Tatsächlich ist die Zeit weder linear noch ein Phänomen, das man als gegeben voraussetzen kann. Beides sind bestimmte, selbst erschaffte Denkweisen die als Erklärungsmodelle dienen und im Alltag nützlich sind.
In den Naturwissenschaften und im Bereich Technik bedeutet Linearität, dass ein System auf die Veränderung eines Parameters stets mit einer dazu proportionalen Änderung eines anderen Parameters reagiert. Aber die Zeit ist kein eigenes System mit der Eigenschaft reagieren zu können. Es gibt nichts Konkretes, auf das man – anschaulich gesagt – mit dem Finger zeigen und sagen könnte ”Das da ist die Zeit.“ Denn da ist kein Ding/Wirkung namens Zeit, dem die vorausgesetzte Eigenschaft einer Linearität innewohnt, die man lediglich festzustellen hätte.
Hm ..., ist ein Phänomen nicht etwas, das zwar existent ist, wir aber letztlich nicht vollständig erfassen und erklären können? Weil die Zeit auch mit unserem Raum in einem engen Zusammenhang steht, lässt sich damit auch die Zeit näher betrachten. Wir können das also somit im Alltag erfahren, indem wir an einem Punkt A zu einem zukünftigen Ziel aufbrechen.
Auf dem Weg zu Punkt B rückt über den Faktor Zeit jedoch diese Zukunft immer näher, bis sich die Eigenzeit der Objekte zur Gegenwart vereinen. Wenn wir nun wieder von Punkt B nach A gehen, werden wir nicht in der Vergangenheit oder einer neuen Zukunft ankommen, sondern auch wieder in der Gegenwart.
Wir wissen, dass sich das Universum ausdehnt und sich die Objekte voneinander entfernen, es gibt dort also ein Vorher, Hier und Jetzt – sowie einen zukünftigen Zustand.
Unsere Eindrücke von Zeit entstehen ausschließlich als Folge unseres eingeschränkten Aufmerksamkeitsfokusses. Er erlaubt es nicht, dass wir ihn ständig und kontinuierlich auf sämtliche unserer Wahrnehmungen und Denkprozesse gerichtet lassen können. Denn könnten wir das, würden wir feststellen, dass es weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft gibt. Wir würden feststellen, dass die selbst erschafften zeitlichen Eindrücke eine notwendige Folge unseres eingeschränkten Fokusses ist, die uns hilft, uns ins der Flut der Jetzt-Ereignisse und Jetzt-Wahrnehmungen besser zurecht zu finden.
Das Zeitgefühl hat nur indirekt etwas mit der Zählbarkeit oder Aufmerksamkeit zu tun, denn für uns alle kann die Zeit unterschiedlich schnell erscheinen und das hängt auch mit den besagten Zeitpäckchen zusammen. Ja diese Päckchen dienen dazu, dass wir uns nicht in der Flut der Informationen verlieren, aber das hatte ich ja auch schon erwähnt.
Auch gibt es keine Linearität der Zeit in dem Sinne, dass sie wie eine Pfeilrichtung von der Vergangenheit in die Zukunft läuft. Denn der Vorgang des Erinnerns entspricht eindeutig einer Richtungsumkehr.
Hatte ich nicht schon davon geschrieben, dass das Erinnern mit dem Phänomen der Zeit herzlich wenig gemein hat? Unser Erinnern folgt keinem linearen System, sondern orientiert sich an Erinnerungsinseln. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die über eine lineare Erinnerung verfügen und sich somit an jeden Augenblick in ihrem Leben erinnern können (z. B. einige Autisten).
Merlin