie Steve de Shazer mal sagte: Probleme/Fehler sind Lösungen in Arbeitskleidung.

Alles Liebe,
Jake
 
...womit wir wieder bei der Grenze zwischen Mutterliebe und Gluckenhaftigkeit sind...

oder wann ist ein Kind....kein Kind mehr???

wenn meine Tochter zB. ihr Mofa zerdeppert....wie "helfe" ich ihr??

Indem sie die Folgen ihres Fahrfehlers selber trägt, und ohne Mofa dasteht....
oder soll ich ihr (Leid und Verantwortung abnehmen und) ein neues Mofa kaufen (und sie damit "entmündigen")

was ist "richtig" oder "falsch"??? :rolleyes::rolleyes:

Lieber Earthangel!

Ich glaube, es gibt viele Formen (und Auswüchse) von Elternliebe, mir gehts hier vordergründig ums Thema Schutz.

Weil, zumindest lese ich das so aus Plutos Beiträgen heraus, ihre Tochter um Schutz gebeten hat.

Dass ein Kind wie in Deinem Beispiel die Verantwortung fürs zerdepperte Mofa selbst tragen kann, hat nicht zwingend was mit dem Thema Schutz zu tun, zumindest sehe ich das so. Unter Schutz verstehe ich, Gefahren für Leib und Seele abzuwenden, wie z.B. das Kind aufzunehmen, wenn es sich vom Partner/von der Partnerin bedroht fühlt.

Liebe Grüße
Suena
 
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Und das ist in meinen Augen dann gegeben, wenn das Kind (gleichgültig wie alt, gleichgültig in was auch immer hineingeraten, und auch gleichgültig warum hineingeraten) um Hilfe bittet - und eine klare Linie und Vorstellung von dem hat, was es will, das Kind. Wenn eine eindeutige Richtung erkennbar ist. Dann ist Hilfe und Engagement sinnvoll, in meinen Augen. Dann ist das Unterstützung dessen, was in dem Menschen, der als mein Kind um Hilfe bittet, selbst schon als Entschluß zum Handeln gegeben ist.

So empfinde ich das im Moment: im gegebenen Fall kommen von der tochter keine klaren Signale. Sondern Doppelbotschaften. Hilf mir, Mami, weil ich fürcht mich vor meinem Mann, aber ich will schon die Ehe aufrecht erhalten mit ihm.

Liebe Kinny!

Ja, das sehe ich auch so - die Frage wäre, wie nun eine Hilfe in dem Fall aussehen könnte. Wenn eben das Kind so sehr verunsichert ist, dass es ganz offensichtlich zu keiner klaren Linie fähig ist.

Wobei ich hier aus dem Bauch heraus empfinde, dass sie womöglich solange keine klare Linie finden kann, solange sie von allen Seiten unter Druck gesetzt wird.

Liebe Grüße
Suena
 
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