Hallo Suena
Das dachte ich auch, nachdem mein Sohn gestorben war. Ich hatte mich geirrt. Was weitaus schlimmer für mich war, war das Verhalten einiger Menschen; Bemerkungen wie: "Da musst du jetzt aber drüber weg sein", wenige Monate danach. Oder die Tatsache, dass mein Mann und ich es nicht schafften, uns in der Trauer anzunähern. Wirklich weh tat das Verhalten meiner Mutter. Ich hatte ihr ausdrücklich gesagt, dass ich selbst die Menschen benachrichtigen werde, denen ich davon erzählen möchte. Am nächsten Tag rief ich meine beste Freundin an. Ich konnte hören, dass sie weinte, ehe ich etwas sagen konnte. So fragte ich sie, woher sie davon wüsste. Sie sagte: "Von deiner Mutter."
Ich war soooo wütend. Meine Schwester fragte, ob ich das meiner Mutter sagen wolle, ich nickte. Meine Schwester wählte und hielt mir den Hörer hin und ich fragte meine Mutter, weshalb sie das gegen meinen ausdrücklichen Willen getan habe. Sie habe es gut gemeint... Mehr habe ich nicht mehr wahrgenommen in meinem Zorn, meiner Empörung.
Es ging dann auf das Begräbnis zu und ich teilte meinem Vater den Termin mit. Er meinte, er und Mutter würden wohl nicht kommen, sondern wegfahren, da Mutter zutiefst verletzt sei ob meiner Reaktion.
Später erfuhr ich, was für einen Aufstand meine Mutter gemacht hatte, unter anderem hatte sie damit gedroht, sich eine Überdosis Insulin zu spritzen.
Etwa drei Monate später besuchte sie mich und erzählte mir, sie käme mit diesem Tod nicht zurecht. Sie fiel vor mir auf die Knie und bettelte, ich möge ihr helfen, denn ich sei ja so stark. Ich hatte überhaupt keine Idee, was ich damit anfangen soll.
Jahre später erst habe ich begriffen, wie verdreht das alles war. Es war meiner Mutter nicht möglich, mir meine Trauer um mein Kind zu lassen. Heute habe ich eine Ahnung, weshalb sie das tat und mein tiefer Groll auf sie ist weg.
Was ich nie für möglich gehalten hätte war, dass mich etwas anderes als dieser Tod meines Sohnes sehr treffen könne. Ich fühlte mich auf gewisse Weise unverwundbar. Dass das eine Illusion vom Feinsten war, erfuhr ich durch eine Beziehung zu einem Mann, der mich durch sein Verhalten in sehr bedrohliche Situationen brachte. Es gab keinen Tag, an dem ich mich nicht wie durch den Wolf gedreht, gebraten und gekocht fühlte und nicht wenige Tage, an denen ich kurz davor war, mich in die Psychiatrie einweisen zu lassen. Das alles dauerte wesentlich länger und fühlte sich schmerzlicher an als der Tod meines Kindes. Es war aber auch für etwa gut. Das Verhalten dieses Mannes und meine Reaktionen darauf zeigten mir, dass meine Wahrnehmung zwar verdreht, aber nicht völlig daneben war, auch wenn sie wieder und wieder erschüttert wurde. Um sie zu stärken, klebte ich an Türen, Spiegel und Schränke Notizzettel mit dem Satz: "Ich traue meiner Wahrnehmung". Das war eine gute Idee.
Ja, so ist es bei mir auch.

Wenn ich nach eigenen Kindern gefragt werde, sehe ich vor meinem inneren Auge zwei und habe auch zwei im Herzen.
Liebe Grüße
Rita