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Reinfried
Guest
Schönen Guten Morgen!
Sorry, wenn ich immer wieder mal in die Rubrik FA reinplatze, auch wenn ich davon nicht viel verstehe - Eure Threads sind halt die interessantesten *smile*, darum möchte ich, wenn Ihr nichts dagegen habt, diese Thematik auch mal von einer anderen Seite beleuchten: Dem Täter-Opfertausch.
Wer meine früheren Beiträge kennt, weiß, dass ich aus einer Familie stamme, in der Gewalt an der Tagesordnung war, massivste Gewalt - hauptsächlich von Seiten meines Vaters. Ich kann mich an die Zeit erinnern, in der ich meine Eltern dafür abgrundtief gehasst hatte und das Gefühl regelrecht pflegte, sie seien für Alles, was mir später an (scheinbar) Negativem passierte, verantwortlich. Es war eine simple Denkweise, es tat gut, einen Sündenbock parat zu haben.
Als ich später selbst Kinder bekam, schwor ich mir, niemals Gewalt auszuüben - ich wollte es völlig anders machen. Und - wie das Schicksal es so wollte - bekam ich auch mehrere Kinder (wie meine Eltern), fühlte mich zeitweise genauso überfordert wie sie damals.
Dann kam der Zeitpunkt, an dem ich zum ersten Mal den Impuls verspürte, mein Kind zu schlagen. Ich hielt meine Hände am Rücken eisern verschränkt, um ja nicht in die Versuchung zu kommen, sie gegen mein Kind zu erheben. Ich stand in dieser verkrampften Position vor meinem Kind und dann spürte ich sie - diese Ohnmacht, diese Hilflosigkeit, dieses "nicht mehr wissen, was ich tun soll" - und ich wusste, JETZT spüre ich meinen Vater.
Ich konnte in diesen Sekunden nachvollziehen, warum er zugeschlagen hatte, ich glaube, ich wechselte für diese kurzen Momente die Identität. Und da wurde mir bewusst, dass ich im Prinzip nicht anders leben würde als mein Vater, auch wenn ich mir hundertmal vorsagen würde: Ich mache es anders.
Ok, ich habe NICHT zugeschlagen - aber die Schiene, dass ich in diese Hilflosigkeit rutschte, war da - es war dasselbe Verhaltensmuster. Ich suchte daraufhin nach anderen Lösungen, machte Gordon-Seminare etc., versuchte, Probleme durch Gespräche zu lösen - doch meinen Vater in mir kann ich bis heute nicht leugnen.
Für mich war diese Grenzsituation, so eigenartig es klingt, ein Schritt zur Erlösung. Ich konnte plötzlich meine Eltern verstehen und sah, dass sie es gar nicht anders hätten machen können. Es wurde ein Tausch zwischen Opfer und Täter (ok, Fast-Täter). Und dieser Tausch war sehr heilsam für mich.
Und auf meine Aussage "dass sie es gar nicht anders hätten machen können" gibt es natürlich ein Argument: "Natürlich hätten sie anders können, DU hast es ja auch anders gemacht..." - das möchte ich insofern relativieren, als meine Eltern selbst in einer Zeit aufgewachsen waren, in der Schläge und Züchtigungen seit Generationen zur guten bzw. "richtigen" Erziehung gehörten. Das war eine völlig andere Denkstruktur, die sie übernommen hatten.
Ich glaube, dass es eine Art Mechanismus gibt - wenn man ungelöste Probleme hat, kommt man - irgendwann - selbst in diese Situation. Es ist eine Chance vom Schicksal, dieses Problem durch Erfahrung der "gegnerischen Position" lösen zu können.
Liebe Grüße
Reinfriede

Sorry, wenn ich immer wieder mal in die Rubrik FA reinplatze, auch wenn ich davon nicht viel verstehe - Eure Threads sind halt die interessantesten *smile*, darum möchte ich, wenn Ihr nichts dagegen habt, diese Thematik auch mal von einer anderen Seite beleuchten: Dem Täter-Opfertausch.
Wer meine früheren Beiträge kennt, weiß, dass ich aus einer Familie stamme, in der Gewalt an der Tagesordnung war, massivste Gewalt - hauptsächlich von Seiten meines Vaters. Ich kann mich an die Zeit erinnern, in der ich meine Eltern dafür abgrundtief gehasst hatte und das Gefühl regelrecht pflegte, sie seien für Alles, was mir später an (scheinbar) Negativem passierte, verantwortlich. Es war eine simple Denkweise, es tat gut, einen Sündenbock parat zu haben.
Als ich später selbst Kinder bekam, schwor ich mir, niemals Gewalt auszuüben - ich wollte es völlig anders machen. Und - wie das Schicksal es so wollte - bekam ich auch mehrere Kinder (wie meine Eltern), fühlte mich zeitweise genauso überfordert wie sie damals.
Dann kam der Zeitpunkt, an dem ich zum ersten Mal den Impuls verspürte, mein Kind zu schlagen. Ich hielt meine Hände am Rücken eisern verschränkt, um ja nicht in die Versuchung zu kommen, sie gegen mein Kind zu erheben. Ich stand in dieser verkrampften Position vor meinem Kind und dann spürte ich sie - diese Ohnmacht, diese Hilflosigkeit, dieses "nicht mehr wissen, was ich tun soll" - und ich wusste, JETZT spüre ich meinen Vater.
Ich konnte in diesen Sekunden nachvollziehen, warum er zugeschlagen hatte, ich glaube, ich wechselte für diese kurzen Momente die Identität. Und da wurde mir bewusst, dass ich im Prinzip nicht anders leben würde als mein Vater, auch wenn ich mir hundertmal vorsagen würde: Ich mache es anders.
Ok, ich habe NICHT zugeschlagen - aber die Schiene, dass ich in diese Hilflosigkeit rutschte, war da - es war dasselbe Verhaltensmuster. Ich suchte daraufhin nach anderen Lösungen, machte Gordon-Seminare etc., versuchte, Probleme durch Gespräche zu lösen - doch meinen Vater in mir kann ich bis heute nicht leugnen.
Für mich war diese Grenzsituation, so eigenartig es klingt, ein Schritt zur Erlösung. Ich konnte plötzlich meine Eltern verstehen und sah, dass sie es gar nicht anders hätten machen können. Es wurde ein Tausch zwischen Opfer und Täter (ok, Fast-Täter). Und dieser Tausch war sehr heilsam für mich.
Und auf meine Aussage "dass sie es gar nicht anders hätten machen können" gibt es natürlich ein Argument: "Natürlich hätten sie anders können, DU hast es ja auch anders gemacht..." - das möchte ich insofern relativieren, als meine Eltern selbst in einer Zeit aufgewachsen waren, in der Schläge und Züchtigungen seit Generationen zur guten bzw. "richtigen" Erziehung gehörten. Das war eine völlig andere Denkstruktur, die sie übernommen hatten.
Ich glaube, dass es eine Art Mechanismus gibt - wenn man ungelöste Probleme hat, kommt man - irgendwann - selbst in diese Situation. Es ist eine Chance vom Schicksal, dieses Problem durch Erfahrung der "gegnerischen Position" lösen zu können.
Liebe Grüße
Reinfriede