Corona-Epidemie: Wirtschaftsnot verdrängt Klimanotstand
Klimapolitische Rhetorik hin oder her: Im Krisenfall zählt die Wirtschaft stets mehr als die Natur.
Um es vorweg zu nehmen: Dass die Corona-Epidemie innerhalb von zwei Monaten weltweit rund dreitausend Menschen tötete, ist tragisch. Diese Tragödie wird allerdings relativiert, wenn man sie mit den Folgen von andern Missständen vergleicht, etwa der menschgemachten Luftverschmutzung oder der Zahl von neun Millionen Personen, die auf diesem Planeten jährlich verhungern.
Die Medien rapportieren die Zahl der Corona-Toten zwar täglich. Doch das menschliche Leid, das dahinter steckt, steht nicht im Mittelpunkt der veröffentlichten Informationen; dies weder bei Infosperber noch bei den übrigen Medien. Denn diese richten den Fokus auf die – positiven und negativen – Nebenerscheinungen dieser Epidemie.
Zwei Mal positive, x-Mal negative Folgen
Infosperber berichtete über die positiven Folgen, und das nicht nur ein- sondern gleich zweimal: „Trotz Versagen der Klimapolitik: Im Jahr 2020 könnte der CO2-Ausstoss erstmals seit der Finanzkrise im Jahr 2009 wieder sinken», prophezeite ich vor 16 Tagen unter dem Titel
«Ungeplante Tempolimiten» . Und vor sechs Tagen wiederholte ich unter dem Artikel
«Notstand von Fall zu Fall»: «Das heimtückische Coronavirus hat innerhalb von zwei Monaten wohl mehr CO2-Emissionen verhindert als die langjährige globale Klimapolitik.»
In den meisten andern Medien erschienen an diesen zwei Tagen sowie an allen Tagen zuvor und danach tausende von Berichten, welche die Folgen des Virus auf die Wirtschaft thematisierten. Ihr Tenor war durchwegs negativ. Er lässt sich zusammenfassen mit dem Titel der Medienmitteilung, welche die OECD, der Dachverband der westlichen Wirtschaft, gestern verbreitete, und den Dutzende von Medien im In- und Ausland seither rapportieren: «Coronavirus ist grösstes Wirtschaftsrisiko seit der Finanzkrise» (im Jahr 2009).
Bei diesem «grössten Wirtschaftrisiko» geht es je nach Szenario um 0,5 bis 1,5 Prozent weniger Wirtschaftswachstum im Jahr 2020, als die OECD im November 2019 prophezeite. Um dieses Risiko zu lindern, empfiehlt die OECD, der Wirtschafts-Dachverband der westlichen Industriestaaten, jetzt «unverzüglich zu handeln», um «Bürgerinnen und Bürger zu schützen». Dazu ruft die OECD die Regierungen auf, mit «zeitlich begrenzten Steuer- und Budgetmassnahmen dafür zu sorgen, dass die Auswirkungen auf die am stärksten vom Abschwung betroffenen Branchen abgefedert werden wie etwa die Reise- und Tourismusbranche und die Automobil- und Elektronikindustrie.»
Das heisst im Klartext: Zwei Branchen, die besonders viele CO2-erzeugende Waren und Dienstleistungen produzieren (Autos und Reisen) und damit das Klima besonders stark aufheizen, sollen von den Regierungen zusätzlich subventioniert werden. Solche Stützungsmassnahmen degradieren den Klimavertrag von Paris ebenso zur Makulatur wie den Kampf gegen die Klimaerwärmung, den verschiedene Parlamente bis hin zur EU unter dem Begriff «Klimanotstand» proklamierten.
Hat jemand den "Wirtschaftsnotstand" ausgerufen?
Bleibt nur noch eine Frage: Hat irgend ein demokratisch abgestütztes Gremium einen «Wirtschaftsnotstand» ausgerufen? Nein, aber das ist auch nicht nötig. Denn ein kleines Virus führte uns einmal mehr vor Augen: Im Krisenfall hat – klimapolitische Notstand-Rhetorik hin oder her – die Wirtschaft automatisch Vorrang vor jeglichem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.
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