Cruyr: Ich würde meinen: wenn es verletzt, ist es Liebe.
Ladystardust: Warum? Ich meine, Du kannst nur verletzt werden, wenn Deine Erwartungen und Bedürfnisse nicht erfüllt werden, Deine Regeln gebrochen werden. Das aber sind Einrichtungen des Egos, nicht der Seele. Wenn Du liebst, möchtest Du geben, ohne dass Du etwas zurück erwartest (sehr hohes Ideal, ich weiss...). Wenn Du es doch bekommst, ist es ein zusätzliches Geschenk, Grund für Dein Handeln ist jedoch Liebe zum anderen.
Wen Du liebst, den liebst Du, weil er so ist, wie er ist. Wäre er anders, würdest Du ihn wahrscheinlich nicht lieben. Du findest Gefallen an ihm, genießt seine Eigenschaften. Der Grund für Dein Handeln ist zwar Liebe, aber gleichzeitig auch Egoismus. Es ist wie mit Licht und Schatten, Yang und Yin. Das eine kann nicht ohne das andere sein, weil beides eins ist. Es gibt kein Geben ohne Nehmen.
Wenn es Dir kein Bedürfnis wäre, Deinen Partner zu lieben, würdest Du es nicht tun. Selbst die sogenannte bedingungslose Liebe ist dem Menschen, der so lieben kann, ein Bedürfnis und Genuß, und damit egoistisch. Dieser Mensch hat vielleicht in seinem vorherigen Leben viel Leid angerichtet und sein Gewissen heißt ihn in diesem Leben, seine Schuld wiedergutzumachen.
Der Egoist erkennt sich als alles. Indem er allem dient, handelt er selbstlos.
Der Altruist erkennt in allem sich. Indem er sich dient, handelt er egoistisch.
Darum gilt letztlich: Egoismus = Altruismus.
Man spricht von selbstischer und selbstloser Liebe, unterscheidet zwischen bloßer Begierde ("Liebe") und Mitleid/Barmherzigkeit (wahre, bedingungslose Liebe). Ist aber die leidenschaftliche, begehrende Liebe keine echte Liebe? Ich denke, so leicht läßt sich nicht zwischen falscher und echter Liebe unterscheiden. Die Liebe tritt nie rein, d.h. ohne jegliche Absicht auf Genuß, auf.
Vielleicht könnte man zwischen Freundes- und Feindesliebe unterscheiden. Bei der Freundesliebe liebt man alles, womit man identifiziert ist, was im weiteren Sinne zum "Ich" gehört und bringt dafür Opfer, indem man es gegen Feinde behauptet und verteidigt. Bei der Feindesliebe besteht das Liebesopfer in der Überwindung der Feindschaft. Vielleicht könnte man auch zwischen involutionärer und evolutionärer Liebe unterscheiden. Liebe ist es in jedem Falle, und sie sind gleichwertig, was nicht heißt, daß man sie nicht verschieden bewerten kann.
Die Schönheit, die Du im Partner erkennst, ist Deine eigene Schönheit, denn ohne Deinen Sinn für seine Schönheit, würdest Du sie nicht erblicken können, ja, es gäbe sie nicht. Der Partner ist gewissermaßen Deine eigene Schöpfung. Wenn Du ihn liebst, liebst Du Dich. Individuation ist doch eine Täuschung.
Wenn es verletzt, ist es Liebe und Hass, denn auch Liebe und Hass sind ein und dasselbe. Alles ist im Grunde vollkommen. Darum ist in allem alles. Es kommt nur darauf an, es zu erkennen.
Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen Ego und Seele. Der Mensch ist Schöpfergeschöpf, genau wie Gott. Auch das Ego will geliebt sein, ist es doch göttlich.
Ich würde sagen, das Maß für die Intensität oder Größe der Liebe ist die Bereitschaft, für sie bzw. für das geliebte Wesen zu leiden. Das läßt sich jedoch relativieren: Wenn wir davon ausgehen, daß Liebe nur das Wohl des anderen sucht, stellt sich die Frage, was denn dieses Wohl sei. Daß es ihm immer gut geht? Damit tötet man ihn. Ein Mensch, der nie Schmerz gefühlt hat, kennt kein Mitleid. Wer kein Mitleid kennt, ist grausam. Wer grausam ist, ist seelisch tot. Liebe ist somit ein Verbrechen. Es kann nicht wahre Liebe sein, alles Leid vom andern fernzuhalten. Was ist dann wahre Liebe? Eine Illusion, wie alles. Maja.
Ladystardust: Liebe hat sehr viel mit Loslassen zu tun. Loslassen und Vertrauen. Wenn Du liebst, kannst Du nichts verlieren.
Die Liebe des anderen ist ein Geschenk, das Dir freiwillig gegeben wird, zutiefst freiwillig.
Liebe hat auch viel mit Begehren und Festhalten zu tun. Liebe kann man erarbeiten. Man kann etwas oder jemanden liebgewinnen. Wenn man liebt, kann man viel verlieren. Liebe kann beim anderen Hass erzeugen. Liebe kann einen Kopf und Kragen kosten. Liebe und Leid sind ein Team, das Hand in Hand arbeitet und das den Menschen zum Menschen macht.
Liebe ist ein Geschenk, das einem nicht zufällig überreicht wird, sondern exakt dann, wenn man die Resonanz dazu (ermöglicht/geschaffen) hat. Der Partner ist praktisch das Opfer dieser Resonanz: er muß sein Geschenk abliefern, Freiwilligkeit hin oder her. Insofern er einen Grund hat, Dir seine Liebe zu schenken und nicht zu verweigern, ist sein Handeln bedingt, somit nicht frei. Hätte er keinen Grund, könnte er sich nicht entscheiden und damit auch nicht lieben.
Ladystardust: Wenn die Liebe gegangen ist und der Mensch sich entschließt, Dich nicht mehr zu lieben, verlierst Du nichts, denn die Liebe hat Dir nie gehört, sie wurde Dir geschenkt.
Wenn sie mir geschenkt wurde, sollte sie mir doch eigentlich gehören. Bei Geschenken ist das gewöhnlich so, oder etwa nicht? Nun scheint die Liebe etwas Außer- und Übermenschliches zu sein. Sie kommt und geht, wann es ihr gefällt, und die Menschen haben keinen Einfluß auf sie, etwa so, wie sie keinen Einfluß auf das Einschlafen haben. Damit wird die Liebe von Dir zum unbewußten Willen gerechnet. Man will nicht, man läßt voller Vertrauen geschehen, gibt sich hin.
Das kann dann aber nur funktionieren, wenn ein anderer Dich begehrt und auf Dich zugeht. Ein Mensch, der zu dieser (vertrauenvollen) Art Liebe neigt, würde seinem Partner etwa sagen: "Ich liebe Dich heute, aber ob ich Dich morgen noch liebe, das weiß ich nicht." Auf diese Art Liebe kann man nicht bauen oder doch? Dafür ist sie natürlich und echt, solange sie währt.
Wenn sich der Mensch entschließt, Dich nicht mehr zu lieben, war seine Liebe womöglich doch kein Geschenk, sondern eine Gabe, an die er Bedingungen geknüpft hatte. Es sind ja offenbar neue Bedingungen eingetreten, die ihn dazu veranlassen, seine Liebe zu Dir einzustellen.
Obwohl es nur eine Liebe gibt, finden wir so viele Arten Liebe vor, wie es Menschen gibt. (Und jeder glaubt, er sei im Besitz der einzig wahren Liebe.) Wir können nicht erklären, was wahre Liebe ist, wir wissen es nicht. Aber wir diskutieren unzählige Threads darüber, so, als wüßten wir es. Wir müssen wissen, was wir nicht wissen können. Wir müssen Entscheidungen treffen und können nicht bis auf den Grund erkennen, was gut und was böse, was richtig und was falsch ist. Wir können Liebe nicht von Haß unterscheiden und verstricken uns in Schuld. Wer würde sich auch freiwillig schuldig machen?!
Ladystardust: Wenn die Liebe gegangen ist, ist sie ja nicht mehr da, somit gibt es nichts, was Du Dir zurückwünschen kannst.
Wo ist sie denn auf einmal hin, die selbstlose Liebe? Und warum ist sie fortgegangen? Wenn sie nicht mehr hier ist, muß sie woanders sein! Sie kann sich schließlich nicht in Nichts aufgelöst haben. Warum also sollte ich sie mir nicht zurückwünschen können? Soviel kann es mit der Liebe nicht auf sich haben. Was geht und kommt ist nicht(s). Was aber ist, das bleibt auch.
Ladystardust: Was Du tatsächlich verlierst, ist eine schöne Zeit, ein schönes Gefühl (und je nach Verbandelung Wohnung, Geld, Freunde etc), aber letztlich nur das drumherum, und die Vergangenheit.
Was ist eine schöne Zeit, was ist Vergangenheit? Nichts! Oder alles? Wenn Liebe etwas ist, ein Geschenk ist, dann ist es ein Verlust, wenn die Liebe geht, ein Raub. Wem gehört die Liebe? Wem gehört überhaupt was? Gehörst Du Dir? Gehört er sich? Gehört er Dir? Gehörst Du ihm? Besitzt es Euch?
Ladystardust: Ich glaube, es ist ganz essentiell zu verstehen, dass Liebe niemals erzwungen, eingefordert, durch Überzeugungsarbeit gewonnen oder sonstwas werden kann.
Alles, was "ganz essentiell zu verstehen" ist, was sich quasi von selbst versteht, das ist mit Sicherheit ein wichtiger Glaubenssatz, den es unverzüglich durch einen besseren zu ersetzen gilt. Nein, Scherz beiseite, warum sollte man Liebe nicht auch erzwingen, einfordern oder durch Überzeugungsarbeit gewinnen können?
Was ist denn Zwang? Das Ergebnis einer Interpretation. In einer bestimmten Situation verhält sich ein bestimmter Mensch genau so, wie er sich (gemäß seinem inneren Gesetz) verhalten muß. Er ist im Grunde immer gezwungen, ob es ihm bewußt ist oder nicht. Allein durch meine Existenz (be)zwinge ich das gesamte Universum. Ich bin ein Teil des Ganzen, und das Ganze ist in jedem Teil von mir: ich habe das Ganze in meiner Hand.
Liebe erzwingt man mit Haß, indem man dem geliebten Wesen Leid zufügt. Irgendwann ist das so schmerzlich, daß das geliebte Wesen damit beginnt, sich Gedanken über mich zu machen. Interesse ist der erste Schritt zur Liebe. Irgendwann versteht es, daß mein Haß nur Liebe ist und daß es an meinem Haß schuld ist, weil es mich nicht geliebt hat, was mich unglücklich und haßerfüllt machte. Da bekommt es Mitleid mit mir und schenkt mir seine Aufmerksamkeit und Liebe. Und siehe da: mein Haß verwandelt sich in Liebe und Glück.
Ladystardust: Und wenn man das wirklich verinnerlicht hat, kann sich Gelassenheit und Vertrauen einstellen.
Wenn man es erst verinnerlichen muß, ist es u.U. ein aufgesetzter Schwindel.
Ladystardust: Der Abschied fällt nachher leichter, denn dann ist alles ganz genau so, wie es sein soll und gedacht ist.
Am Ende ist man froh, wenn man wieder allein ist. Das ist ein Geschenk, das man dankbar entgegennehmen sollte, denn es wird einem zutiefst freiwillig entgegengebracht.
Ich denke, man gehört sich selbst nicht mehr, als man anderen gehört. Ein anderer Mensch kann ein Recht auf mich haben. Er kann u.U. mit Recht fordern, daß ich ihn liebe. Ich kann ihm Unrecht tun, wenn ich mich von ihm abwende, weil er mir nicht gefällt. Lieben muß nicht immer angenehm sein. Indem ich jemandem meine Liebe vorenthalte, zwinge ich ihn zu einem Leben ohne meine Liebe, obwohl er sie vielleicht nötig braucht. Dieser passive Zwang ist nicht unbedingt besser als ein gewalttätiger Zwang. Man kann jemanden tödlich verachten und ignorieren, ohne ihn nur anzuschauen oder ihm gar ein Haar zu krümmen. Wir sind nicht wirklich frei- und eigenwillig, sondern miteinander verstrickt und voneinander abhängig. Wir sind Zellen in einem Organismus, bzw. wir sind ein Organismus (Menschheit).