Serenade
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Buddhi ist zu Hause. Unter dem Boddhibaum. Sie schweigt. Sie lächelt. Keine Gedanken mehr. Bäume denken auch nicht. Sie haben nichts zu denken. Die Glücklichen. Uns Menschen (Menschenwesen) wurde etwas eingepflanzt, mit dem wir scheinbar denken müssen, dabei ist es bloß ein Sender, der nur empfängt, was wir zu denken, zu sagen und zu tun haben. Was ist es, das uns einredet, dass wir einen freien Willen haben? Buddhi schaltet die Schaltzentrale ab. Jetzt hat sie ihren freien Willen. Den freien Willen ganz abzuschalten.
Mirjam hat auch abgeschaltet. Auf eine andere Art. „Ihr könnt mich alle!“ ruft sie und wankt splitternackt auf die Gasse vor ihrer alten Holzhütte, die so lange ihr Heim und das ihrer Zwillinge war. Nun aber sieht die Hütte aus wie Mirjam. Morsch, undicht und alt. „Geht scheißen alle miteinander!“ schreit sie und fällt zu Boden. „Ohne euch wäre die Welt eine bessere“, wird ihr Gekreische leiser. „Ihr nutzlosen Götter, macht eine Welt ohne Menschenwesen oder wenigstens mit Menschenwesen ohne Hirn“, haucht sie und haucht damit auch ihren letzten Atemzug aus.
Menschen ohne Hirn scheint es zu Genüge zu geben – bin ich versucht zu schreiben und tu es hiermit auch. Es geht nicht alleine ums Hirn und das, was es unsichtbar und scheinbar erzeugt, nämlich Bewusstsein und die Fähigkeit bewusst wahrzunehmen. Es geht um das Dahinter.
„Ich bin das Dahinter“, flüstert Gitta.
„So kann man es auch nennen. Gut!“ lobt Gevatter Tod, der mehrmals abgelenkt ist. Zum Beispiel, als er Mirjam behutsam auf das Schiff hebt und sie mit dem alten Mann und dem kleinen Michel an die andere Seite des stillen Meeres bringt. Man kann sich ja denken (!), dass Tod multidimensional ist und zur selben Zeit gleichzeitig an allen möglichen Orten sein kann.
„Und jetzt?“ fragt Gitta und sieht sich auf dem Pooldeck um, auf dem sich nur sie und Gevatter Tod befinden.
„Was immer du wünscht“, meint Tod galant und betont es mit eine einladenden Handbewegung.
„Ich will mein Selbst erkennen.“
„Es gibt kein Selbst.“
„Ich dachte, das sei das Dahinter, das, was befielt, was ich denke, sage und tue.“
„Oh, nein! Im Grunde genommen bist es schon du – dieses Ich, das nie zufrieden ist und ständig aufbegehrt. Andererseits bist du es auch wieder nicht.“
Tod scheint zu überlegen, dann spricht er weiter: „Was sagst du dazu, wenn ich dir sage, dass es zwei verschiedene Ich gibt? Nein, nein, du brauchst nicht zu antworten. Aber überlege einmal. Das Ich, als das du dich dein ganzes Leben wahrgenommen hat, hatte immer etwas oder jemanden gegenüber. Du gegen die ganze Welt. Richtig? Ja, schön, dass du nur nickst. Manchmal gab es in deinem Leben auch ein Wir, wenn du an deine große Familie denkst. Es war ein Zusammensein, etwas ganz anderes als das einsame Ich, das sich mitunter sogar bedroht fühlte. Das Wir, von dem ich spreche, ist nicht nur das was du wahrnimmst, es ist viel mehr alles was ist.“
Tod macht eine kleine Pause und scheint wieder zu überlegen, während Gitta genau zuhört und sich bereits wie in einem Traum fühlt, in dem sie das, was Tod sagt, beinahe erlebt.
„Ich sagte schon, deine Mutter konnte ihre Gedanken fast ganz abschalten. In diesen Momenten erkannte sie dieses Wir. Ich sagte auch, hätte sie ihre Gedanken fast abgeschaltet, wäre sie nicht mehr bei euch gewesen. Deine Mutter blieb beim Wir hängen. Es gibt nämlich ein zweites Ich, wie ich dir bereits sagte. Es ist das Ich, welches das Wir mit einschließt.“
„Eine Blume ist eine Blume ist eine Blume“, haucht Gitta.
„Ja, genau! Blumen erkennen sich ganz genau. Bäume übrigens auch, weshalb es mich wundert, warum manche so alt werden. Vielleicht bringen sie den anderen Lebewesen Glück oder lösen so was wie Glücksgefühle aus“, sinniert Tod und erhebt sich würdevoll.
„Und jetzt?“ fragt Gitta abermals und erhebt sich ebenfalls, aber nicht so würdevoll wie Tod.
„Deine Wünsche, werte Lady“, haucht Tod freundlich.
„Ich weiß nicht, was ich mir wünschen soll. Vielleicht, dass ich mein zweites Ich erkenne?“
Gevatter Tod lacht laut und schaurig auf. Das Schaurige liegt am Echo, da es von allen Seiten widerhallt.
„Tust du das denn? Oder ist es, weil ich es dir sagte?“
„Du hast schon recht. Ich muss es selbst erkennen. Sagte meine Mutter auch immer.“
„Sie war schon eine sehr kluge Frau, deine Mutter.“
„War“, seufzt Gitta und spürt einen Schmerz in der Brust.
„Nicht traurig sein, kleine Gitta. Schau nur, wer dich dort drüben am Ufer an diesem herrlichen Sandstrand, unter Palmen, vor dem niedlichen Strandhaus, auf der Terrasse erwartet.“
Gitta traut ihren Augen nicht. Es ist, wie Tod sagte. Kitschiger geht es nicht mehr. Da hockt wirklich Buddhi in einem Strandkorb, auf einer herrlichen Terrasse, unter Palmen, am Sandstrand und winkt ihrer Tochter zu, als wäre nichts gewesen. Und als wäre nichts gewesen, liegen sich Mutter und Tochter lachend und weinend in den Armen.
Von Tod und dem Kreuzfahrtschiff, das eigentlich ein Segelschiff ist, ist nichts mehr zu sehen. Tod erfüllt Herzenswünsche. Man muss nicht über seine wahren Wünsche nachdenken.
Mirjam hat auch abgeschaltet. Auf eine andere Art. „Ihr könnt mich alle!“ ruft sie und wankt splitternackt auf die Gasse vor ihrer alten Holzhütte, die so lange ihr Heim und das ihrer Zwillinge war. Nun aber sieht die Hütte aus wie Mirjam. Morsch, undicht und alt. „Geht scheißen alle miteinander!“ schreit sie und fällt zu Boden. „Ohne euch wäre die Welt eine bessere“, wird ihr Gekreische leiser. „Ihr nutzlosen Götter, macht eine Welt ohne Menschenwesen oder wenigstens mit Menschenwesen ohne Hirn“, haucht sie und haucht damit auch ihren letzten Atemzug aus.
Menschen ohne Hirn scheint es zu Genüge zu geben – bin ich versucht zu schreiben und tu es hiermit auch. Es geht nicht alleine ums Hirn und das, was es unsichtbar und scheinbar erzeugt, nämlich Bewusstsein und die Fähigkeit bewusst wahrzunehmen. Es geht um das Dahinter.
„Ich bin das Dahinter“, flüstert Gitta.
„So kann man es auch nennen. Gut!“ lobt Gevatter Tod, der mehrmals abgelenkt ist. Zum Beispiel, als er Mirjam behutsam auf das Schiff hebt und sie mit dem alten Mann und dem kleinen Michel an die andere Seite des stillen Meeres bringt. Man kann sich ja denken (!), dass Tod multidimensional ist und zur selben Zeit gleichzeitig an allen möglichen Orten sein kann.
„Und jetzt?“ fragt Gitta und sieht sich auf dem Pooldeck um, auf dem sich nur sie und Gevatter Tod befinden.
„Was immer du wünscht“, meint Tod galant und betont es mit eine einladenden Handbewegung.
„Ich will mein Selbst erkennen.“
„Es gibt kein Selbst.“
„Ich dachte, das sei das Dahinter, das, was befielt, was ich denke, sage und tue.“
„Oh, nein! Im Grunde genommen bist es schon du – dieses Ich, das nie zufrieden ist und ständig aufbegehrt. Andererseits bist du es auch wieder nicht.“
Tod scheint zu überlegen, dann spricht er weiter: „Was sagst du dazu, wenn ich dir sage, dass es zwei verschiedene Ich gibt? Nein, nein, du brauchst nicht zu antworten. Aber überlege einmal. Das Ich, als das du dich dein ganzes Leben wahrgenommen hat, hatte immer etwas oder jemanden gegenüber. Du gegen die ganze Welt. Richtig? Ja, schön, dass du nur nickst. Manchmal gab es in deinem Leben auch ein Wir, wenn du an deine große Familie denkst. Es war ein Zusammensein, etwas ganz anderes als das einsame Ich, das sich mitunter sogar bedroht fühlte. Das Wir, von dem ich spreche, ist nicht nur das was du wahrnimmst, es ist viel mehr alles was ist.“
Tod macht eine kleine Pause und scheint wieder zu überlegen, während Gitta genau zuhört und sich bereits wie in einem Traum fühlt, in dem sie das, was Tod sagt, beinahe erlebt.
„Ich sagte schon, deine Mutter konnte ihre Gedanken fast ganz abschalten. In diesen Momenten erkannte sie dieses Wir. Ich sagte auch, hätte sie ihre Gedanken fast abgeschaltet, wäre sie nicht mehr bei euch gewesen. Deine Mutter blieb beim Wir hängen. Es gibt nämlich ein zweites Ich, wie ich dir bereits sagte. Es ist das Ich, welches das Wir mit einschließt.“
„Eine Blume ist eine Blume ist eine Blume“, haucht Gitta.
„Ja, genau! Blumen erkennen sich ganz genau. Bäume übrigens auch, weshalb es mich wundert, warum manche so alt werden. Vielleicht bringen sie den anderen Lebewesen Glück oder lösen so was wie Glücksgefühle aus“, sinniert Tod und erhebt sich würdevoll.
„Und jetzt?“ fragt Gitta abermals und erhebt sich ebenfalls, aber nicht so würdevoll wie Tod.
„Deine Wünsche, werte Lady“, haucht Tod freundlich.
„Ich weiß nicht, was ich mir wünschen soll. Vielleicht, dass ich mein zweites Ich erkenne?“
Gevatter Tod lacht laut und schaurig auf. Das Schaurige liegt am Echo, da es von allen Seiten widerhallt.
„Tust du das denn? Oder ist es, weil ich es dir sagte?“
„Du hast schon recht. Ich muss es selbst erkennen. Sagte meine Mutter auch immer.“
„Sie war schon eine sehr kluge Frau, deine Mutter.“
„War“, seufzt Gitta und spürt einen Schmerz in der Brust.
„Nicht traurig sein, kleine Gitta. Schau nur, wer dich dort drüben am Ufer an diesem herrlichen Sandstrand, unter Palmen, vor dem niedlichen Strandhaus, auf der Terrasse erwartet.“
Gitta traut ihren Augen nicht. Es ist, wie Tod sagte. Kitschiger geht es nicht mehr. Da hockt wirklich Buddhi in einem Strandkorb, auf einer herrlichen Terrasse, unter Palmen, am Sandstrand und winkt ihrer Tochter zu, als wäre nichts gewesen. Und als wäre nichts gewesen, liegen sich Mutter und Tochter lachend und weinend in den Armen.
Von Tod und dem Kreuzfahrtschiff, das eigentlich ein Segelschiff ist, ist nichts mehr zu sehen. Tod erfüllt Herzenswünsche. Man muss nicht über seine wahren Wünsche nachdenken.
