Das Bewusstsein und die moderne Wissenschaft

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Duckface schrieb:
Tatsächlich lautet das Argument, dass sich das Bewusstsein mit seinen Aspekten prinzipiell nicht wesensmäßig erfassen lässt, weil es eben nicht zur materialistischen Sphäre der Existenz gehört.
Das ist genau die Art von Argumentation, die ich gerade vorhin kritisiert habe: "Ich weiß nichts über etwas, deshalb weiß ich etwas darüber"
Du sagst im Prinzip: "Wir haben es noch nicht erklärt, deswegen können wir es nicht erkären." Du ziehst aus dem Umstand, dass wir etwas noch nicht erklärt haben Schlüsse - Fakt ist aber, dass man aus diesem Umstand nur einen Schluss ziehen kann: Dass wir es noch nicht wissen. Man kann daraus nicht ableiten, dass es "nicht zur materialistischen Sphäre der Existenz gehört" oder sonst irgendeinen Schmafu.
Das ist rein esoterisches Denken, das nie zu Lösungen führt. Denn wenn Wissenschaftler in der Vergangenheit so gedacht hätten, als man z.B. die Mechanismen von Elektrizität erforscht hat (denn diese hat sicher auch irgendwann mal "göttlich" und "magisch" gewirkt), dann wären wir ziemlich abrupt in unserer Entwicklung stehengeblieben. Selbst heute können wir noch nicht 100% nachvollziehen, wie ein Blitz genau funktioniert, aber wir können Blitze schon verwenden, um Musik zu produzieren.

Dass die Neurowissenschaften Bewusstsein "nicht einmal annähernd im Wesen begreifen und beschreiben" kann ist übrigens ebenso falsch. Wir können Bewusstsein fast nach Belieben manipulieren, wir können es entfernen, wir kennen Krankheiten, die es in so vielen verschiedenen Arten verändern können, wir studieren diese verschiedenen Formen ... im Prinzip sind wir schon recht weit. Die Neurowissenschaft ist, wie gesagt, sehr jung. Viele Wissenschaftler halten es für sehr unseriös, sich beim jetztigen Forschungsstand genauer mit neuralen Korrelaten eines so vagen, fast philosophischen Begriffs wie Bewusstsein zu beschäftigen, ganz einfach weil es viel einfachere, viel weltlichere und praktischere Fragen in der Neurowissenschaften gibt, die noch beantwortet werden müssen.
Das wäre, als würden Vordenker der Quantenphysik wie de Broglie sich sofort hinsetzen und anfangen, einen Bauplan für einen Quantenkryptographen zu zeichnen - es wäre ein sinnloses Unterfangen, weil dazwischen noch hunderte, tausende andere Dinge verstanden werden müssten.
 
Du sagst im Prinzip: "Wir haben es noch nicht erklärt, deswegen können wir es nicht erkären."

Korrekt. Und ich bin nicht die Einzige, die diese Vermutung in Bezug auf das Bewusstsein anstellt. Auch manche Neurowissenschaftler teilten diese Auffassung, beispielsweise der Nobelpreisträger John C. Eccles.

Prof. Dr. Gerald Wolf antwortet auf die Frage, ob so genannte neuronale Substrate bewusster Intentionen bereits identifiziert worden seien: "Mitunter zwar behauptet, aber weder denkbar noch gar belegt." Hält er es demnach für undenkbar, dass man überhaupt neurophysiologische Ursachen des Bewussten angeben kann?

Wichtig ist in diesem Kontext: Es geht um das Wesen des Bewusstseins an sich. Es mag ja zutreffend sein, dass man das Bewusstsein mittels der Manipulation spezifischer Hirnareale verändern oder anderweitig beeinflussen kann. Das liefert aber eben nicht die Antwort auf die Frage, was das Bewusstsein wesensmäßig ist. Zur Beschaffenheit des Bewusstseins sind mir keine materialistischen Definitionen bekannt.
 
Anders gesprochen, wenn ein Radiogerät einen Defekt hat, bedeutet das ja nicht per se, dass keine Radiowellen mehr gesendet werden, sondern lediglich, dass sie von diesem Empfangsgerät nicht mehr umgesetzt und als auditive Reize weitergeleitet werden können.

Ja, ich persönlich vergleiche die Interaktion zwischen dem Bewusstsein und dem Gehirn gern mit dem Klavierspieler und dem Piano. Auch wenn das Klavier defekt ist, so dass es bestimmte Töne nicht mehr produzieren kann, bleibt der Pianist selber doch gänzlich unberührt von dieser technischen Manipulation. Dennoch verändert sich die Qualität des Klavierkonzerts (in der Analogie das Erscheinungsbild der Persönlichkeit).

Das Bewusstsein erkennt sich selber. Intuitiv spüren wir, was der reflexive Geist ist. Dem Physikalismus ist es bisher aber trotz allen wissenschaftlichen Engagements nicht möglich, nachvollziehbare Beschreibungen der Bewusstseinsnatur zu offenbaren...

Das Argument, dass die Neurowissenschaften insgesamt noch sehr jung seien, ist streitbar. Die Neurowissenschaft existiert bereits seit vielen Jahrzehnten und hat inzwischen eine enorme Evolution erlebt. Zeugnis dieses technologischen Fortschritts sind diagnostische Errungenschaften wie der funktionelle Magnetresonanztomograph, der Positronen-Emissions-Tomograph, aber auch die craniale Computertomographie.

Wenn man postuliert, es sei den Neurobiologen bereits möglich, Bewusstseinszustände nahezu nach Belieben manipulieren zu können, dann belegt auch dies, dass die Fachkenntnisse der Neurowissenschaftler gar nicht so rudimentär sein können, wie man es in der Argumentation gerne hätte.;)
 
Das ist genau die Art von Argumentation, die ich gerade vorhin kritisiert habe: "Ich weiß nichts über etwas, deshalb weiß ich etwas darüber"
Du sagst im Prinzip: "Wir haben es noch nicht erklärt, deswegen können wir es nicht erkären." Du ziehst aus dem Umstand, dass wir etwas noch nicht erklärt haben Schlüsse - Fakt ist aber, dass man aus diesem Umstand nur einen Schluss ziehen kann: Dass wir es noch nicht wissen. Man kann daraus nicht ableiten, dass es "nicht zur materialistischen Sphäre der Existenz gehört" oder sonst irgendeinen Schmafu.
Das ist rein esoterisches Denken, das nie zu Lösungen führt.
Sehr richtig. Daß es so ist, kann man einfach selberdenkend erfahren. Und zwar stelle man sich vor, man hätte kein Gehirn, sondern einen Stein im Kopf. Wir wissen was ein Stein ist und wie er funktioniert. Nun stelle man sich vor, dieser Stein erfülle die gleichen Funktionen wie ein Gehirn.

Da wir wissen, wie ein Stein funktioniert, wissen wir dann auch, wie unser Bewusstsein zustande kommt: durch den Stein. Alles Andere steht ausser Frage, weil wir ja wissen, wie der Stein funktioniert.

Da wir keinen Stein, sondern ein Gehirn im Kopf haben, können wir also nicht ableiten, daß Bewusstsein und Bewusstseinsbildung nicht im Gehirn stattfindet. Und es wie im Eingangspost als "wahrscheinlich" zu verkaufen ist ein Mädchentraum, würde ich sagen, oder auch eine Milchmädchenrechnung, wobei da nicht sichtbar ein Rechenprozess stattgefunden haben kann, sonst käme man nicht zu so unsinnigen Aussagen, daß wir, weil wir nicht wissen, wissen können, daß es so ist, wie man gerne glauben würde. Das wäre a bisserl zu naiv.

lg
 
Da wir wissen, wie ein Stein funktioniert, wissen wir dann auch, wie unser Bewusstsein zustande kommt: durch den Stein. Alles Andere steht ausser Frage, weil wir ja wissen, wie der Stein funktioniert.

Das setzt bereits voraus, dass das Gehirn bzw. in diesem Falle der Stein ein Bewusstsein generieren kann, ist also ein klassischer Zirkelschluss.

Sehr richtig. Daß es so ist, kann man einfach selberdenkend erfahren.

Dass man aus einem Unwissen keine Schlussfolgerungen ableiten kann, ist für alles Mögliche zutreffend. Das Bewusstsein stellt aber eben eine absolute Spezialität und Einmaligkeit in der Natur dar. Es ist weder energetisch noch materiell. Der Eigenschaft der Reflexivität begegnen wir in der experimentellen Forschung nicht. Die Reflexion wird weder bei Quarks, noch bei Leptonen, noch bei Atomen, noch bei Molekülen beobachtet - seien sie nun organischer oder anorganischer Art. Es wird dann einfach behauptet, dass ein höherer Komplexitätsgrad des Zusammenwirkens vieler Moleküle plötzlich so etwas Mysteriöses wie Qualia und Reflexionspotenzial erzeugen könne. Ich sehe dafür keine wissenschaftliche Basis.
 
Das setzt bereits voraus, dass das Gehirn bzw. in diesem Falle der Stein ein Bewusstsein generieren kann, ist also ein klassischer Zirkelschluss.
Wo würdest Du denn das Zustandekommen von menschlichem Bewusstsein sonst verorten, wenn nicht im Gehirn? Wenn wir doch Bewusstsein verändern und sogar nehmen können, indem wir Gehirn verändern oder nehmen, dann ist doch wohl relativ klar, daß es auch dort generiert wird.
Dass man aus einem Unwissen keine Schlussfolgerungen ableiten kann, ist für alles Mögliche zutreffend. Das Bewusstsein stellt aber eben eine absolute Spezialität und Einmaligkeit in der Natur dar. Es ist weder energetisch noch materiell. Der Eigenschaft der Reflexivität begegnen wir in der experimentellen Forschung nicht. Die Reflexion wird weder bei Quarks, noch bei Leptonen, noch bei Atomen, noch bei Molekülen beobachtet - seien sie nun organischer oder anorganischer Art. Es wird dann einfach behauptet, dass ein höherer Komplexitätsgrad des Zusammenwirkens vieler Moleküle plötzlich so etwas Mysteriöses wie Qualia und Reflexionspotenzial erzeugen könne. Ich sehe dafür keine wissenschaftliche Basis.
Liebe Alice, der Mensch befindet sich in der Erforschung des Gehirns gerade mal auf der Ebene, auf der er mit einfachsten Mitteln messen kann, wo in etwa welche organische Funktion sitzt. Bewusstseinsfunktionen des Gehirns zu erforschen dürfte wohl kaum ein ernsthaftes Bestreben der Naturwissenschaft in diesem unseren Jahrhundert werden.

Daheraus nun irgendwelche Ableitungen zu treffen, Bewusstsein finde ausserkörperlich statt ist doch genauso unsinnig wie zu denken, nach dem Tod begegne man allen lieben Verstorbenen wieder oder würde in einer nichtmateriellen Geisterwelt wie dieser hier leben und daher Kontakt mit den Lebendigen haben können. Es ist zwar auf einer kindlich-naiven Ebene sicherlich wünschenswert, sich denkend geräumigere Bedingungen zu erschaffen als sie vorhanden sind, aber auf den irdischen Teppich zu kommen ist wohl noch sinnvoller. Und auf diesem Teppich wissen wir eben nicht und können daher auch keine Ableitungen treffen. (und Romane bieten da sicherlich keine geeigneten Vorlagen, ebenso wenig Märchen usw. Die zeigen nur das innere Funktionieren von Bewusstsein und stellen ja nicht reale Bedingungen dar.)

lg
 
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Die Idee des Computers mag zwar einem Gehirn entsprungen sein, ist aber ganz sicher nicht von ihm abgeleitet. Er besteht aus ganz anderen Materialen, ist völlig unterschiedlich aufgebaut und funktioniert nach Prinzipien, die mit Hirnfunktionen nichts gemein haben.

Das mag dein Gedanke sein. Die Funktionsweise des Gehirns hat Menschen überhaupt auf die Idee des Computers gebracht. Die Daten-Verarbeitung  In der Natur ist diese Funktion am Besten dem Gehirn zuzuordnen.

Ob Computer lernen können, hängt meiner Meinung nach sehr von der Auslegung des Wortes "lernen" ab. Sie können sich wiederholende Merkmale, Ähnlichkeiten aus sich sonst unterscheidenden Mustern herausfiltern, wie z.B. Buchstaben entziffern, die in verschiedenen Handschriften geschrieben wurden. Diese Fähigkeit verbessert sich zwar mit der Anzahl der präsentierten Muster, aber ich würde das nicht unbedingt als lernen bezeichnen. Außerdem sind sie dabei nicht sehr flexibel, könen nur das finden, worauf sie Programmiert sind. Sie tun nichts aus eigenem Antrieb heraus, besitzen keine Neugier und kein tieferes Verständnis für das, was sie tun. Ein Spracherkennungsprogramm hat keine Ahnung vom Sinn dessen, was es da in Text übersetzt.
Ich kann deshalb auch nicht sehen, wo der Computer dem Gehirn immer näher kommen soll. Auch ein moderner Großrechner hat weit mehr Ähnlichkeit mit einem Transistorradio, als mit dem "Hirn" einer Fliege.

Die Fliege mag mehr Hirnleistung besitzen, trotzdem solltest du schauen, wie das Gehirn der Primaten einst anfing, Daten aufzunehmen. Sie haben damals auch nicht gleich nach dem Sinn des Lebens gefragt. Es ging ihnen erstmals darum, wie sie dem Säbelzahntiger entkamen und selber zu Futter kamen. Erst durch wiederholtes Training hat sich das Gehirn zu dem entwickelt, als was wir es heute betrachten. Das Endprodukt Hirn von heute, nach vielen Jahren der Evolution, war am Anfang nicht wie heute philosophisch veranlagt.

Die Simulation bzw. der Nachbau von neuronalen Netzen steht noch ganz am Anfang und kann biologische Strukturen nur extrem vereinfacht nachbilden.

Das stimmt so nicht. Den Bereich der Neuroinformatik gibt es nicht erst seit gestern.
Als mein Ex-Freund 1994 mit seiner Promotion darin begann, gab es sie schon seit ein paar Jährchen. Das heißt natürlich nicht, dass sie bereits das Gehirn kopieren können....aber immerhin.

Sie besitzen vielleicht ein paar tausend künstlichen Nervenzellen die dazu auch noch in weit geringerem Maße untereinander vernetzt sind, als die schätzungsweise 100 Milliarden Neuronen des Menschlichen Gehirns. Das solche, vergleichsweise bescheidenen Nachahmungen trotzdem schon verblüffende Ergebnisse liefern können, zeigt mir vor allem, dass man die Fähigkeiten der grauen Masse in unserem Kopf gar nicht hoch genug einschätzen kann. Ein derzeit noch fehlendes Verständnis dieser, fast schon ehrfurchtgebietend komplexen Struktur als Indiz für die Existenz einer überirdischen Seele zu werten, halte für ziemlich verwegen.

Habe ich das gemacht? Ich verwies lediglich darauf, dass anorganischer Materie gewisse Merkmale fehlen, die seltsamer Weise der Organischen zugegen sind.

Und selbst wenn man es irgendwann schafft, eine Maschine zu bauen, die denken kann, so bleibe ich doch ich selbst. Immerhin teile ich mir jetzt schon den Planeten mit ein paar Milliarden Menschen, die größtenteils mindestens so gut denken können, wie ich. Das ändert doch nichts an der Einzigartigkeit oder gar dem Wert jedes Einzelnen.

Ich bin kein Kostverächter. Das Organische hat natürlich was Besonderes, was Auffälliges.

Auch ganz ohne Gott oder eine sonst wie gearteten Parallelwelt, die uns gnädigerweise zu etwas besonderem macht, indem sie den Geist über uns kommen lässt.

Wer ist uns?
(Diese Fragen sind bitte philosophisch zu betrachten.)
Wir und der Geist?
Was ist Geist?

Schlag' ein paar Mal mit einem Hammer auf deinen Bildschirm und versuch' dann, ihn einzuschalten. Wird schwer gehen, denn das Ding wird nicht auf dich reagieren.
Warum nicht?
Er besteht nach den Schlägen aus den selben Atomen wie zuvor und trotzdem zeigt er komischerweise kein Bild mehr an. Könnte es sein, dass das weniger mit den Atomen an sich zu tun hat, als mit deren Anordnug?

Ach was? :D
Hast du schon mal einen lebendigen Menschen nachbauen können, in dem du seine Bau-Anordnung kopiert hast?
Ist das nicht die Frankenstein-Geschichte? :)

Schieb' dir doch mal ein Monitorkabel in eine deiner Körperöffnungen und versuche, ein Bild anzuzeigen. Geht nicht?

Du willst mir doch jetzt wirklich nicht erzählen, dass du soweit gegangen bist, oder?

Dein Körper besteht doch auch aus Atomen? Oder spreche mal mit jemandem, dem man das Gehirn entfernt hat, versuch' dich mit ihm zu unterhalten. Dieser Jemand wird nicht selbstbewusst auf dich reagieren.
Warum nicht?


Gruß
McCoy

Wenn wir beide miteinander telefonieren und einer reißt mir oder dir das Telefon aus der Hand und erschlägt das Teil, wie können wir uns dann noch unterhalten? Über Rauch- oder Trommel-Zeichen?

LG
Justi
 
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