Hallo Thorsten,
folgender Text aus dem Buch Von P.D. Ouspensky "Auf der Suche nach dem Wunderbaren (Perspektiven der Welterfahrung und der Selbsterkenntnis)" ist mir noch zu dem Thema Erwachen eingefallen.
Darin berichtet Ouspensky über seine achtjährige Arbeit als Schüler von Gurdjieff. Mir gefällt nicht alles aus dem ca. 600 Seiten dicken Buch, aber dieser Auszug trifft vielen Dinge, meiner Erfahrung nach, auf den Punkt.
Es ist halt ein bisschen lang, aber es sind nicht alle 600 Seiten - ich schwör's
Auszug aus diesem Buch (7.Kapitel), ein Bericht über die Gespräche von Ouspensky mit Gurdjieff:
Wir haben alle die Möglichkeit von Bewusstsein und seltene Augenblicke des Aufblitzens.
Sie werden dann sehen, dass Sie denken, fühlen, handeln, sprechen, arbeiten können, ohne sich dessen bewusst zu sein und wenn Sie lernen, in sich selbst die Augenblicke von Bewusstsein und die langen Zeitspannen des Mechanisiertseins zu sehen, dann werden Sie ebenso sicher auch an anderen erkennen, ob sie sich dessen, was sie tun, bewusst sind oder nicht.
Was ist das wichtigste, was wir während der Selbst-Beobachtung bemerken?
Keiner von Ihnen hat bemerkt, dass sie sich nicht Ihrer selbst erinnern. Bei Ihnen "Beobachtet es" genau so wie "es spricht", "es denkt", "es lacht". Um sich wirklich zu beobachten, muss man zuerst sich seiner selbst erinnern. Versuchen Sie, sich Ihrer selbst zu erinnern, während Sie beobachten. Nur die Ergebnisse, die von der Selbst-Erinnerung begleitet werden, haben überhaupt einen Wert. Sonst sind Sie selbst gar nicht an Ihren Beobachtungen beteiligt.
Ouspensky's Versuche von Selbst-Erinnerung führten zu keinen Ergebnis, ausser dass sie ihm zeigten, dass wir uns tatsächlich nie an uns selbst erinnern.
Dies ist eine sehr wichtige Einsicht. Menschen, die dies wissen, wissen schon sehr viel. Die Hauptschwierigkeit ist, dass niemand es weiss. Wenn Sie einen Menschen fragen, ob er sich seiner selbst erinnern könne, wird er natürlich antworten, dass er es könne. Wenn Sie ihm sagen, dass er sich nicht seiner selbst erinnern könne, wird er entweder auf Sie wütend werden, oder er wird Sie für einen vollständigen Narren halten. Die ganze menschliche Blindheit beruht darauf. Wenn ein Mensch wirklich weiss, dass er sich nicht seiner selbst erinnern kann, dann ist er schon dem Verständnis seines Seins nahegerückt.
Im Folgenden macht Ouspensky zahlreiche Versuche, sich seiner selbst zu erinnern und schreibt darüber:
Ich hatte früher einige Experimente in der Richtung gemacht, meine Gedanken zum Stillstand zu bringen, wie es in den Büchern über Yoga-Übungen erwähnt wird. Und meine ersten Versuche, mich meiner selbst zu erinnern, riefen in mir diese meine ersten Experimente ins Gedächtnis. Tatsächlich war es fast das gleiche mit dem Unterschied, dass beim Anhalten der Gedanken die Aufmerksamkeit ganz auf die Anstrengung gerichtet ist, keinen Gedanken zuzulassen, während bei der Selbst-Erinnerung die Aufmerksamkeit geteilt wird, ein Teil wird auf die gleiche Anstrengung gerichtet und der andere Teil darauf, sich selbst zu empfinden.
Wenn ich etwas beobachte, wird meine Aufmerksamkeit auf den beobachteten Gegenstand gerichtet - eine Linie mit einer Pfeilspitze.
ich => der beobachtete Gegenstand
Wenn ich gleichzeitig versuche, mich meiner selbst zu erinnern, wird meine Aufmerksamkeit sowohl auf den beobachteten Gegenstand als auch auf mich gerichtet.
ich <=> der beobachtete Gegenstand
Nachdem ich dies definiert hatte, sah ich, dass das Problem darin bestand, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten, ohne die auf einen anderen Gegenstand gerichtete Aufmerksamkeit zu schwächen oder zu vernachlässigen. Ferner konnte sich dieser "andere Gegenstand" sich sowohl innerhalb als auch ausserhalb von mir befinden. Es ist ein vollkommen neuer und sehr interessanter Zustand, der mir merkwürdig bekannt vorkam.
Zweitens erkannte ich, dass Augenblicke von Selbst-Erinnerung im Leben, wenn auch selten, vorkommen. Nur die absichtliche Erzeugung solcher Augenblicke schuf eine Empfindung von Neuheit. Tatsächlich war ich seit frühester Jugend mit ihnen bekannt. Sie traten entweder in neuen und unerwarteten Umgebungen auf oder an einem Ort, bei einer Reise unter neuen Menschen. Oder in Augenblicken sehr starken Gefühls, in Augenblicken von Gefahr, in Augenblicken, da es notwendig ist, den Kopf nicht zu verlieren, da man seine eigene Stimme hört und sich selbst von aussen sieht und beobachtet.
***
Manchmal war das Selbsterinnern nicht erfolgreich.
Ich spazierte einmal den Litejnij entlang in Richtung auf den Newsky (grosse Einkaufsstrasse in St. Petersburg, zumindest um 1914, Anmerk. von mir), und trotz aller Anstrengung war ich unfähig, meine Aufmerksamkeit längere Zeit auf das Selbst-Erinnern zu richten. Der Lärm, die Bewegung, alles lenkte mich ab. Jeden Augenblick verlor ich den Faden meiner Aufmerksamkeit, fand ihn wieder und verlor ihn wieder. Schliesslich fühlte ich eine Art lächerlichen Ärgers über mich und bog in die Strasse nach links ein; ich hatte mich fest entschlossen, meine Aufmerksamkeit wenigstens für einige Zeit, jedenfalls bis ich die folgende Strasse erreicht haben würde, darauf zu konzentrieren, mich meiner selbst zu erinnern. Ich erreichte die Nadejzdinskaja, ohne den Faden der Aufmerksamkeit, ausser vielleicht für kurze Momente, zu verlieren. Hierauf wandte ich mich wieder dem Newsky zu und erkannte, dass es in ruhigen Strassen für mich leichter war, den gedanklichen Faden nicht zu verlieren; deshalb wollte ich es auch lärmigeren Strassen versuchen. Beim Erreichen des Newsky erinnerte ich mich noch meiner selbst und begann bereits, den seltsamen Gefühlszustand inneren Friedens und Vertrauens zu verspüren. Gerade um die Ecke am Newsky war ein Tabakladen, wo meine Zigaretten angefertigt wurden. Immer noch meiner selbst erinnernd, dachte ich dort vorzusprechen und einige Zigaretten zu bestellen.
Zwei Stunden später erwachte ich in der Tawritscheskaja, das heisst weit weg von dort. Ich fuhr mit einem Iswostschik zu den Druckern. Die Empfindung des Erwachens war erstaunlich lebendig. Ich kann beinahe sagen, dass ich zu mir kam. Sofort erinnerte ich mich an alles. Wie ich entlang der Nadejzdinskaja spaziert war, wie ich mich meiner selbst erinnert hatte, wie ich an Zigaretten gedacht hatte und wie ich bei diesem Gedanken anscheinend in tiefen Schlaf versunken war.
Gleichzeitig hatte ich, während ich in diesen Schlaf versunken war, weiter zusammenhängende und nützliche Handlungen ausgeführt. Ich hatte den Tabakhändler verlassen, war in meine Wohnung in der Litejnij gegangen und hatte mit den Druckern telefoniert. Ich hatte zwei Briefe geschrieben. Dann war ich wieder aus dem Haus gegangen. Ich war auf der linken Seite des Newsky bis zum Gostinij Dvor gegangen in der Absicht, zur Offizerskaja zu gelangen. Dann hatte ich meine Absicht geändert, weil es spät geworden war. Ich hatte einen Iswostschik gedungen und war zur Kavalergardskaja zu meinen Druckern gefahren. Und auf dem Weg, während ich die Tawritscheskaja entlang fuhr, begann ich eine merkwürdige Unruhe zu verspüren, als ob ich etwas vergessen hätte. - Und plötzlich erinnerte ich mich, dass ich vergessen hatte, mich meiner selbst zu erinnern.
Alles Liebe Dir
sam
folgender Text aus dem Buch Von P.D. Ouspensky "Auf der Suche nach dem Wunderbaren (Perspektiven der Welterfahrung und der Selbsterkenntnis)" ist mir noch zu dem Thema Erwachen eingefallen.
Darin berichtet Ouspensky über seine achtjährige Arbeit als Schüler von Gurdjieff. Mir gefällt nicht alles aus dem ca. 600 Seiten dicken Buch, aber dieser Auszug trifft vielen Dinge, meiner Erfahrung nach, auf den Punkt.
Es ist halt ein bisschen lang, aber es sind nicht alle 600 Seiten - ich schwör's
Auszug aus diesem Buch (7.Kapitel), ein Bericht über die Gespräche von Ouspensky mit Gurdjieff:
Wir haben alle die Möglichkeit von Bewusstsein und seltene Augenblicke des Aufblitzens.
Sie werden dann sehen, dass Sie denken, fühlen, handeln, sprechen, arbeiten können, ohne sich dessen bewusst zu sein und wenn Sie lernen, in sich selbst die Augenblicke von Bewusstsein und die langen Zeitspannen des Mechanisiertseins zu sehen, dann werden Sie ebenso sicher auch an anderen erkennen, ob sie sich dessen, was sie tun, bewusst sind oder nicht.
Was ist das wichtigste, was wir während der Selbst-Beobachtung bemerken?
Keiner von Ihnen hat bemerkt, dass sie sich nicht Ihrer selbst erinnern. Bei Ihnen "Beobachtet es" genau so wie "es spricht", "es denkt", "es lacht". Um sich wirklich zu beobachten, muss man zuerst sich seiner selbst erinnern. Versuchen Sie, sich Ihrer selbst zu erinnern, während Sie beobachten. Nur die Ergebnisse, die von der Selbst-Erinnerung begleitet werden, haben überhaupt einen Wert. Sonst sind Sie selbst gar nicht an Ihren Beobachtungen beteiligt.
Ouspensky's Versuche von Selbst-Erinnerung führten zu keinen Ergebnis, ausser dass sie ihm zeigten, dass wir uns tatsächlich nie an uns selbst erinnern.
Dies ist eine sehr wichtige Einsicht. Menschen, die dies wissen, wissen schon sehr viel. Die Hauptschwierigkeit ist, dass niemand es weiss. Wenn Sie einen Menschen fragen, ob er sich seiner selbst erinnern könne, wird er natürlich antworten, dass er es könne. Wenn Sie ihm sagen, dass er sich nicht seiner selbst erinnern könne, wird er entweder auf Sie wütend werden, oder er wird Sie für einen vollständigen Narren halten. Die ganze menschliche Blindheit beruht darauf. Wenn ein Mensch wirklich weiss, dass er sich nicht seiner selbst erinnern kann, dann ist er schon dem Verständnis seines Seins nahegerückt.
Im Folgenden macht Ouspensky zahlreiche Versuche, sich seiner selbst zu erinnern und schreibt darüber:
Ich hatte früher einige Experimente in der Richtung gemacht, meine Gedanken zum Stillstand zu bringen, wie es in den Büchern über Yoga-Übungen erwähnt wird. Und meine ersten Versuche, mich meiner selbst zu erinnern, riefen in mir diese meine ersten Experimente ins Gedächtnis. Tatsächlich war es fast das gleiche mit dem Unterschied, dass beim Anhalten der Gedanken die Aufmerksamkeit ganz auf die Anstrengung gerichtet ist, keinen Gedanken zuzulassen, während bei der Selbst-Erinnerung die Aufmerksamkeit geteilt wird, ein Teil wird auf die gleiche Anstrengung gerichtet und der andere Teil darauf, sich selbst zu empfinden.
Wenn ich etwas beobachte, wird meine Aufmerksamkeit auf den beobachteten Gegenstand gerichtet - eine Linie mit einer Pfeilspitze.
ich => der beobachtete Gegenstand
Wenn ich gleichzeitig versuche, mich meiner selbst zu erinnern, wird meine Aufmerksamkeit sowohl auf den beobachteten Gegenstand als auch auf mich gerichtet.
ich <=> der beobachtete Gegenstand
Nachdem ich dies definiert hatte, sah ich, dass das Problem darin bestand, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten, ohne die auf einen anderen Gegenstand gerichtete Aufmerksamkeit zu schwächen oder zu vernachlässigen. Ferner konnte sich dieser "andere Gegenstand" sich sowohl innerhalb als auch ausserhalb von mir befinden. Es ist ein vollkommen neuer und sehr interessanter Zustand, der mir merkwürdig bekannt vorkam.
Zweitens erkannte ich, dass Augenblicke von Selbst-Erinnerung im Leben, wenn auch selten, vorkommen. Nur die absichtliche Erzeugung solcher Augenblicke schuf eine Empfindung von Neuheit. Tatsächlich war ich seit frühester Jugend mit ihnen bekannt. Sie traten entweder in neuen und unerwarteten Umgebungen auf oder an einem Ort, bei einer Reise unter neuen Menschen. Oder in Augenblicken sehr starken Gefühls, in Augenblicken von Gefahr, in Augenblicken, da es notwendig ist, den Kopf nicht zu verlieren, da man seine eigene Stimme hört und sich selbst von aussen sieht und beobachtet.
***
Manchmal war das Selbsterinnern nicht erfolgreich.
Ich spazierte einmal den Litejnij entlang in Richtung auf den Newsky (grosse Einkaufsstrasse in St. Petersburg, zumindest um 1914, Anmerk. von mir), und trotz aller Anstrengung war ich unfähig, meine Aufmerksamkeit längere Zeit auf das Selbst-Erinnern zu richten. Der Lärm, die Bewegung, alles lenkte mich ab. Jeden Augenblick verlor ich den Faden meiner Aufmerksamkeit, fand ihn wieder und verlor ihn wieder. Schliesslich fühlte ich eine Art lächerlichen Ärgers über mich und bog in die Strasse nach links ein; ich hatte mich fest entschlossen, meine Aufmerksamkeit wenigstens für einige Zeit, jedenfalls bis ich die folgende Strasse erreicht haben würde, darauf zu konzentrieren, mich meiner selbst zu erinnern. Ich erreichte die Nadejzdinskaja, ohne den Faden der Aufmerksamkeit, ausser vielleicht für kurze Momente, zu verlieren. Hierauf wandte ich mich wieder dem Newsky zu und erkannte, dass es in ruhigen Strassen für mich leichter war, den gedanklichen Faden nicht zu verlieren; deshalb wollte ich es auch lärmigeren Strassen versuchen. Beim Erreichen des Newsky erinnerte ich mich noch meiner selbst und begann bereits, den seltsamen Gefühlszustand inneren Friedens und Vertrauens zu verspüren. Gerade um die Ecke am Newsky war ein Tabakladen, wo meine Zigaretten angefertigt wurden. Immer noch meiner selbst erinnernd, dachte ich dort vorzusprechen und einige Zigaretten zu bestellen.
Zwei Stunden später erwachte ich in der Tawritscheskaja, das heisst weit weg von dort. Ich fuhr mit einem Iswostschik zu den Druckern. Die Empfindung des Erwachens war erstaunlich lebendig. Ich kann beinahe sagen, dass ich zu mir kam. Sofort erinnerte ich mich an alles. Wie ich entlang der Nadejzdinskaja spaziert war, wie ich mich meiner selbst erinnert hatte, wie ich an Zigaretten gedacht hatte und wie ich bei diesem Gedanken anscheinend in tiefen Schlaf versunken war.
Gleichzeitig hatte ich, während ich in diesen Schlaf versunken war, weiter zusammenhängende und nützliche Handlungen ausgeführt. Ich hatte den Tabakhändler verlassen, war in meine Wohnung in der Litejnij gegangen und hatte mit den Druckern telefoniert. Ich hatte zwei Briefe geschrieben. Dann war ich wieder aus dem Haus gegangen. Ich war auf der linken Seite des Newsky bis zum Gostinij Dvor gegangen in der Absicht, zur Offizerskaja zu gelangen. Dann hatte ich meine Absicht geändert, weil es spät geworden war. Ich hatte einen Iswostschik gedungen und war zur Kavalergardskaja zu meinen Druckern gefahren. Und auf dem Weg, während ich die Tawritscheskaja entlang fuhr, begann ich eine merkwürdige Unruhe zu verspüren, als ob ich etwas vergessen hätte. - Und plötzlich erinnerte ich mich, dass ich vergessen hatte, mich meiner selbst zu erinnern.
Alles Liebe Dir
sam