Der Stadtlärm, ein disharmonischer Dauerton, umgab ihn wie eine bleierne Glocke und erinnerte ihn ständig an genau das, was ihn an diesen Abgrund getrieben hatte. Er stand auf der Brücke, das kalte Metallgeländer grub sich in seine Handflächen, der Fluss unter ihm eine dunkle, wirbelnde Einladung. Es war nicht der Schmerz seiner eigenen Existenz, der an ihm nagte, nicht wirklich. Er hatte Freude gekostet, Liebe gekannt, die Sonne auf seinem Gesicht gespürt. Es war der Geschmack der Menschheit, der ihm im Mund sauer geworden war, der bittere Nachgeschmack einer Welt, die er nicht länger erkannte, gefüllt mit Menschen, die er nicht länger verstand.
Erst gestern hatte er eine Frau aus einer glitzernden Boutique stolzieren sehen, ihr Gesicht eine Maske des triumphierenden Glücks, eine 5.000 € teure Louis-Vuitton-Tasche schwang an ihrem Arm. Ihre Augen jedoch waren direkt über die zusammengekauerte Gestalt in der Tür daneben hinweggeglitten, ein Mann, dessen ausgestreckte Hand um eine Münze, einen Krümel Würde bettelte. Er hatte gegeben, was er hatte, ein paar Euro, eine gemurmelte Entschuldigung für die Gleichgültigkeit der Welt. Die Augen des Bettlers, ohne Überraschung, hatten seine mit einer müden Akzeptanz getroffen, die ihn bis ins Mark frösteln ließ. Es war kein Einzelfall; es war das tägliche Gewebe seiner Realität.
Überall, wohin er blickte, war es dieselbe Geschichte, nur mit anderen Protagonisten. Die beiläufige Grausamkeit eines abweisenden Blicks, die schamlose Gier bei einem Geschäftsabschluss, die performative Empathie in den sozialen Medien, die sich nie in reale Handlungen übersetzte. Er sah, wie Menschen Imperien auf dem Rücken anderer aufbauten und sich dann selbst auf die Schulter klopften für ihren „Erfolg“. Er sah große Gesten der Wohltätigkeit, die sich mehr wie PR-Stunts anfühlten als wie echtes Mitgefühl. Er sah, wie Verbindungen auf Transaktionen reduziert wurden und echte Emotionen durch sorgfältig kuratierte Personas ersetzt wurden.
Er war nicht mehr wütend, nicht wirklich. Wut erforderte Energie, und er fühlte sich völlig ausgelaugt. Er war einfach nur… müde. Müde von der Scharade, müde vom unaufhörlichen Eigeninteresse, müde davon, sich wie ein Außerirdischer in seiner eigenen Spezies zu fühlen. Der Wind peitschte um ihn herum, zerrte an seiner Jacke, imitierte das unruhige Brodeln in seinem Bauch. Der Fluss lockte, versprach Stille, eine Befreiung vom erstickenden Gewicht menschlicher Gleichgültigkeit. Es war keine Flucht vor dem Leben, so argumentierte er, sondern eine Flucht vor ihnen. Ein letzter, verzweifelter Akt des Widerstands gegen eine Welt, die vergessen hatte, wie man fühlt. Seine Augen schlossen sich, er stellte sich die stille Umarmung des kalten, dunklen Wassers vor, ein Ort, an dem keine Louis-Vuitton-Tasche jemals glänzen würde und keine hungrigen Augen jemals ignoriert würden.