(...), sondern ich rede von den leichtfertigen Veschreibungen auf Dauer und der kritiklosen Einnahme von Milliarden! Tagesdosierungen.
Da spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle:
Der Arzr, der was verschreibt,
Der Patient, der was verschrieben haben will,
Und der Umstand, dass ein eklatanter Mangel an seriösen Therapieangeboten besteht.
Wem machst Du da einen Vorwurf?
Du wirst beim Patienten, der was verschrieben haben will, nicht wirklich einordnen können, wie schwerwiegend sein Leiden ist. Da mögen viele leichte Depressionen dabei sein oder gar auch Menschen in einer normalen Tief-Phase... aber es ist gut und wichtig, dass auch sie sich Hilfe suchen, damit die gefühlte Hürde für die schwerer betroffenen Menschen klein bleibt.
Der Arzt kann zu mehr Sport etc. raten... Was soll er mehr tun, wenn der Patient was verschrieben haben will?
Und am Umstand des mangelhaften Therapie-Angebots... das kann und muss aufgezeigt werden, aber es gibt auch da keinen einfachen Weg, diese Lücke zu füllen.
Du redest (wie Joey) immer totschlagmässig von den worst cases, wo man kaum noch funktionieren kann, aber es gibt genug Fälle, die sehr viel oder viel schwächer sind.
Die gibt es. Aber Du wirst nur schwer in der Lage sein, das wirklich zu unterscheiden und einzustufen.
Zu wissen, was im Körper durch die Einnahme von AD dauerhaft passieren kann, kann vllt einige Leute anregen, darüber nachzudenken, ob nicht was anderes möglich wäre, was sie auch selbst tun können.
Als ich Betroffen war, habe ich auch mal nach Ratgeberseiten gesucht. Eine Seite, die ich fand, berichtete von einem Ehepaar, deren Sohn früh gestorben war - ein Schicksalsschlag, bei dem man Trauer, Niedergeschlagenheit uvm. nachvollziehen kann. Anstelle sich zurückzuziehen, wurden diese Leute aber aktiver, engagierten sich in Vereinen und nahmen viele ehrenamtliche Tätigkeiten an. Der Bericht endete damit, dass der Mann des Paares wörtlich zitiert wurde mit: "Abends sind wir so müde von unseren Tätigkeiten, da haben wir keine Zeit zum depressiv sein."
Der Verfasser dieser Ratgeberseite fuhr fort, dass das ja ein gutes Mittel gegen Depressionen sei: Man solle als Betroffener einfach nur aktiver werden, mehr rausgehen, sich mehr engagieren, Ehrenämter annehmen etc. Dann hätte man keine Zeit mehr zu grübeln, und die Depression wäre geheilt.
Nun beschreibe ich mal, wie dieser Text auf mich in einer mittelgradigen Depression damals gewirkt hat, der Diagnose, die ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht hatte:
Ich saß da also und verglich mich mit diesem Paar. Mein "Schicksal" war bei weitem nicht so arg, wie deren. Erster Grund für mich, mich zu schämen. Ich malte mir erneut aus, dass ein Arzt oder Therapeut, wenn ich denn mal einen aufsuchen (das war bevor ich den Schritt ging), mir vorhält: "Sie müssten doch glücklich sein. Ihre Depressivität ist nicht nachvollziehbar, und Sie stellen sich nur an." Ich nahm mir also vor, auch aktiver zu werden, was ich aber in den Folgetagen nicht hinbekommen habe. Nach wie vor war ich abends, wenn ich den Alltag halbwegs gemeistert habe, zu platt um noch irgendetwas anderes zu machen außer Fernsehen, Internet surfen und düster grübeln. Das verstärkte aber nur meine Selbsttvorwürfe. Diese Möchtegern-Ratgeberseite hat, anstelle mir zu helfen, meine Depression verstärkt und die Hürde dazu, mir Hilfe zu suchen, nochmal vergrößert bzw. das nochmal verzögert.
Als Betroffener einer mittelschweren bis schweren Depression ist einem ja selbst die Schwere der Erkrankung nicht bewusst. Man selbst denkt, dass das höchstens als leichte Depression eingestuft werden wird, und dass man ein Jammerlappen wäre, wenn man sich anmaßt es schwerer einzustufen. Ein weiterer Baustein zur Hürde, einen Arzt aufzusuchen.
Ich stimme Dir und kritisierenden Fachleuten zu, wenn bemängelt wird, dass auch bei leichten Depressionen oder gar auch schon bei absehbar vorübergehenden Depressiven Verstimmungen, Trauerphasen etc. - Zustände, die vorübergehend zum Leben dazu gehören und normal sind - schnell Antidepressiva verlangt bzw. verschrieben werden.
Aber wer ordnet das ein? Wer stuft das ein, was eine mittelschwere bis schwere Depression ist und was eine leichte? Als Angehöriger, Freund oder als Betroffener selbst wird man keine gut fundierte Einstufung durchführen können, sondern ist geneigt, entweder die Schwere zu unter- oder zu überschätzen. Und wenn man als Freund oder Angehöriger die Lage und Schwere der Depression unterschätzt und dem Betroffenen helfen will, indem man "inspiriert und motiviert" o.ä., wird man dadurch eher die Kriese verstärken. Das mag zwar gut gemeint sein, aber sehr wahrscheinlich nicht gut gemacht.
Ich verlinke die Kritik von Fachleuten an den massiven Steigerungen in der Verschreibungspraxis ( Post #81) nun nicht noch einmal und fange wieder von vorne an.
Du hast woanders noch einen anderen Artikel verlinkt, in dem auch beschrieben wurde, woran es mit liegt. Es sind nicht nur die Ärzte, die verschreibungswütig sind, es sind auch viele Patienten, die was verschrieben haben wollen. Die Ärzte können bei leichten Depressionen zu mehr Sport und besserer Ernährung raten, sie können die Patienten aber nicht bei der Hand nehmen und so dafür sorgen, dass sie es auch durchziehen. Was sollen sie DMn also tun, um einen Menschen, der Hilfe suchend zu ihnen gekommen ist, zu helfen?
Und wie willst Du Betroffenen von mittelgradigen bis schweren Depressionen (die sie selbst möglicherweise nicht so einordnen und noch keine Diagnose haben) helfen, Deine Texte richtig einzuordnen und nicht tiefer in Selbstvorwürfe zu verfallen, wenn sie es nicht erfüllen können/wollen bzw. auch das nicht hilft? Wie möchtest Du die Schwere einer Depression einordnen?