Die Welt vom 20. November 2004
Fanatische Ernährer von Eckhard Fuhr
Diese Woche war meine Lust auf Rohkost besonders gering. Ich las in der
Zeitung die schreckliche Geschichte von dem Ehepaar aus Bad Driburg, das
sein jüngstes Kind so lange mit veganer Ernährung traktierte, bis es tot
war. Mit 15 Monaten wog es nur noch vier Kilogramm und hatte einer
Lungenentzündung nichts entgegenzusetzen. Kein Tier soll leiden oder gar
getötet werden zum Nutzen des Menschen, sagen die Veganer und lehnen
deshalb alle tierischen Produkte ab. Den "normalen" Vegetariern fühlen sie
sich haushoch überlegen, denn die nehmen ja Milch und Eier zu sich. Das
Kind, das vegan getötet wurde, wollte Milchersatz aus Mandeln und
Kokosnüssen nicht zu sich nehmen. Die Eltern wollten es beschützen vor
einer Eßkultur, die über Tierleichen geht. Das Kind aber ekelte sich vor
der moralisch sauberen Nahrung. Zwei Jahre auf Bewährung wegen
Körperverletzung mit Todesfolge erhielten Vater und Mutter, das Sorgerecht
für ihre anderen drei Kinder dürfen sie behalten. Sie versprachen, in
Zukunft Vegetarier und nicht mehr Veganer zu sein. Der Richter sprach von
einer Tragödie. Die Eltern hätten das beste für ihr Kind gewollt. Für so
viel Verständnis habe ich kein Verständnis. Es handelt sich hier um
Fanatismus mit Todesfolge. Auch bei Ernährungsideologien gibt es Grenzen
der multikulturellen Toleranz.
Man ist geneigt, den Veganismus für eine Schrulle zu halten, gegen die
niemand etwas haben kann, weil sie ja radikal friedfertig ist und man im
Sinne der Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung ohnehin jede Schrulle
dulden muß. Sollte man den Ernährungsminderheiten, die der brutalen
Werbung der Agrarindustrie und dem Spott der Schweinshaxen-essenden
Mitwelt ausgesetzt sind, nicht vielmehr das Leben einfacher machen? So
dachte wohl die Verbraucherzentrale Bremen, als sie in ihrem
"Einkaufsführer für Muslime" jene Produkte kennzeichnete, die nicht nur
den Ernährungsvorschriften des Korans, sondern auch denen des Veganismus
entsprechen. Über die Nachbarschaft von Islam und Veganismus in dieser
Broschüre hat der multikulturelle Amtsschimmel wahrscheinlich nicht
nachgedacht. Er wollte halt den Minderheitenservice optimieren. Die eine
Minderheit will wissen, wo es Fleisch von geschächteten Hammeln und die
andere, wo es gelatinefreie Gummibärchen gibt. So ist das eben im
multikulturellen Patchwork.
Müssen wir es für einen Zufall halten, daß die beiden politischen Morde in
den Niederlanden, die den multikulturellen Scheinfrieden Europas
nachhaltig störten, der Mord an Pim Fortuyn und der an Theo van Gogh, von
einem Veganer und einem Islamisten begangen wurden? Und daß beide
Mordopfer hervorgetreten sind als Kritiker einer in Gleichgültigkeit
umschlagenden Toleranz gegenüber jedwedem kulturellen Eigensinn? Ich will
nicht den Eindruck erwecken, der Veganismus und der Islamismus stünden
als Bedrohungen der europäischen Gesellschaft auf gleicher Ebene. Der
Veganismus ist ein bizarres Randphänomen, der Islamismus eine reale
Bedrohung. Jedoch kann man am Veganismus sozusagen en miniature das
Entstehen von Parallelgesellschaften studieren. Die Eltern, die ihr Kind
verhungern ließen, glaubten sich in heroischem Widerstand gegen eine
feindliche Umwelt, auch wenn ihr Handeln wie verzweifelte Hilflosigkeit
den eigenen Prinzipien gegenüber wirken mag. Ihr Fanatismus war leise und
traurig, aber zu allem entschlossen im Bekämpfen eigener Zweifel und
mörderisch gegen das eigene Kind. Nur im veganischen Irrsinns-Universum
läßt sich ihr Tun "verstehen". Nur in totalitärer Unbedingtheit kann die
veganische Moral existieren. Deshalb kennt sie nur das Einfordern, nicht
aber das Üben von Toleranz.
--LB--
Fanatische Ernährer von Eckhard Fuhr
Diese Woche war meine Lust auf Rohkost besonders gering. Ich las in der
Zeitung die schreckliche Geschichte von dem Ehepaar aus Bad Driburg, das
sein jüngstes Kind so lange mit veganer Ernährung traktierte, bis es tot
war. Mit 15 Monaten wog es nur noch vier Kilogramm und hatte einer
Lungenentzündung nichts entgegenzusetzen. Kein Tier soll leiden oder gar
getötet werden zum Nutzen des Menschen, sagen die Veganer und lehnen
deshalb alle tierischen Produkte ab. Den "normalen" Vegetariern fühlen sie
sich haushoch überlegen, denn die nehmen ja Milch und Eier zu sich. Das
Kind, das vegan getötet wurde, wollte Milchersatz aus Mandeln und
Kokosnüssen nicht zu sich nehmen. Die Eltern wollten es beschützen vor
einer Eßkultur, die über Tierleichen geht. Das Kind aber ekelte sich vor
der moralisch sauberen Nahrung. Zwei Jahre auf Bewährung wegen
Körperverletzung mit Todesfolge erhielten Vater und Mutter, das Sorgerecht
für ihre anderen drei Kinder dürfen sie behalten. Sie versprachen, in
Zukunft Vegetarier und nicht mehr Veganer zu sein. Der Richter sprach von
einer Tragödie. Die Eltern hätten das beste für ihr Kind gewollt. Für so
viel Verständnis habe ich kein Verständnis. Es handelt sich hier um
Fanatismus mit Todesfolge. Auch bei Ernährungsideologien gibt es Grenzen
der multikulturellen Toleranz.
Man ist geneigt, den Veganismus für eine Schrulle zu halten, gegen die
niemand etwas haben kann, weil sie ja radikal friedfertig ist und man im
Sinne der Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung ohnehin jede Schrulle
dulden muß. Sollte man den Ernährungsminderheiten, die der brutalen
Werbung der Agrarindustrie und dem Spott der Schweinshaxen-essenden
Mitwelt ausgesetzt sind, nicht vielmehr das Leben einfacher machen? So
dachte wohl die Verbraucherzentrale Bremen, als sie in ihrem
"Einkaufsführer für Muslime" jene Produkte kennzeichnete, die nicht nur
den Ernährungsvorschriften des Korans, sondern auch denen des Veganismus
entsprechen. Über die Nachbarschaft von Islam und Veganismus in dieser
Broschüre hat der multikulturelle Amtsschimmel wahrscheinlich nicht
nachgedacht. Er wollte halt den Minderheitenservice optimieren. Die eine
Minderheit will wissen, wo es Fleisch von geschächteten Hammeln und die
andere, wo es gelatinefreie Gummibärchen gibt. So ist das eben im
multikulturellen Patchwork.
Müssen wir es für einen Zufall halten, daß die beiden politischen Morde in
den Niederlanden, die den multikulturellen Scheinfrieden Europas
nachhaltig störten, der Mord an Pim Fortuyn und der an Theo van Gogh, von
einem Veganer und einem Islamisten begangen wurden? Und daß beide
Mordopfer hervorgetreten sind als Kritiker einer in Gleichgültigkeit
umschlagenden Toleranz gegenüber jedwedem kulturellen Eigensinn? Ich will
nicht den Eindruck erwecken, der Veganismus und der Islamismus stünden
als Bedrohungen der europäischen Gesellschaft auf gleicher Ebene. Der
Veganismus ist ein bizarres Randphänomen, der Islamismus eine reale
Bedrohung. Jedoch kann man am Veganismus sozusagen en miniature das
Entstehen von Parallelgesellschaften studieren. Die Eltern, die ihr Kind
verhungern ließen, glaubten sich in heroischem Widerstand gegen eine
feindliche Umwelt, auch wenn ihr Handeln wie verzweifelte Hilflosigkeit
den eigenen Prinzipien gegenüber wirken mag. Ihr Fanatismus war leise und
traurig, aber zu allem entschlossen im Bekämpfen eigener Zweifel und
mörderisch gegen das eigene Kind. Nur im veganischen Irrsinns-Universum
läßt sich ihr Tun "verstehen". Nur in totalitärer Unbedingtheit kann die
veganische Moral existieren. Deshalb kennt sie nur das Einfordern, nicht
aber das Üben von Toleranz.
--LB--