Reine Banalität?
nicht unbedingt spirituell, sondern eher banal
Astarte, diese Wertung scheint mir nicht gerechtfertigt. Wirklich viele wichtige (spirituelle) Erfahrungen sind im Grunde genommen völlig banal, beispielsweise wenn du zum erstenmal so richtig bewusst wahrnimmst, wie du völlig sinnlos wütend wirst, bloss, weil auf dem Gehsteig eine Person dich rücksichtslos abdrängt.
Oder wenn du um jemanden trauerst, den du verloren hast. Zwar haben vor dir schon Millionen von Menschen ebenfalls getrauert, aber das ändert nicht das Geringste an deiner Situation. Eine Aufteilung in "banal" oder "nicht banal" ist somit m.E. ein bisschen vorschnell.
Das Allerbanalste ist hingegen Gott selbst. Er ist so buchstäblich überall um uns herum (und in uns drin), dass wir ihn gar nicht mehr wahrnehmen. Gleichzeitig ist dieses Banale oft so schön, dass es fernab von jeglicher Banalität ist. Wie sangen doch gleich die Beatles auf Abbey Road? "Because the sky is blue it makes me cry. Because the sky is blue." ("Weil der Himmel blau ist, bringt mich das zum weinen. Weil der Himmel blau ist.") Um das wahrzunehmen braucht man keine Meditation. Es genügt, in den Himmel zu schauen.
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Warum haben wir Angst vor dem Tod? Meine eigene Erfahrung war zuerst, dass ich vor dem Tod als Zustand der Nichtexistenz keine Angst habe. Wie du selbst bemerkt hast, ist es schlicht so, dass wenn man nicht mehr ist, man auch keine Angst zu haben braucht.
Ich realisierte als zweites, dass ich aber trotzdem Angst vor dem Sterben habe, und zwar einerseits relativ konkret vor möglicherweise auftretenden physischen Schmerzen, andererseits aber auch vor der Erfahrung, des völligen und unumkehrbaren Abstreifens von allen Dingen, die ich bisher um mich herum "gekannt" und noch viel wichtiger auch geliebt hatte.
Stell dir vor: Dein Körper ohne dich. Er wird verwesen und sich in Staub auflösen.
Stell dir vor: Deine Erinnerungen, deine Gefühle, deine Wut
, deine Verliebtheit, dein Herzklopfen beim ersten Date
, dein Rausch, wenn du auf einem hohen Berg stehst und hinunterschaust - alles weg.
Stell dir vor: Alle die Menschen, die du gemocht und geliebt hast, die du gekannt hast und mit ihnen einen Abschnitt des Lebens verbringen durftest, sie sind alle für dich weg.
Davor, so habe ich gemerkt, habe ich Angst. Nicht vor dem Tod an und für sich als Zustand, sondern vor dem damit einhergehenden Verlust.
Als drittes merkte ich, dass sich Punkt 1 und Punkt 2 gar nicht richtig trennen lassen. Kein Tod (also Nichtexistenz) ohne einhergehender Verlust und Schmerz.
Inzwischen bin ich so weit, dass ich glaube, dass es gar nicht darum geht, dass man keine Angst vor dem Tod hat. Mensch sein, heisst immer auch Angst oder Ängste haben. Was wäre ein Mensch ohne Angst vor gar nichts? Ein Psychopath! Es gilt nicht etwa keine Angst mehr zu haben, sondern lernen, mit seinen Ängsten umzugehen. Ein guter Spruch, den ich kenne, lautet: "Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass etwas anderes wichtiger ist, als die Angst." Das gilt ebenso für den eigenen Tod.
Da stellt sich aber gleich die Frage: Was ist wichtiger als der eigene Tod? Ich werde auf die Frage gleich zurückkommen.
Zuerst will ich festhalten, dass es - meiner Meinung nach - für das (getrennt existierende) Individuum nichts ernsthafteres als den eigenen Tod gibt, mit Ausnahme der eigenen Geburt, welche aber sowieso schon vorbei ist. Der Tod ist das letzte und endgültige Kriterium, an welchem sich ALLES entscheidet. Nur wer an der Schwelle des Todes steht, kann und muss auf sein Leben zurückschauen und es beurteilen. Und das ist dann keineswegs eine easy Sache. Im Gegenteil: Es geht um die eigene Existenz, und zwar sprichwörtlich! Es geht darum, ob man in diesem Moment das eigene Leben annehmen kann oder nicht.
(Ich glaube, dass daher die Vorstellung vom göttlichen Gericht stammt, das über einen gehalten wird. Hat der/die Betreffende ein "gutes" oder ein "schlechtes" Leben geführt? Gibt es Punkte, welche er/sie an sich selbst auch im Tod nicht annehmen und bejahen kann? Was überwiegt insgesamt?)
Wir halten fest, dass es für das (getrennt existierende) Individuum nichts wichtigeres als den eigenen Tod gibt.
Müssen wir somit (vgl. oben) immer auch Angst vor dem Tod/Sterben haben?
Ich glaube, die Antwort lautet nein. Denn es gibt tatsächlich etwas wichtigers, als das getrennt existierende Individuum. Und das ist das nicht getrennt existierende Individuum, bzw. anders benannt, der Mensch, welcher immer auch Teil eines grösseren Ganzen ist, das über seine eigene Existenz hinausgeht und ihn umfängt. Dieses Grössere ist vielerlei: Da gibt es das soziale Umfeld (Familie, Freunde usw.), da gibt es die gesellschaftlichen Systeme (Wirtschaft, Politik usw.), die Natur (biologisch gesehen ist der Mensch Teil der Biosphäre), und schliesslich - für alle Nichtatheisten - gibt es Gott.
Während unser soziales Umfeld nach unserm Tod weiterexistiert, bleibt ein Teil unseres Selbst auch darin lebendig bestehen, sei es als Erinnerungen in andern Personen, als Prägungen, welcher unser Leben auf die andern aufgedrückt hat, sei es, dass diese Menschen den Nachhall der Liebe spüren, den wir für sie in unserem Leben gehegt haben. Ähnliches gilt auch für die andern genannten Punkte.
Wer überdies daran glaubt, dass Gott vor dem Tod des Menschen mit diesem in Beziehung steht (oder gar in ihm "drin" ist) und das auch nach dem Tod noch so ist (denn Gott ist unsterblich, allumfassend und allwissend!), dann ist die Vorstellung des Menschen, er sei ein getrennt existierendes Individuum gar nicht richtig. Auch wenn er alles verliert und alle andern Menschen plötzlich weg wären - Gott wäre immer noch unmittelbar bei ihm. Wer glaubt, dass das eigene Leben ein Ausdruck von Gottes Grösse ist, von seinem Willen, seiner Liebe zur Schöpfung, wird plötzlich so völlig unwichtig gegenüber seiner Grösse und gleichzeitig so viel wertvoller, weil er Teil dieses grossen Ganzen ist (und nicht ein abgesplitterter getrennter Teil, sondern ein in ein grosses Ganzes eingebetteter, das ohne ihn nicht mehr das Grosse Ganze ist)!
Somit gibt es eine (zweiteilige) Antwort auf die Frage "Was ist wichtiger als der eigene Tod?" Sie lautet: "Nichts, denn der Tod ist das letzte Kriterium." Dieser Teil gilt für den Menschen, weil er ein einzigartiges Individuum ist, mit eigenem Willen begabt und jeder für sich selbst sterben muss. Die Antwort lautet aber auch: "Das grössere Ganze (bzw. Gott), weil jeder Mensch eben nicht nur und ausschliesslich ein eigenständiges Individuum ist, sondern immer auch ein Teil eines grösseren Ganzen."
Darum wird der Mensch immer Angst haben vor seinem Tod und auch tröstlich wissen dürfen, dass er keine Angst zu haben braucht. Weil er immer beides ist: Ein Teil eines grösseren Ganzen und auch ein getrennt existierendes Ich.
Ich hoffe, das hilft ein wenig weiter.
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Ich stimme übrigens Lunatica zu: Es gibt mehrere Meditationstechniken, die nicht harmlos sind und dich schlimmstenfalls den Verstand verlieren lassen können.
Greetz fckw