oder die patriarchale Kontrolle über die weibliche Sexualität
diesen artikel von Maria Bergstötter habe ich in einer migrantenzeitung gefunden: Die Bunte Zeitung, ausgabe mai/juni 2005. www.diebuntezeitung.at.
da er sehr treffend formuliert ist, und dieses thema in unserer gesellschaft so wichtig ist, tippe ich den artikel vollständig ab. das, was ich für besonders wichtig empfinde wird rot hervorgehoben.
da es in diesem artikel vorwiegend um die beschneidung der fähigkeiten der frauen geht, möchte ich hier nochmal besonders hervorheben, dass die gesellschaftsform des patriarchats auch die natürlichen fähigkeiten der männer beschneidet. dieser punkt ist ganz wichtig! wir sind alle "opfer" dieser ideologie.
ich freu mich schon auf eure meinungen!
alles LIEBE,
tina
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Sexualität bedeutet unter anderem, sich der eigenen Interessen gewahr zu werden und bestrebt zu sein, sie durchzusetzen. Es ist ein sich selbst Ermächtigen, ein Gebrauch der eigenen Kreativität. Und genau das wird in der patriarchalen Gesellschaft der Frau nicht zugestanden.
Die Herrschaft der Väter
Das Patriarchat ist die Herrschaft der Väter: der Name und der Besitz werden vom Vater auf den Sohn vererbt. Heute sprechen viele Untersuchungen dafür, dass die menschliche Gesellschaften ursprünglich matrilinear waren, d.h. dass die Abstammung von der Mutter her erfasst und der mütterliche Name an die Kinder weitergegeben wurde. Es existieren noch wenige solcher Gesellschaften, z.B. manche indianische Ethnien.
Der Übergang zum Patriarchat dürfte mit der Entwicklung der Viehzucht einher gegangen sein. Erst die viehuüchtenden Männer werden sich der Bedeutung des männlichen Samens für die Fortpflanzung bewusst. Und erst in Form von Herden und Weidegründen wird der Besitz über den eigenen Gebrauch hinaus angesammelt und beginnt die Unterscheidung in Besitzende und Besitzlose. Und erst jetzt interessieren sich die Väter dafür, ob die Kinder die ihrigen sind. Ursprüngliche Jäger- und Sammlergesellschaften kennen keine unerwünschten Kindern. Sie kennen auch keine Unterdrückung und Reglementierung der Sexualität.
Die Vertreibung aus dem Paradies, in dem alles allen gehört und daher genug für alle da ist und die Nacktheit unschuldig ist, fällt zusammen mit dem Beginn des Patriarchats. Ab nun ist Eva sündig, sie wird dazu verurteilt, "dem Manne zu dienen und ihre Kinder in schmerzen zu gebären". Dieses Urteil wurde nicht zufällig von einem alten Mann ausgesprochen, vom höchsten Patriarchen, dem einen, eifersüchtigen Gott, neben dem es keinen anderen geben darf. Es ist ein wichtiges Kriterium des vollendeten Patriarchats, die Frau mit der Erde zu assoziieren [Anm. Tina: "Macht euch die Erde untertan!"] und den Mann mit dem Geist und dem Himmel und nur männliche Götter zuzulassen, selbstverständlich auch nur männliche Priester. Die Weltkirchen sind wichtige Stützen des Patriarchats.
Rein in die Ehe
Das wichtigste für den Patriarchen ist die absolute Garantie auf eheliche Treue, die ihm garantieren soll, dass es tatsächlich seine eigenen Söhne sind, denen er Namen und Besitz vererbt und nicht die eines anderen.
Dazu benötigt das Patriarchat die vollständige Kontrolle über die weibliche Sexualität. Die weibliche Keuschheit wird als Wert erfunden. Um diese sicherzustellen, ist jedes Mittel recht. Die Ehefrau wird eingesperrt. Das lässt sie sich nur gefallen, wenn sie die Freiheit nie kennen gelernt hat; die Erziehung der Frau beginnt also am besten gleich nach der Geburt. Anforderungen an die zukünftige Schwiegertochter gehen Hand in Hand mit der an die Tochter. Es versteht sich, dass die Frau keinerlei Mitspracherecht bei der Wahl ihres Ehemannes hat, sondern dass der Vater diese Wahl seinen eigenen Interessen entsprechend trifft, so wie sie seinen Besitzstand mehrt. Die Frau geht vom Besitz des Vaters in den Besitz des Ehemannes über und ist ihm völlig unterworfen.
Das Mädchen wird verheiratet, sobald es geschlechtsreif ist, also noch im minderjährigen, noch kindlichen Alter, denn damit lässt sich am besten garantieren, dass sie noch eine unberührte Jungfrau ist und keinerlei eigene sexuelle Interessen entwickelt hat. Der Mann hingegen kann erst heiraten, wenn er den Brautpreis zu bezahlen imstande ist, was häufig mit sich bringt, dass der Bräutigam wesentlich älter ist als die Braut. Das hat den Nebeneffekt, dass die Braut dem Bräutigam an Kraft und Erfahrung hoffnungslos unterlegen und somit noch wesentlich abhängiger von ihm und machtloser ist, als sie es ohnehin schon wäre in einer Gesellschaft, die ihr keinen Besitz, keine selbstbestimmte Mobilität und keine eigenen Rechte zugesteht. In der Folge davon kann der männliche Teil der Bevölkerung sich in dem Glauben wiegen, der weibliche sei kindisch und dumm und aus diesem Grund von dem Anspruch auf volle Menschenrechte auszuschließen.
Der Preis der Ehre
In diesem System hat die Frau sich selbst als eine Ware zu sehen, die nur dann etwas wert ist und einen Preis erzielen kann, wenn sie neu und nicht gebraucht ist. Hier setzt sich der Mythos der Jungfräulichkeit ein. Eine Frau ist nur ehrbar, wenn sie unberührt ist und in der Ehe treu, während es für den Mann kein derartiges Gebot gibt und ein Mann mehrere Frauen heiraten sowie Geliebte, Sklavinnen und Prostituierte haben kann. Diese patriarchale Ehre der Frauen ist eine völlig unnatürliche Ehre. Eine natürliche Frauenehre fühlt sich verletzt, wenn ihr, von wem auch immer, gegen den eigenen Willen eine körperliche Vereinigung aufgezwungen wird. Im unverfälschten Patriarchat jedoch begonnt die gewöhnliche ehrbare Ehe mit der Vergewaltigung durch einen Fremden und im Gegensatz dazu ist die von der Frau selbst gewählte Liebe eine Schande und Ehrlosigkeit. Die patriarchale Frauenehre stellt eine völlige Entfremdung der Frau von sich selbst dar. Die patriarchale Frau darf nicht für sich selbst einstehen, sie muss stattdessen für ihren Vater einstehen, der die Familie repräsentiert.
Die Frau hat unberührt in die Ehe zu gehen, ansonsten bringt sie Schande über die Familie. Der Nachweis ist das blutbefleckte Hochzeitsbetttuch, das der Sippe vorgezeigt wird. Die ursprüngliche Initiation der Frau: das Menstruationsblut als Nachweis der Fähigkeit, Leben zu schenken, wird im Patriarchat entehrt und versteckt, sogar vor dem Mädchen selbst, das darüber in Unwissenheit gelassen wird. An seine Stelle wird die Initiation zur Ehefrau in der Entjungferung gesetzt und dieses vom Mann zum Fließen gebrachte Blut verehrt. Wenn dieses Blut in der Hochzeitsnacht nicht zum Fließen gebracht werden kann, verlangt die patriarchale Gesellschaft den Blutpreis in Form des Lebens der Braut. Viele Frauen, die unehelich schwanger oder Mutter werden oder auch nur im Verdacht stehen, Anzeichen sexueller Interessen zu zeigen, werden in den Selbstmord getrieben oder ermordet, zum Mindesten aber verstoßen und aller materiellen und sozialen Grundlagen beraubt.
Die Auslöschung des Triebes
Die nächste Konsequenz ist bereits die Beschneidung. In Gesellschaften, die dieses extremste Mittel zum Gefügigmachen der Frau in Gebrauch haben, tritt das Blut, das bei der Beschneidung fließt an die Stelle des ursprünglichen Menstruationsblutes. Wie die christliche Taufe und alle anderen Initiationsriten stellt die Beschneidung eine zweite Geburt dar: jener als soziales und kulturelles Wesen, als Mitglied eines der Familie und Sippe übergeordneten Gemeinwesens. Die weibliche Genitalverstümmelung soll die natürliche Frau zur kulturell überformten patriarchalen Frau machen, deren Sexualität vom Mann kontrolliert wird. Wie ganz offen zugegeben wird, soll die Beschneidung die Keuschheit der Frau bewirken: die Auslöschung ihres Sexualtriebes und die Zerstörung ihrer sexuellen Lust, um ihre Jungfäulichkeit bis zur Verheiratung und ihre eheliche Treue zu garantieren, alles um dem Mann den alleinigen Besitz seiner Frau und die ausschließliche Weitergabe seiner Gene über ihren Körper zu garantieren. Die Beschneidung entspricht in gewissem Sinne einer Kastration. Sie unterbindet zwar nicht die Fruchtbarkeit wie die Kastration eines Mannes, aber sie enteignet die Frau ihrer Fruchtbarkeit, indem sie ihr die Kontrolle darüber entwindet und in die Hand des Mannes gibt. Sie gibt es dem Mann in die Hand, wann die Frau geöffnet und wann sie verschlossen ist. Der Mann kontrolliert völlig die Geschlechtsorgane der Frau, auch wenn er die Drecksarbeit (Entschuldigung) der tatsächlichen Beschneidung elegant den Frauen überlässt.
Wir finden diese Methoden auch in anderen Traditionen und Kulturkreisen. Im alten China wurde die Frau immobilisiert, indem ihre Füße verstümmelt wurden. Auch hier war es die Aufgabe der Mütter, die Fußknochen ihrer Töchter im zarten Kindesalter zu brechen und ihre Füße umzubiegen und fest zu umwickeln. In Kriegszeiten begingen viele Chinesinnen Selbstmord, da sie nicht vor den Feinden fliehen konnten. Die verstümmelten Füße galten als Sexsymbol und wurden in Gedichten als "Lilienfüßchen" gerühmt. Erst Mao räumte mit dieser grausamen Tradition auf.
In Europa wiederum wurde es während der Kreuzzüge Sitte unter den Rittern, ihren Gemahlinnen einen Keuschheitsgürtel anzulegen, der aus schwerem Eisen bestand und dessen Schlüssel die Ritter ins Heilige Land mitnahmen.
Mitte des 19. Jahrhunderts [!!] gab es in Wien einen Frauenarzt namens Gustav Braun, der Frauen die Klitoris und die inneren Schamlippen amputierte, um "die Krankheit der Masturbation" zu heilen, denn die gesunde Frau hatte keine sexuelle Lust zu haben außer die durch den Mann erzeugte. Heute wissen wir aus groß angelegten Umfragen, dass Frauen, die sich nie selber Lust bereitet haben, gar nicht fähig sind, einen Orgasmus zu erleben. Schon rigorose Verbote, Drohungen, Geheimhaltungen, kurz Tabus sind brauchbare "Keuschheitsgürtel".
Die sexuelle Unterdrückung der Frau wird auch immer mit dem Schutz der Frau begründet. Das Gegenteil ist richtig. In Strukturen, die Männern alle Rechte in die Hand geben und Frauen schwächen, demütigen und in Unwissenheit über sexuelle Dinge lassen, werden viele Frauen Opfer. Kliniken berichten sogar von Verletzungen an Frauen mit infibulierten Geschlechtsorganen, die aus Vergewaltigungen resultieren. Konsequenterweise wird den Frauen selber die Schuld dafür zugeschrieben, "entehrt" worden zu sein und sie werden dafür verstoßen, in den Selbstmord getrieben, ermordet oder auch "nur" gezwungen, ihren Peiniger zu heiraten.
Heute finden wir diese Verbrechen im Namen der Ehre hauptsächlich in islamischen Ländern, aber sie gehören auch zur Geschichte des christlichen Europa. Noch heute spricht der Papst den Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihre Körper ab, etwa wenn er den Vergewaltigungsopfern aus den Bürgerkriegen aufträgt, die aus dem erlittenen Verbrechen resultierende Leibesfrucht auszutragen und als ihr Kind zu lieben und aufzuziehen.
Was die weibliche Sexualverstümmelung betrifft, so haben sich die missionierenden Kirchen mit der vorgefundenen Tradition arrangiert, so gut, dass etwa koptische Priester in Ägypten sich sogar weigerten, unbeschnittene Mädchen zu taufen und sie erst im Zuge des offiziellen Verbotes durch die Regierung verurteilten. Die islamischen Führer in Ägypten hingegen riefen die Gläubiger sogar zur Übertretung des Verbotes auf und bezeichneten die Beschneidung als ebenso wichtig wie das Gebet. Dabei findet sich im Koran keine entsprechende Sure, die sie vorschreiben würde. Das passt aber ins patriarchale Konzept des Islams.
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diesen artikel von Maria Bergstötter habe ich in einer migrantenzeitung gefunden: Die Bunte Zeitung, ausgabe mai/juni 2005. www.diebuntezeitung.at.
da er sehr treffend formuliert ist, und dieses thema in unserer gesellschaft so wichtig ist, tippe ich den artikel vollständig ab. das, was ich für besonders wichtig empfinde wird rot hervorgehoben.
da es in diesem artikel vorwiegend um die beschneidung der fähigkeiten der frauen geht, möchte ich hier nochmal besonders hervorheben, dass die gesellschaftsform des patriarchats auch die natürlichen fähigkeiten der männer beschneidet. dieser punkt ist ganz wichtig! wir sind alle "opfer" dieser ideologie.
ich freu mich schon auf eure meinungen!
alles LIEBE,
tina

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Sexualität bedeutet unter anderem, sich der eigenen Interessen gewahr zu werden und bestrebt zu sein, sie durchzusetzen. Es ist ein sich selbst Ermächtigen, ein Gebrauch der eigenen Kreativität. Und genau das wird in der patriarchalen Gesellschaft der Frau nicht zugestanden.
Die Herrschaft der Väter
Das Patriarchat ist die Herrschaft der Väter: der Name und der Besitz werden vom Vater auf den Sohn vererbt. Heute sprechen viele Untersuchungen dafür, dass die menschliche Gesellschaften ursprünglich matrilinear waren, d.h. dass die Abstammung von der Mutter her erfasst und der mütterliche Name an die Kinder weitergegeben wurde. Es existieren noch wenige solcher Gesellschaften, z.B. manche indianische Ethnien.
Der Übergang zum Patriarchat dürfte mit der Entwicklung der Viehzucht einher gegangen sein. Erst die viehuüchtenden Männer werden sich der Bedeutung des männlichen Samens für die Fortpflanzung bewusst. Und erst in Form von Herden und Weidegründen wird der Besitz über den eigenen Gebrauch hinaus angesammelt und beginnt die Unterscheidung in Besitzende und Besitzlose. Und erst jetzt interessieren sich die Väter dafür, ob die Kinder die ihrigen sind. Ursprüngliche Jäger- und Sammlergesellschaften kennen keine unerwünschten Kindern. Sie kennen auch keine Unterdrückung und Reglementierung der Sexualität.
Die Vertreibung aus dem Paradies, in dem alles allen gehört und daher genug für alle da ist und die Nacktheit unschuldig ist, fällt zusammen mit dem Beginn des Patriarchats. Ab nun ist Eva sündig, sie wird dazu verurteilt, "dem Manne zu dienen und ihre Kinder in schmerzen zu gebären". Dieses Urteil wurde nicht zufällig von einem alten Mann ausgesprochen, vom höchsten Patriarchen, dem einen, eifersüchtigen Gott, neben dem es keinen anderen geben darf. Es ist ein wichtiges Kriterium des vollendeten Patriarchats, die Frau mit der Erde zu assoziieren [Anm. Tina: "Macht euch die Erde untertan!"] und den Mann mit dem Geist und dem Himmel und nur männliche Götter zuzulassen, selbstverständlich auch nur männliche Priester. Die Weltkirchen sind wichtige Stützen des Patriarchats.
Rein in die Ehe
Das wichtigste für den Patriarchen ist die absolute Garantie auf eheliche Treue, die ihm garantieren soll, dass es tatsächlich seine eigenen Söhne sind, denen er Namen und Besitz vererbt und nicht die eines anderen.
Dazu benötigt das Patriarchat die vollständige Kontrolle über die weibliche Sexualität. Die weibliche Keuschheit wird als Wert erfunden. Um diese sicherzustellen, ist jedes Mittel recht. Die Ehefrau wird eingesperrt. Das lässt sie sich nur gefallen, wenn sie die Freiheit nie kennen gelernt hat; die Erziehung der Frau beginnt also am besten gleich nach der Geburt. Anforderungen an die zukünftige Schwiegertochter gehen Hand in Hand mit der an die Tochter. Es versteht sich, dass die Frau keinerlei Mitspracherecht bei der Wahl ihres Ehemannes hat, sondern dass der Vater diese Wahl seinen eigenen Interessen entsprechend trifft, so wie sie seinen Besitzstand mehrt. Die Frau geht vom Besitz des Vaters in den Besitz des Ehemannes über und ist ihm völlig unterworfen.
Das Mädchen wird verheiratet, sobald es geschlechtsreif ist, also noch im minderjährigen, noch kindlichen Alter, denn damit lässt sich am besten garantieren, dass sie noch eine unberührte Jungfrau ist und keinerlei eigene sexuelle Interessen entwickelt hat. Der Mann hingegen kann erst heiraten, wenn er den Brautpreis zu bezahlen imstande ist, was häufig mit sich bringt, dass der Bräutigam wesentlich älter ist als die Braut. Das hat den Nebeneffekt, dass die Braut dem Bräutigam an Kraft und Erfahrung hoffnungslos unterlegen und somit noch wesentlich abhängiger von ihm und machtloser ist, als sie es ohnehin schon wäre in einer Gesellschaft, die ihr keinen Besitz, keine selbstbestimmte Mobilität und keine eigenen Rechte zugesteht. In der Folge davon kann der männliche Teil der Bevölkerung sich in dem Glauben wiegen, der weibliche sei kindisch und dumm und aus diesem Grund von dem Anspruch auf volle Menschenrechte auszuschließen.
Der Preis der Ehre
In diesem System hat die Frau sich selbst als eine Ware zu sehen, die nur dann etwas wert ist und einen Preis erzielen kann, wenn sie neu und nicht gebraucht ist. Hier setzt sich der Mythos der Jungfräulichkeit ein. Eine Frau ist nur ehrbar, wenn sie unberührt ist und in der Ehe treu, während es für den Mann kein derartiges Gebot gibt und ein Mann mehrere Frauen heiraten sowie Geliebte, Sklavinnen und Prostituierte haben kann. Diese patriarchale Ehre der Frauen ist eine völlig unnatürliche Ehre. Eine natürliche Frauenehre fühlt sich verletzt, wenn ihr, von wem auch immer, gegen den eigenen Willen eine körperliche Vereinigung aufgezwungen wird. Im unverfälschten Patriarchat jedoch begonnt die gewöhnliche ehrbare Ehe mit der Vergewaltigung durch einen Fremden und im Gegensatz dazu ist die von der Frau selbst gewählte Liebe eine Schande und Ehrlosigkeit. Die patriarchale Frauenehre stellt eine völlige Entfremdung der Frau von sich selbst dar. Die patriarchale Frau darf nicht für sich selbst einstehen, sie muss stattdessen für ihren Vater einstehen, der die Familie repräsentiert.
Die Frau hat unberührt in die Ehe zu gehen, ansonsten bringt sie Schande über die Familie. Der Nachweis ist das blutbefleckte Hochzeitsbetttuch, das der Sippe vorgezeigt wird. Die ursprüngliche Initiation der Frau: das Menstruationsblut als Nachweis der Fähigkeit, Leben zu schenken, wird im Patriarchat entehrt und versteckt, sogar vor dem Mädchen selbst, das darüber in Unwissenheit gelassen wird. An seine Stelle wird die Initiation zur Ehefrau in der Entjungferung gesetzt und dieses vom Mann zum Fließen gebrachte Blut verehrt. Wenn dieses Blut in der Hochzeitsnacht nicht zum Fließen gebracht werden kann, verlangt die patriarchale Gesellschaft den Blutpreis in Form des Lebens der Braut. Viele Frauen, die unehelich schwanger oder Mutter werden oder auch nur im Verdacht stehen, Anzeichen sexueller Interessen zu zeigen, werden in den Selbstmord getrieben oder ermordet, zum Mindesten aber verstoßen und aller materiellen und sozialen Grundlagen beraubt.
Die Auslöschung des Triebes
Die nächste Konsequenz ist bereits die Beschneidung. In Gesellschaften, die dieses extremste Mittel zum Gefügigmachen der Frau in Gebrauch haben, tritt das Blut, das bei der Beschneidung fließt an die Stelle des ursprünglichen Menstruationsblutes. Wie die christliche Taufe und alle anderen Initiationsriten stellt die Beschneidung eine zweite Geburt dar: jener als soziales und kulturelles Wesen, als Mitglied eines der Familie und Sippe übergeordneten Gemeinwesens. Die weibliche Genitalverstümmelung soll die natürliche Frau zur kulturell überformten patriarchalen Frau machen, deren Sexualität vom Mann kontrolliert wird. Wie ganz offen zugegeben wird, soll die Beschneidung die Keuschheit der Frau bewirken: die Auslöschung ihres Sexualtriebes und die Zerstörung ihrer sexuellen Lust, um ihre Jungfäulichkeit bis zur Verheiratung und ihre eheliche Treue zu garantieren, alles um dem Mann den alleinigen Besitz seiner Frau und die ausschließliche Weitergabe seiner Gene über ihren Körper zu garantieren. Die Beschneidung entspricht in gewissem Sinne einer Kastration. Sie unterbindet zwar nicht die Fruchtbarkeit wie die Kastration eines Mannes, aber sie enteignet die Frau ihrer Fruchtbarkeit, indem sie ihr die Kontrolle darüber entwindet und in die Hand des Mannes gibt. Sie gibt es dem Mann in die Hand, wann die Frau geöffnet und wann sie verschlossen ist. Der Mann kontrolliert völlig die Geschlechtsorgane der Frau, auch wenn er die Drecksarbeit (Entschuldigung) der tatsächlichen Beschneidung elegant den Frauen überlässt.
Wir finden diese Methoden auch in anderen Traditionen und Kulturkreisen. Im alten China wurde die Frau immobilisiert, indem ihre Füße verstümmelt wurden. Auch hier war es die Aufgabe der Mütter, die Fußknochen ihrer Töchter im zarten Kindesalter zu brechen und ihre Füße umzubiegen und fest zu umwickeln. In Kriegszeiten begingen viele Chinesinnen Selbstmord, da sie nicht vor den Feinden fliehen konnten. Die verstümmelten Füße galten als Sexsymbol und wurden in Gedichten als "Lilienfüßchen" gerühmt. Erst Mao räumte mit dieser grausamen Tradition auf.
In Europa wiederum wurde es während der Kreuzzüge Sitte unter den Rittern, ihren Gemahlinnen einen Keuschheitsgürtel anzulegen, der aus schwerem Eisen bestand und dessen Schlüssel die Ritter ins Heilige Land mitnahmen.
Mitte des 19. Jahrhunderts [!!] gab es in Wien einen Frauenarzt namens Gustav Braun, der Frauen die Klitoris und die inneren Schamlippen amputierte, um "die Krankheit der Masturbation" zu heilen, denn die gesunde Frau hatte keine sexuelle Lust zu haben außer die durch den Mann erzeugte. Heute wissen wir aus groß angelegten Umfragen, dass Frauen, die sich nie selber Lust bereitet haben, gar nicht fähig sind, einen Orgasmus zu erleben. Schon rigorose Verbote, Drohungen, Geheimhaltungen, kurz Tabus sind brauchbare "Keuschheitsgürtel".
Die sexuelle Unterdrückung der Frau wird auch immer mit dem Schutz der Frau begründet. Das Gegenteil ist richtig. In Strukturen, die Männern alle Rechte in die Hand geben und Frauen schwächen, demütigen und in Unwissenheit über sexuelle Dinge lassen, werden viele Frauen Opfer. Kliniken berichten sogar von Verletzungen an Frauen mit infibulierten Geschlechtsorganen, die aus Vergewaltigungen resultieren. Konsequenterweise wird den Frauen selber die Schuld dafür zugeschrieben, "entehrt" worden zu sein und sie werden dafür verstoßen, in den Selbstmord getrieben, ermordet oder auch "nur" gezwungen, ihren Peiniger zu heiraten.
Heute finden wir diese Verbrechen im Namen der Ehre hauptsächlich in islamischen Ländern, aber sie gehören auch zur Geschichte des christlichen Europa. Noch heute spricht der Papst den Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihre Körper ab, etwa wenn er den Vergewaltigungsopfern aus den Bürgerkriegen aufträgt, die aus dem erlittenen Verbrechen resultierende Leibesfrucht auszutragen und als ihr Kind zu lieben und aufzuziehen.
Was die weibliche Sexualverstümmelung betrifft, so haben sich die missionierenden Kirchen mit der vorgefundenen Tradition arrangiert, so gut, dass etwa koptische Priester in Ägypten sich sogar weigerten, unbeschnittene Mädchen zu taufen und sie erst im Zuge des offiziellen Verbotes durch die Regierung verurteilten. Die islamischen Führer in Ägypten hingegen riefen die Gläubiger sogar zur Übertretung des Verbotes auf und bezeichneten die Beschneidung als ebenso wichtig wie das Gebet. Dabei findet sich im Koran keine entsprechende Sure, die sie vorschreiben würde. Das passt aber ins patriarchale Konzept des Islams.
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