Maryem
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Das Internet hat einige immense Vorteile.
Informationen, die vorher nur mühsam zu bekommen waren sind plötzlich zuhauf verfügbar.
In den Anfangsjahren des Internets überwog der Anteil substantieller Informationen gegenüber Shops und Stammtisch.
Allerdings sind auch Lügen leichter zu verbreiten und – das ist Kritikpunkt 1 – meiner Erfahrung nach fehlt den Menschen die Fähigkeit, wirklich zu fühlen, was stimmig ist und was nicht. Es könnte im Kindergarten und in der Grundschule gelernt werden, aber dann wäre nicht so viel Geld verdienen mit Täuschung und Betrug möglich ("kaufe Dir das grössere Auto!" "sieh aus wie X und kauf Y!"), von ideologisch verbrämten Täuschungen fange ich gar nicht erst an. Das auszuführen dauert mir jetzt zu lange, das ist ein halbes Buch Inhalt.
Kritikpunkt 2: Die Gehirnforschung hat herausgefunden, dass das Lesen einer Information auf dem Bildschirm gegen das Lesen auf einem Blatt Papier signifikant schlechter abschneidet: es kommt nix an. Zum Beispiel ist die Bildwiederholfrequenz nicht geeignet die Wahrnehmung zu fördern. Es ist also paradox: Informationen sind leichter greifbar, aber sie sind schwerer erlernbar.
Kritikpunkt 3: Die Maske kann nicht gelüftet werden, wird tendenziell sogar verstärkt bis verhärtet. Das Internet scheint ein Echoraum zu sein, in dem man nur sein eigenes Echo hört (Hashtags, Google und Cookies haben den einzigen Sinn, das zu verstärken). Es versagt im Bereich tiefergehender Kontakt völlig, wenn nicht bereits dasselbe Interesse und dieselbe Tiefe vorhanden ist.
Videotelefonate, Videositzungen sind nur insofern sinnvoll, als man sich vorher gut aus dem echten Leben kennt oder eben bereits dezidiert dasselbe Interesse und dieselbe Tiefe hat. Alles andere schlägt zu oft fehl. Eine ergebnisoffene Diskussion scheitert allermeistens wegen fehlender Konfliktkultur bereits von Angesicht zu Angesicht, sovielmehr im virtuellen Raum.
Kontaktanbahnung vereinfacht das Internet, da es Informationen viel leichter zugänglich macht.
Heute leidet die Qualität der Information jedoch aus verschiedenen Motiven heraus, die alle mit (Selbst-)Täuschung zu tun haben.
Bereits bestehende Kontakte lassen sich mit Internet leichter aufrecht erhalten.
Die Spaltung, der Konflikt wird durch die heute übliche Nutzung des Internets offensichtlich gefördert.
Wir haben keine konstruktive Konfliktkultur (dafür kann das Internet nix, es wirkt wie eine Lupe dafür).
Wir haben keine Kultur dafür unsere inneren Konflikte konstruktiv zu bearbeiten und hatten bereits vor den Zeiten des Internets die Tendenz andere für unser Befinden verantwortlich zu machen, das Internet wirkt hier wie eine Lupe, ein Brennglas.
Hat das etwas mit dem zu tun, was Du wahrnimmst, fühlst?
Ja, das hat einiges mit dem zu tun, was ich fühle. Natürlich sehe ich die Vorteile des Internets, aber gefühlsmässig überwiegen die Nachteile. Das mag daran liegen, dass die technischen Entwicklungen die ganzen Individualisierungsprozesse in der Gesellschaft eben auch mitmachen. Das hat in gewissen Bereichen sicher auch Vorteile, aber eben...Mit dem Vergleich mit dem Brennglas hast du es für mich ziemlich gut auf den Punkt gebracht.
Dabei belass ich es dann aber mal.