Ich habe beim Durchlesen deines Beitrags grade entdeckt, was für eine emotionale Lücke bei mir gegenüber dem Thema "Eltern" klafft... das fühlt sich wirklich zum Großteil noch an wie anästhesiert... und drum frage ich jetzt zur Sicherheit nach, weil ich da nix mitempfinden kann.
Warum war dein Vater für dich Täter? Und nicht eigentlich deine Mutter? Denn dein Vater konnte ja nichts für sein Fortgehen... deine Mutter war ja unaufrichtig... mir ist in mir drin nicht klar, was du da deinem Vater genau vorwirfst (also ich mein das jetzt genau in deinem Sinn, was du da in dir als Vorwurf gegenüber dem Vater erlebt hast).
Bis später
Kinny
Ich werfe ihm natürlich gar nichts vor, aber ich habe das Gefühl der Wut in mir entdeckt ihm gegenüber. Die Wut, verlassen worden zu sein, ohne Abschied und als Kind auch ohne Möglichkeit, dies zu verstehen.
Als ich das Gefühl entdeckte war ich 21. Da habe ich mich zum ersten Mal mit dem Gefühl der Trauer auseinandergesetzt, und das hat dann auf mein eigenes Erleben rück-reflektiert. Es hat mich gelöst, meine Erinnerung an mein Gefühl ausgelöst. War eine gute Gruppe... die hat das auffangen können. Bei der AIDS-Hilfe, wo ich als ehrenamtlicher Betreuer von HIV-Positiven und AIDs-Kranken gearbeitet habe, war das.
Aber dann habe ich es erst mal wieder weggepackt, weil auch aufgrund dieser Beschäftigung andere Leute um mich herum starben. Es ist ja so, daß es Auslöser geben muß, damit man sich mit dem eigenen verdrängten Quark beschäftigt, sonst ist man ja immer mit irgendetwas Anderem beschäftigt, auch um sich vom eigenen Leid abzulenken.
Mit 30 war dann ein Moment gekommen, wo dieser Auslöser bei mir "ankam" und mir deutlich gemacht wurde von Ärzten, daß es ein gute Moment sei, um sich mit der eigenen Endlichkeit mal auseinander zu setzen. Da ging es dann nicht mehr daran vorbei, daß ich mir die Disharmonien in mir anschaue und suche, wo meine eigene Mitte ist. Ein langer langer Weg, den zu finden.... aber heute bin ich in ihr drin, oder gehe aus ihr raus wie es mir beliebt. Das ist ein schönes Gefühl.
Zwischen dem Heute und dem 30-Sein lag ein Tal, was die eine Seite des Lebens betrifft: die Gesundheit und die Gedanken an die eigene Vergangenheit und Zukunft. Beides ging in mir nicht überein, ich fühlte in meiner Vergangenheit keine Ressourcen, um eine gesunde Zukunft mir aufzubauen. Ich war alle, leer, ausgebrannt und völlig am Ende und es gab kein Organ, das mir nicht deutlich guten Tag gesagt hätte in dieser Zeit. Allen voran das Herz, der Darm und der Magen, die sich mit eigenen Vorstellungen von Kontraktion, Stoffwechsel und Wohlbefinden immer mehr durchsetzten, die mit meinen eigenen Vorstellungen aber nicht mehr überein gingen.
Nun ja, da habe ich gemerkt: wenn Du jetzt nicht husch machst, dann geht irgendwann gar nichts mehr und Du bist in einer Einbahnstraße. Damals habe ich mein gesamtes altes Leben von jetzt auf gleich beendet. Ich stellte fest, daß ich nichts mehr machen kann, daß ich mich hingeben muß an dieses Leben, um es zu leben, durch Gesundheit und Krankheit hindurch. Und dann hat mir ein Herr namens Jesus Christus geholfen und mit gezeigt, wer ich bin. So ist das. Heute weiß ich das auch ohne ihn wieder, aber damals wußte ich das nicht.
Dieses Erlebnis mit dem Jesus Christus war eine für mich so mächtige Vision, ein so unfaßbar riesiges Erleben in wenigen visionären Momenten, daß ich ab diesem Ereignis merkte: ich kann es nicht halten. Ich habe nicht die Stärke, die ich bräuchte, um mein Leben weiter zu leben. Mein Leben geht mir verloren.
Da habe ich dann begonnen zu trauern. Um mich, um mein Leben so wie es war und auch über das, was daraus geworden war. Über meine Hilflosigkeit als Kind, wie ich dalag und das Telefon klingelte, wie ich wußte, "jetzt ist Papa tot". Heute lebt mein Vater in mir weiter und ich sehe das im Spiegel, merke es an meinem Tun und an meinem Sein, weil ich mich wieder an ihn erinnere. Ich hatte ihn nämlich zur Strafe, daß er mich alleingelassen hat, vergessen, sowie mein gesamtes Leben etwa bis zum 12. Lebensjahr. Aber: die Festplatte hatte es dann doch abrufbar gespeichert, ich mußte nur erst meine eigenen Energien lösen, damit die Erinnerung wieder frei wurde.
Seit ich ihn nicht mehr ablehne und meinen Papa wiederhabe, habe ich immer mehr das körperliche Gefühl, sein Sohn zu sein. Ich spüre das in mir drin, als Bewußtsein, das ich in einem Körpergefährt hocke und es belebe. Dies hier ist der Körper meines Vaters, zu 50%, was die körperlichen Eigenschaften betrifft. Die anderen 50% sind von meiner Mutter. Das kann ich heute spüren, annehmen und so lassen, und das ist für meine Gesundheit megawichtig, wie ich gelernt habe. Solange ich in dem inneren Auseinandersetzungsprozeß mit den beiden steckte, ging es mir nämlich körperlich recht dreckig. Wahrscheinlich lege ich deshalb soviel Wert darauf, daß es letztendlich in Richtung der Harmonie geht, auch wenn man mal zuerst in sich die ganzen Disharmonien entdeckt.
Ja. Hm, eigentlich hat man ja ein recht oberflächliches Leben gelebt, damals. So in Abhängigkeiten. Weil wahre Worte lassen solche "Verhältnisse", in denen man sich so und so verhält, ja nicht zu. Man hat es aber eben auch nicht erkannt, was falsch war, und also hat man immer brav mitgemacht, weil man es nicht besser wußte. Tja, so ist das mit Lernprozessen wie dem Leben.
