Ziehe nochmal die wichtigsten Passagen aus meinen Beitrag heraus:
Empfehlung zur Behandlung respiratorischer Komplikationen bei akuter Virusinfektion außerhalb der Intensivstation.
Herausgegeben vom Verband Pneumologischer Kliniken (VPK) Thomas Voshaar, Dominic Dellweg, Martin Hetzel
"Auf der anderen Seite gibt es keine Hinweise darauf, dass eine Viruspneumonie durch CoV-2 unter invasiver Beatmung einen besseren Verlauf nimmt. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass in der aktuellen Phase und insbesondere unter Berücksichtigung etablierter Regeln der Notfall- und Intensivmedizin zu viele Patienten zu früh Intubierten werden." [...]
"Bei hypoxämischer Insuffizienz wird in der Regel auf der IS zu früh beatmet und zu viel Sauerstoff gegeben (10). Das beschleunigt die Entwicklung eines ARDS, denn hohe Beatmungsdrucke schädigen die Alveolen und induzieren eine Entzündung, die dann bei der Infektabwehr fehlt (11). Ebenfalls führen Sauerstoffkonzentrationen über 50 % in der Inspirationsluft zu einer erheblichen Radikallast in der Lunge, die ebenfalls eine Entzündungsreaktion auslöst."
Das könnte bedeuten, dass durch die aktuelle Praxis der Frühintubation mit invasiver Beatmung und intensivmedizinischer Versorgung ein ARDS (als Akutes Lungenversagen, fachsprachlich auch Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) genannt, oder Akutes Atemnotsyndrom wird die massive Reaktion der Lunge auf verschiedene schädigende Faktoren bezeichnet; unabhängig davon, ob die daraus resultierenden pulmonalen Entzündungsmechanismen primär pulmonal oder systemisch ausgelöst werden) überhaupt erst verursacht oder beschleunigt wird und daraus Todesfälle der so Behandelten resultierten.
Auszüge aus dem Erfahrungsbericht von Dr. med. Thomas Voshaar, der sich an seine lungenärztlichen Kollegen richtet.
... Jetzt das Wichtigste: Die Intubation ist bestimmt für die meisten der Beginn des Sterbens. Die Intubation rettet nur in dem Moment, wo ich sie vornehme. Es gibt absolut gar keine Daten zum Outcome ((Nutzen)) für frühe Intubation! Es wird über mittlere Beatmungsdauern von 20 Tagen berichtet, ohne das mitgeteilt wird, was dann kommt: Tod, ECMO ((maschinelle künstliche Beatmung)), Langes Weaning ((Entwöhnung von der künstlichen Beatmung))?
Früh intubiert wird aus Hilflosigkeit, aus dem Bedürfnis nach Sicherheit, aus Mangel an NIV-Geräten ((nicht invasive Beatmung)), aus Mangel an NIV-Erfahrung..... immer in China, in Italien, in Frankreich aus dem Chaos heraus! Definitiv. Die appelative Aufforderung zur frühen Intubation, also bei Sat<93% ((Sauerstoffsättigung)) und AF um 30/ Min ((Atemfrequenz)) ist durch nichts gerechtfertigt, schon gar nicht durch Outcome – Daten.…
Bei einer Erkrankung, die wir nicht behandeln können, sollten wir den Körper so wenig bei der Selbstheilung stören wie möglich, keine zusätzlichen Schäden an der Lunge durch invasive Beatmung setzen und den Patienten nur in der Krisis unterstützen, durch Sauerstoff oder NIV. Übersteht er das 5–7 Tage, so wird es plötzlich besser. Das ist unsere Beobachtung.
Man sollte diesen Beobachtungen der Pneumologen vielleicht doch etwas mehr Aufmerksamkeit widmen.
Ich weiß nicht, ob es Dir bewusst ist: Aber in den Krankenhäusern arbeiten auch sehr viele Pneumologen, die eben diese Beatmungen ggf. durchführen und anordnen.
Es wäre schön, wenn diese Schilderungen sich weit übertragen und verallgemeinern ließen und sich damit Beatmungsplätze einsparen lassen. Die Frage, die bleibt - und die ich auch schon stellte, als Du den Textauszug das erste Mal hier reingestellt hast heute - wieviel kann man damit einsparen? Ich gebe nochmal zu bedenken, dass wir bei einer ungebremsten Ausbreitung einer Pandemie nicht davon reden, dass die bestehenden Kapazitäten ein wenig überschritten werden, sondern um ein Vielfaches. Und ich sehe nicht, dass diese Textstellen irgendwie zeigen würden, dass auch ausreichend Intensivbetten und Beatmungseinrichtungen eingespart werden könnten.
Nehmen wir zum Beispiel den Satz: "Bei hypoxämischer Insuffizienz wird in der Regel auf der IS zu früh beatmet ..." Tja, das bedeutet, dass der Patient schonmal auf der Intensivstation (eben die IS) liegt. Das bedeutet, dass das schonmal ein Patient ist, dessen Zustand so schlecht ist, dass er eine lückenlose 24/7-Beobachtung seiner Vitalfunktionen und schnelles Eingreifen bei Krisen benötigt. Alleine an diesem Textbaustein lässt sich erkennen, dass diese Beobachtungen - auch, wenn sie allgemeingültig stimmen - KEINE Intensivplätze einsparen würden. Der Bericht schreibt NICHT, dass es nicht nötig wäre, dass der Patient auf der IS liegt.
Gehen wir weiter zur invasiven Beatmung. Da steht dann lapidar: "Übersteht er das 5-7 tage, so wird es plötzlich besser." Tja, und wenn er nicht 5-7 Tage das übersteht? Diese Möglichkeit ist zwar implizit in der Formulierung enthalten, aber es gibt keine Aussage darüber, wie groß der Anteil der Patienten ist, die das 5-7 Tage überstehen. D.h. aus dem Bericht kann auch keine Angabe gezogen werden, wie viele Intubationen man einsparen könnte.
Weiterhin das Fazit: Das sind spannende Beobachtungen, die interessante Möglichkeiten offenlegen und möglicherweise dazu führen könnten, dass Patienten schonender und trotzdem wirkungsvoll behandelt werden. ABER sie machen die aktuelle Pandemie nicht wesentlich harmloser. Auch anhand dieser Schilderungen wird KEIN Intensivbett eingespart. Und wie groß der Anteil der invasiv beatmeten Patienten ist, bei denen das nicht nötig gewesen wäre - die eben 5-7 Tage NIV überstehen würden - wird nicht angegeben, so dass damit auch NICHT wirklich sowas wie eine "alles ist harmlos"-Entwarnung gegeben werden könnte.
Man kann diesen Beobachtungen durchaus Aufmerksamkeit schenken, und ich bin mir sicher, dass viele Lungenmediziner weltweit entsprechende Paper lesen. Wenn man sich den Text genau durchliest, stellt man aber leider fest, dass er keine Wunder ggü der aktuellen Behandlungsweise verspricht und die damit möglicherweise effektivere Behandlung die aktuelle Pandemie ungebremst auch nicht abfangen würde.