DUCKFACE schrieb:Eine totale Willensfreiheit ist demnach irreal.
Dann sind wir uns in diesem Punkt ja einig. Nun weiter.
DUCKFACE schrieb:Gewiss sind individuelle Willensentschlüsse von endogenen und exogenen Faktoren abhängig. Jedoch ist die Ausschließlichkeit dieser Abhängigkeit unbedingt zu dementieren.
Auch hier sage ich, eine völlige Unabhängigkeit von allen inneren und äußeren Einflüssen macht keinen Sinn. Wozu braucht es eine nicht-materielle Seele, die weder einer Vorherbestimmtheit unterworfen ist, noch dem Prinzip von Ursache und Wirkung? Dann wäre sie doch nichts weiter als ein Zufallsgenerator, eine Störgröße bei der Willensbildung.
Ich würde den freien Willen vielleicht als die Fähigkeit beschreiben, gedanklich einen Schritt zur Seite machen zu können, sich selbst und seine Situation ein Stück weit "von außen" zu betrachten. Uns unserer selbst Bewusst zu werden und das Ich von dem abzugrenzen, was nicht ich bin. Das versetzt uns in die Lage, uns als Teil einer Umwelt wahrzunehmen, in der unser Tun Folgen hat. Und diese Folgen, zumindest im Ansatz vorhersehen und gegeneinander abwägen zu können, ist für mich Willensbildung.
Mit dem Begriff der Freiheit kann ich in diesem Zusammenhang aber nicht wirklich etwas anfangen. Sich über einfache und unmittelbare Triebe oder Reize hinwegsetzen zu können, bedeutet ja noch lange nicht, frei in seinen Entscheidungen zu sein. Und doch ist man für sein Handeln verantwortlich. Man kennt die möglichen Konsequenzen, nimmt sie in Kauf und muss sie deshalb dann auch tragen.
DUCKFACE schrieb:Dann könnte das Gehirn dies auch ohne Bewusstsein und bewusstes Wollen. Wozu bedarf es bei diesen Erwägungsprozessen also der Bewusstseinskomponenten, wo liegt deren Selektionsvorteil begründet?
Da kann ich auch nur spekulieren. Vieles von dem, was uns zu Menschen macht, hat damit zu tun, dass wir extrem soziale Wesen sind. Keine andere Art hat z.B. eine so ausdifferenzierte Sprache entwickelt. Unser Nachwuchs ist mit Abstand am längsten auf Hilfe angewiesen. Die Muskulatur in unserem Gesicht ermöglicht uns eine Mimik, die im Tierreich absolut einzigartig ist. So, wie auch die Fähigkeit, dieses komplexe Minenspiel zu lesen. Wir sind so sehr darauf gepolt, Gesichter zu sehen und zu deuten, dass uns schon eine Kombination von Semikolon und Klammer zuzwinkert.
Vielleicht ging es bei der Entstehung des Bewusstseins deshalb gar nicht darum, sich selbst zu erkennen, sondern um zu erraten, was mein Gegenüber denken könnte. Sich in den anderen hineinzuversetzen und zu versuchen, seine Handlungen vorherzusagen. Wird er mich betrügen oder kann ich ihm vertrauen, was würde ich an seiner Stelle tun usw. Diese Fähigkeit könnte der Selektionsvorteil sein.
Diese zweite, "simulierte" Persönlichhkeitsebene, ermöglichte dann aber irgendwann auch den Blick zurück. Wie nimmt mich der andere wahr, was denkt er über mich, wie sieht das, was ich tue, von außen betrachtet aus.
DUCKFACE schrieb:Das Hirn könnte theoretisch auch ohne bewusste Reflexion rationale Entschlüsse fassen, zumal die Neurowissenschaftler ja postulieren, dass das Gehirn seine Entscheidungen bereits getroffen habe, bevor sie überhaupt ins Bewusstsein vordringen... Was soll das?
Da geht es aber um verhältnismäßig einfache Entscheidungen, nicht darum, ob man eine Famile gründet und/oder eine Bank überfällt.
DUCKFACE schrieb:Auch spezielle Roboter sind übrigens des vernünftigen Agierens fähig, ohne sich darüber im Klaren zu sein. Ergo: Rationales Handeln benötigt nichts Bewusstes.
Ich glaube, dann definierst du den Begriff der Vernunftbegabtheit aber ganz anders als ich.