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Nein, bindend wäre das nicht. Aber der Kontext der Demo wäre klarer umrissen, und ich hätte es einfacher gegebenenfalls aus dem Topf gut sichtbar rauszuklettern, falls jemand mich mit Menschen in einen Topf wirft, mit denen ich nicht gerne in Verbindung gebracht werden will.
Ja, ich würde nie kritisieren wenn jemand für sich sagt "das hier ist nicht meins, ich bin weg" und vorher genau wissen will worum es gehen wird, vielleicht auch wer kommen wird. Was mich stört, und ich meine nicht Dich damit, ist wenn die persönlich zutreffende Art des Umgangs mit sowas als absoluter Maßstab für andere genommen wird, "sonst". Also im Sinne von: "Wenn da ein Rechtsextremer auf der Bühne auftaucht und man dann nicht geht, ist man rechts. Oder aber mindestens mitverantwortlich die stark zu machen."
Und das finde ich nicht zulässig, schon von der Logik her nicht, weil das Vorverurteilungen sind die nur im Kontext eigener Überzeugungen plausibel sind. Anders gesagt: Das sind Theorien über andere die nicht selten geäußert werden als seien das absolute Wahrheiten, „ist so und nicht anders!“.
Der Satiriker Florian Schroeder hat auf einer Anti-Coronamaßnahmen-Demo gesprochen. Das Video davon ging schon viral, darum hier mal ein Video, in dem er dazu interviewt wurde - sehr interessant, wie ich finde, und ich glaube, Du würdest ihm in dem Video auch in vielem zustimmen:
Er erntete viele Pfiffe und ablehnende Rufe für seine Rede auf der Demo. Warum?
Ich kannte seine Rede noch nicht, daher habe ich mir eben beides angesehen.
Hier noch mal, vielleicht für andere, seine Rede. Versuch es mal aus einer etwas anderen Perspektive anzusehen. Zum einen wurde er nicht nur ausgebuht. Er hat nicht ausschließlich nur negatives Feedback bekommen. Es gibt Stellen an denen er sogar Beifall bekommt und ein anderer Redner dankt ihm am Ende. Eine sehr interessante Stelle ist bei ca. 9:50. Da spricht er darüber, Meinungsfreiheit heiße das auch jemand wie er mit seiner gegenteiligen Meinung ausgehalten und ihm zugehört würde usw. An der Stelle bekommt er dann sogar Beifall. Warum bekommt er da Beifall? Zum einen weil die vielleicht einfach zustimmen, ich glaube aber: Weil die sich das wünschen. Und egal wie bescheuert ich die Ansichten vieler dort finde, vermutlich der meisten, es gibt einen Punkt mit dem ich übereinstimme: Auch deren Meinungen müssen ausgehalten werden und sie sollten gehört werden. Die fühlen sich nämlich unterdrückt und nicht mal zu Unrecht. Auf Plattformen wie YouTube werden kritische Videos über Corona nicht selten gelöscht. In Talkshows werden deren „Helden“, jene Mediziner z.B. die anderer Ansicht sind, gar nicht erst eingeladen. Gerade bei Corona gibt es da oft gar keine Gegenstimme. Und die Berichterstattung über solche Demos kommt nie aus ohne eine politische Verortung. Da wird nie, ich kenne wirklich nicht einen Artikel, der nur von Demonstranten gegen die Maßnahmen spricht, sondern es fallen sofort Begriffe wie „Coronaleugner“, „VTler“, „Rechtsextreme“ usw. Und ja, die Begriffe treffen auf einige zu, aber die Mehrheit fühlt sich damit nicht beschrieben sondern diskreditiert. Insofern werden es die meisten dort wahrscheinlich ziemlich ironisch finden, dass jemand aus den Mainstream-Medien ihnen erklärt man müsse auch andere Meinungen aushalten. Denn wie gesagt, die würden sich wünschen das es so wäre.
Es gibt noch eine interessante Stelle, etwas früher bei 7:50. Da wird er ausgebuht und sagt sinngemäß: „Das ist meine Meinung. Wenn Ihr für Meinungsfreiheit seid, haltet Ihr meine Meinung aus …..ohne zu buhen.“.
Und da liegt er z.B. falsch. Meinungsfreiheit heißt ja nicht, dass man nicht reagieren und keine Kritik signalisieren darf. Meinungsfreiheit heißt das er sprechen darf und angehört wird - und das wird er. Und noch mal: Die fühlen sich Meinungsfreiheit betreffend nicht in der Defensive. Aus deren Perspektive sind sie es die Meinungsfreiheit leben während ihre Ansichten unterdrückt und/oder diskreditiert werden. Und zum Teil ist das leider nicht falsch. Die Berichterstattung ist einseitig. Die Berichterstattung ist tendenziös. In Talkshows muss man lange suchen bevor man mal einen Gast findet der solche Ansichten repräsentiert.
Und nur um hier kein Missverständnis entstehen zu lassen, wobei es ja eh alle wissen die mich ein bisschen kennen: Ich bin die Sache betreffend bei diesem Thema „Mainstream“. Wäre ich Bundeskanzler, ich würde viel mehr auf Masken setzen und die noch härter durchzusetzen versuchen. Aber ich würde trotzdem mehr Wert darauf legen dass andere Ansichten auch ihren Platz haben. Und Angela Merkel z.B. hat einen harten Fehler gemacht, als sie öffentlich zustimmte dass die Berliner Demo zuerst mal verboten wurde. Sowas ist wirklich nicht ihre Rolle und sieht richtig mies aus.
Und betrachten wir mal weiter eine hypothetische Demo, an der Du teilnimmst. Das Grundthema der Demo ist der wichtig. Nun tritt ein Redner auf, der das Thema mit dümmlichen rechtslastigen Verschwörungsmythen vermischt - also Dinge sagt, denen Du absolut nicht zustimmen willst. Wie groß müsste der Beifall aus Deiner Umgebung sein, damit Du Dich auf der Demo nicht mehr wohl fühlst?
Und wie sähe es aus, wenn da so eine Rede gehalten wird, die Dir so gar nicht zusagt, er/sie auch Dinge sagt, die Du geradezu verabscheust, und Du auch bemerkst, dass der Redner von vielen Menschen um Dich herum Beifall bekommt?
Es könnte absolut sein, dass ich verschwinden würde, käme auf vieles an was ich vorher nicht sagen könnte. Es könnte auch sein dass ich einfach aus Interesse zuhöre. Es würde sogar zu mir passen, dass ich zu einer AfD-Demo gehe nur um zu sehen wie es da so abläuft und was da so gesagt wird. Könnte ich ne Zeitreise machen würde ich mir auch Hitler anhören.
Grundlegend ist es aber so: Ich gehe normalerweise gar nicht auf Demos. Ich würde das machen wenn es einen harten Missstand gäbe den ich derart wichtig finde, von dem ich glaube das es irgendwie tatsächlich einen Unterschied machen würde wenn ich da auftauche. Daher brachte ich ziemlich extreme Beispiele wie etwa „vergiftetes Wasser“. Und wie schon mal gesagt: Ginge es um so etwas, Kinder in meiner Umgebung würden krank, dann würde ich mich ganz sicher nicht darüber freuen wenn einige Redner kompletten Scheiß reden. Meine Priorität wäre aber: Aufmerksamkeit auf die Sache. Im Zweifel wäre mir lieber mit der AfD gegen verbleites Wasser zu demonstrieren als das es niemand tut.