CO(S)MIC DREAMS oder KO(S)MISCHE TRÄUME

Es kommen wieder Zweifel auf. Sila erinnert sich. Arima war doch immer für Individualität, weswegen es stets Streit gab. Und jetzt? Jetzt ist Individualität plötzlich Krieg für ihn?

„Die wahre Individualität erkennt niemand mehr von euch“, sagte er einst vor langer, langer Zeit. Es ist kein Gegenüber, kein Du dazu nötig, um die eigene Individualität zu erkennen. Für das Gegenüber braucht es Wahrnehmung und Wahrnehmung kann täuschen. Erkenntnis aber täuscht niemals und wahre Individualität lässt sich nur erkennen und vor allem sein.

„Es ist zu spät“, ereifert sich Betunia und spielt mit ihrem dicken, langen Zopf aus rot leuchtendem Haar. „Lest nach im Großen Buch. Dort ist alles bereits geschrieben. Also muss es so sein.“

Der übliche Streit und die übliche Paradoxie: Ist alles vorbestimmt oder haben wir doch einen freien Willen? Manche meinen, wenn alles vorbestimmt ist, kann man eh die Hände in den Schoß legen. Irrtum! Denn es ist vorbestimmt, dass man genau das tut, was man tut oder wozu man sich entscheidet, es zu tun, wodurch man irgendwie auch darauf kommen könnte, dass es ja doch auch einen freien Willen gibt und die Zukunft doch noch nicht beschlossen ist.

„Pfeiff deine Götter und Göttinnen zurück, Betunia, sonst tun wir es“, sagt Arima sehr entschieden, aber die schöne Göttin lächelt nur: „Es sind zu viele und von den meisten weiß ich gar nichts.“

„Sie sind du, Betunia. Dieser Götterwahn geht nur von dir aus. Leugne es nicht. Du hast die Wahl. Pfeiff sie zurück und hab ein schönes Leben, wo immer du willst oder ich verbanne dich auf das Segelschiff vom alten Mann und dem kleinen Michel.“

Betunia erblasst. „Tu das nicht! Ich würde vor Langeweile dort sterben.“

„Du könntest dich mit den Delphinen unterhalten und einiges von diesen klugen Tieren lernen. Zum Beispiel, dass man schwächere Lebensformen nicht ausnutzt, um mehr Energie zu bekommen, um dann weitere Lebensformen auszunutzen. Aber das hattet ihr Götterwesen schon immer im Sinn und daran wird sich nie etwas ändern“, schimpft Arima.

„Es werden andere kommen nach mir und mit denen wirst du größere Schwierigkeiten haben. Ich weiß es, denn sie arbeiten bereits im Untergrund und sie sind sehr mächtig. Sie lassen – besser gesagt, ER lässt sich nicht so leicht verbannen.“

Arima lächelt milde: „Ach, ist ER auch schon wieder da.“

„Wer ist ER?“ fragt Sila und betont das „ER“ genauso seltsam wie Betunia und Arima – sozusagen eine Sprache die zwischen Klein- und Großbuchstaben wahrnehmbar unterscheidet.

„Man hat mich stets mit IHM verwechselt – damals, im alten Universum. Du doch auch, Sila, zumindest einer deiner Aspekte, meine und Marias irdische Tochter Manola. Aber schließlich erkannte sie den einzigen äußerlichen Unterschied – das Muttermal unter dem linken Auge, das IHM fehlt. Nun ja, und die Ausstrahlung war auch nicht so erotisch wie meine“, verschluckt Arima fast den letzten Satz und errötet leicht.

„Oh, Luzy!“ ruft Sila erfreut auf. „Der gute, alte Luzifer! Ich würde mich freuen, IHN wieder zu sehen.“




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Der Untergrund. Es hat sich nicht viel verändert. Veränderung ist es ohnehin nicht, was der Untergrund anstrebt. Er strebt ständige Wiederholungen an.

Man hat das damals irgendwie mit Stagnation verwechselt. Man meinte, die Wesen der Anderen Seite wollen maximalen Stillstand. So, als wäre die Zeit plötzlich stehen geblieben und als hätte sich der Raum und alles in ihm versteinert. Aber die Wesen der Anderen Seite sorgten für ganz andere Mittel, nämlich, dass nie etwas gänzlich Neues erscheint und es immer wieder ständige Wiederholungen gibt, die mitunter auch eine Spanne von Jahrtausenden haben konnten.

Das hat sich bis ins neue Universum nicht verändert. Nur nicht die Lebewesen überfordern oder stressen, sonst werden sie misstrauisch. Man gibt ihnen ein wenig und wenn sie damit etwas anfangen können (das sind meistens so genannte Genies), ist es gut und wenn nicht (dann traf – laut Terry Pratchett – der Ideenfunke einen Frosch, der damit rein gar nichts anfangen konnte), noch besser. Man will die Lebewesen, wie gesagt, nicht stressen und sie auch nicht zu unabhängig machen, sonst würden sie drauf kommen, wie viel Potential wirklich in ihnen steckt und sie den so genannten Wesen der Anderen Seite (man nennt sie auch Götter!) um nichts nachstehen.

Ja, sie könnten sehr viel mehr aus sich selbst heraus, würde man sie lassen und nicht dauernd beeinflussen, wie der Untergrund unter der Führung dessen, der am liebsten in Großbuchstaben genannt wird und der natürlich viele Namen hat, obwohl IHN keiner der Lebewesen wirklich kennt. ER ist ein Phänomen, eigentlich eine Kraft, die aus dem Ganzen gelöst hat. Man kann diese Kraft, wie bereits gesagt, nennen wie man will: Ego, das Böse, Teufel, Mephisto, oder eben Luzifer. Ich nenne IHN am liebsten Luzy, was ER so gar nicht mag.

Übrigens, Gott wird auch gerne mit Großbuchstaben genannt. Ich würde mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen, würde ich sagen, dass der Gott in der Bibel und viele andere Götter (Arima hat es ja bereits angesprochen) auch zum Untergrund gehören. Aber ich denke, so ist es und so wird es immer sein, solange sich Lebewesen unterjochen lassen – von wem auch immer.

Ich bin nun mal eine Quelle-der-Kraft-Verfechterin, sozusagen ein Fan dieser enormen, unsagbaren, reinen und unverwundbaren Kraft, dieses einmaligen Geistes, deren Emanationen wir sind und die uns nährt und uns alles (und noch viel mehr) gibt, was wir zum Leben brauchen.

Und dann kommt plötzlich eine Idee auf. Irgendein Teilchen der Emanationen beginnt zu träumen, wie es denn wäre, wenn man...

„Ich hatte schon immer etwas gegen diese dämlichen Was-wäre-wenn-fragen“, schimpft Arima, als er sich mit Sila, die diesmal bequemer gekleidet ist, nämlich in Jeans und T-Shirt und ihr Haar hüftlang und einfärbig (schwarz, da sie gerne wie Arima wäre) trägt, auf den Weg in den Untergrund macht.

Es ist ein steiniger Weg, der ständig bergab (wer hätte das gedacht?!) und schließlich in eine tiefe, dunkle (na?) Höhle führt. Von innen sind seltsame Geräusche zu hören, die ein wenig an Horrorfilme mit grässlichen Monstern erinnern. Es ist schon ein wenig gruselig, auch wenn Arima und Sila Fackeln entzündet haben, denn das Licht dieser Fackeln zaubert bizarre und mitunter fratzenhafte Figuren an die Höhlenwände und Decke. Einmal stieß Sila sogar einen Schrei vor Schreck aus, als es so aussah, als würden überdimensionale Hände, mit langen Krallen, von der Decke herab nach ihr greifen. Arima drehte nur grinsend die schönen Augen über.


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Ernst und seine Familie wurden mit Schimpf und Schande aus dem Dorf gejagt. Natürlich spähten die Nachbarn und erspähten den seltsamen Besuch, - vor allem das seltsame Tier, das den meisten, wie sie sagten, wie ein Dämon erschien. Dieses Tier und der fette, kleine Mann haben die Göttin verjagt und nun bricht nur mehr Unglück über das Dorf herein, es sei denn, man jagt die Übeltäter, welche den unglückseligen Besuch gebracht haben, davon. Also jagte man Ernst, samt Familie aus ihrem Haus, aus dem Dorf und über die Hügel hinweg, bis sie nicht mehr zu sehen waren.

Ernst trug den einen Zwilling, Pitt und Viola den anderen, Pett. „Du bist Schuld!“ schimpft die Frau und setzt erschöpft den kleinen Pett ab, als sie die ersten drei Hügel überquert hatten und eine Siedlung in Sicht war, die ein wenig größer als ihr ehemaliges Dorf erschien. „Du hast uns diese zwei Ganoven ins Haus gebracht!“

Aus dem Dorf erklangen Kampfgeräusche. Es schien sich etwas auszubreiten, was kaum zu erklären war, denn seit die Götter und Göttinnen verschwunden waren, waren die Menschenwesen in den Dörfern und Städten streitsüchtig und aggressiv. In manchen Städten begann sogar so etwas wie ein Bürgerkrieg. Plötzlich gab es Waffen und die Menschenwesen erschossen sich gegenseitig.

Und schließlich tauchten die Soldaten, die Berserker, überall auf und fuhren mit ihren Panzern alles platt und schossen auf alles, was sich bewegte.

Ernst und seine Frau und Pitt und Pett waren Geschichte. Und viele andere Menschenwesen auch. Und das nur, weil es keine Götter und Göttinnen mehr gab, die aus Betunia entstanden sind und die sie, auf Arimas Befehl, zurückziehen musste.

Was denkt man sich dabei? Böses? Böses über Arima? Und was sagt er dazu?

„Es ist nichts passiert, weil nie etwas war. Alles ist nur ein Traum und bevor der Traum in einen nächsten Traum übergeht und der auch wieder in den nächsten, und auch dieser in den nächsten usw. übergeht, ist es besser, man macht dem so schnell wie möglich ein Ende. Jetzt finden sie vielleicht noch den eigentlichen Träumer, aber wenn ein Traum in den anderen übergeht und der auch wieder in den nächsten, usw. übergeht, wie ich schon sagte, wird es sehr schwer für die Lebewesen zu erwachen.“, sagt Arima, als Betunia ihm telepathisch das Unglück durchgibt und wie Ernsts Frau „Du bist Schuld!“ schimpft.

„Na ja, man hätte es humaner machen können und nicht so abrupt“, meint Sila, während sie weiter in die tiefe, dunkle, unheimliche Höhle wandern.

„Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, kontert Arima.

Aber was ist mit dem Land, mit den Flüssen und Meeren? Was mit all den Planeten, die sich langsam füllen? Auf denen Leben entsteht, auch wenn sie selbst Leben sind? Und Arima meint abermals, dass da nichts ist, dass alles nur ein Traum, eine Idee ist, die gar nie wirklich passiert ist. Es gibt kein Ich und kein Du. Es gibt nur ein Wir. Ein schier unendliches, reines, unverwundbares Wir, das ständig von der Quelle genährt wird. Ein Wir das im Sein erblüht wie eine Blume mit vielen, vielen Blüten und Blättern.

„Träumst du?“ fragt Sila, als sie abermals an eine Abzweigung kommen und sie Arima zum Spiel „Schere-Stein-Papier“ auffordert und er nicht reagiert.

„Sorry, - ich dachte eben an dieses Wohlgefühl, das so unsagbar, so unbeschreiblich ist und das uns alles gibt und uns alles lässt und dennoch schafft es immer wieder so ein winziges Partikel von Nichts und zerstört alles.“

Liebevoll streichelt Sila Arimas nackten Arm. „Es wird schon wieder, mein Lieber. Lass sie doch spielen. Eigentlich bin ja ich gegen diesen Schwachsinn, wie du ja weißt. Aber heute sag ich mir: lass sie spielen. Irgendwann kommen sie eh drauf. Außerdem war das immer deine Devise. Auf gar keinen Fall Zwang und abwarten, bis alle bereit sind.“

„Ja, das war nach Äonen, aber jetzt wäre noch Zeit, alles zurück zu pfeifen. Und die beste Möglichkeit ist sicher ER, denn meistens ging es von IHM aus.“

„Und wenn nicht?“

„Dann sind wir im Arsch. Welche Seite?“

„Rechts!“

„Eins, zwei, drei“, zählt Arima und macht die Schere, während Sila die Faust ballt. Stein. Sie gehen nach rechts.


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Quatsch! Alles Quatsch! Von wegen Jeans und T-Shirt und langes, schwarzes Haar, oder nackter Oberkörper und nur Jeans und tiefe, dunkle, unheimliche Höhle oder wie auch immer. Wir sind noch in dem Bereich, in der Ebene, wo sich Materie noch nicht verfestigt hat. Sie schimmert zwar durch, ist aber noch immer sehr, sehr feinstofflich, was sich irgendwie gespenstisch für unsere menschlichen Augen auswirkt, würden wir diese Ebene „sehen“ können. Wir würden geisterhafte Figuren in einer geisterhaften, nebeligen Umgebung „sehen“. Vielleicht würden wir phosphoreszierendes Grün erkennen, wie Freund Carlos (Castaneda) die andere Bewusstseinsseite beschreibt, woran er sich später, als Don Juan und sein Trupp die Welt verlassen hat, erinnern musste, um seine Ganzheit zu erkennen.

Vielleicht würden auch wir unsere Ganzheit erkennen, würden wir die Ebene erreichen, in der Arima und Sila sich eben aufhalten und nach ihrem Kompagnon „Luzy“ suchen. Natürlich musste ich wieder einmal erwähnen, dass ich unter anderem über Ebenen berichte, die für uns kaum vorstellbar sind und deshalb nach einer Umschreibung verlangen, die uns bekannt ist. Auch ist zu bedenken, dass es sich in den materiellen Ebenen um ein neues Universum handelt und auch hier eine Beschreibung von Nöten ist, dass wir uns darunter etwas vorstellen können. Arima und Sila erinnern sich noch an das alte Universum, weshalb ich ihnen auch eine noch vertraute Sprache in den Mund lege, selbst wenn es nicht so ist.

In der Tat schreibe ich über etwas, was so gar nicht passiert ist, wobei hier die Zweideutigkeit nicht überlesen werden sollte. Und natürlich erscheint Arima (Kim) wieder einmal etwas zwielichtig, denn einerseits ist er für Individualität, setzt sich aber hier für die Einheit ein, wie Sila es immer wollte. Nun scheint sich der Spieß umgedreht zu haben.

Auch wenn ich mich wiederhole, was eh nichts Neues ist, muss ich es mir selbst erklären. Der Spieß hat sich nicht umgedreht. Es liegt daran, dass ich selbst mein Geschreibe nicht verstanden habe und das, was Arima, einst Kim, mir mit wahrer Individualität erklären wollte „Perlen vor die Sau“ waren. Hätte er sich doch ein besseres Medium aussuchen sollen und vor allem eines, das ihm glaubt, bzw. an ihn glaubt, denn das latente (!) Medium in mir denkt noch immer, dass alles Phantasie ist. (Was es ja auch ist!)

Und wie erscheint nun Luzy, der Unverstandene, der Missverstandene, der, der stets seinen schönen Kopf als Biest, als Monster, als blutrünstiger Terrorist hinhalten muss? Als Feuerball? Oder einfach nur feurig mit nacktem Oberkörper und flammenden Flügeln?

Der Zwillingsbruder Arimas. Joshuas war er bereits in meinen Schriften. Klein Jesus hatte einen unsichtbaren Zwillingsbruder. Jahwe hat nicht nur einen Sohn auf die Erde geschickt, - nein, er schickte zwei. Der Zweite, Luzy (der auch „Luzifer, der Lichtbringer“ genannt wird) machte all den Blödsinn, wie er in den (verfälschten) Evangelien steht. Zum Beispiel machte er die Pharisäer zu Säuen, oder killte den unschuldigen Feigenbaum, oder jagte die Menschen aus dem Tempel oder eben Dinge dieser Art. Joshua selbst war friedlich und voller Liebe. Ein Jasager erster Klasse, der mit allem einverstanden war und dem sogar blutend am Kreuz der Humor nicht ausging, als er mit seinen beiden Häschern links und rechts fröhlich zu singen begann.

Auf jeden Fall treffen Arima und Sila auf Luzy. Ganz gewöhnlich. Ganz unspektakulär kommen sie an eine größere Fläche in der Höhle, wo Luzy und einige seiner Dämonen am Boden hocken und sich unterhalten. Als Arima und Sila sich dazu gesellen, fühlt sich die Gesellschaft keineswegs gestört.

„Setzt euch doch“, fordert Luzy die beiden freundlich auf und sie tun es, sind seinem Charme, der Arimas kaum nachsteht, vollkommen ausgeliefert.

„Er ist noch immer derselbe Charmeur wie damals“, flüstert Sila errötend.

Aber nicht vergessen, in welcher Ebene wir uns nun aufhalten! – Alles nur eine Beschreibung von etwas, das nicht beschrieben werden kann. Andererseits ist es in unseren Leben ganz genauso. Auch wir beschreiben, obwohl nichts beschrieben werden kann.


 
„Sie haben sich wieder einmal gegenseitig ausgelöscht. Schon gehört?“ fragt Luzy und richtet sich an seinen Zwilling (wirklich?) Arima.

„Es war nur ein Traum. Ob gewollt oder nicht, sei mal dahin gestellt“, antwortet Arima achselzuckend und ist nicht mehr so beeindruckt vom Charme des Oberdämons.

„Luzide Träume? Das wäre ja mal was, wenn sie nicht immer die Oberhand bekommen würden. Vor allem die Menschenwesen haben es dick hinter den Ohren. Nimmt man ihnen die Aggressivität, nimmt man ihnen alles.“

Es ist Betunia, die hinter einer Felswand nach vor in die Mitte kommt und sich direkt neben Luzy kniet.

„Ihr meint“, spricht (telepathiert oder was auch immer) sie die beiden Neuankömmlinge an, „ich hätte den Menschenwesen die Energie genommen, um über sie bestimmen zu können. Dazu brauchte ich nicht mehr Energie als ich durch die Kraft meines Geistes bin. Ich brauchte mehr Energie, weil sie es mir ständig entzogen haben. Hört euch mal die anderen an, die sie liebevoll Götter und Göttinnen nannten. Sie werden euch dasselbe erzählen und wenn ihr mal genau hinseht, fällt es euch mit Sicherheit selbst auf. Es sind Vampire, die allen und allem die Energie entziehen. Sie holen sich die besten Stücke und den Rest lassen sie verrotten. Sie beuten aus, wo sie nur können und das nicht nur bei uns, sondern bei allen und allem.“

Beschämt blicken Arima und Sila zu Boden.

„Heißt das, wir haben – ich habe mich geirrt?“ fragt Arima sehr leise und Sila greift schnell nach seiner Hand. „Wir, mein Bruder, wir haben uns geirrt“, flüstert sie.

„Im letzten Universum nicht so sehr wie jetzt. Übrigens, der alte Mann und der kleine Michel haben auch schon wieder angelegt“ erzählt Betunia.

„Und was bedeutet das? Ich habe sie schon öfters in meiner kleinen, feinen Stadt gesichtet.“

„Ich weiß, Schwester Sila.“

„Du nenn mich nicht Schwester!“ fährt Sila auf.

„Da haben wir's! Sie ist der Übertäter. Sie ist es, die die Menschenwesen träumt und damit wieder einmal alles zerstört“, ruft Betunia auf.

„Nur weil ich nicht deine Schwester sein will und es auch nicht bin. Wir sind doch auch nur Träume – Träume der Quelle.“

Luzy lacht hell auf: „Wenn das eine Falle war, war sie sehr schlecht, Sila, liebstes Mädchen. Wir Wesen der Anderen Seite wissen auch, dass wir Emanationen der Quelle sind – etwas, das aus ihr entstanden ist, - etwas, das sie erschaffen hat, um es mit Menschenworten zu sagen und wo sie angeblich einst meinte: 'Macht euch kein Bild von mir' – was furchtbar missverstanden wurde. Wir machten uns Bilder und schufen uns selbst im Traum, wobei wir vergaßen, luzid zu träumen. Es ist verhext, aber es ist so.“

„Wir sind in einen höchst bizarren Schlamassel geraten“, seufzt Arima. „Aber wir sollten Ruhe bewahren, auch wenn ich als Wächter versagt habe.“

„Das hast du letztens auch. Wir hatten zusammen immer eine Chance, aber stets warst du es, der sich abgewandt hat, weil du zu sehr einer ganz bestimmten Traumvision zugetan warst. Liebe – ach, die Liebe ist eine Himmelsmacht“, tönt Luzy im schönsten Tenor. „Und jetzt zufrieden, wo du für immer mit ihrer Energie vereint bist?“

Arima nickt selig lächelnd. „Maria gibt mir Kraft. Ohne sie hätte ich gar nichts vollbracht. Nicht einmal das Lied, als drei Schergen sterbend auf dem Schicksalsberg am Kreuz hingen. Vergiss es, war nur ein Scherz“, setzt Arima hinzu, als Luzy ihn groß anstarrt und schließlich wieder hell auflacht.

„Oh ja, das war eine herrliche Zeit damals und du hast dir schon wieder in die Hosen gemacht, - sozusagen einen Rückzieher gemacht.“

„Ich beeinflusse die Menschenwesen nun mal nicht.“

„Wie gesagt, - es ist einerlei. Sie sind nun mal kriegerisch, aggressiv, bösartig und vor allem stinken sie enorm nach Eigendünkel wie kaum andere Lebensformen, was keine Rüge sein soll. So sind sie nun mal und wenn sie schon mal da sind, soll man sie sein lassen, wie sie sind. Richtig, Arima, mein Bruder?“

„Ich hoffte, dass sie irgendwann einmal wirklich bereit sein werden, dass sie endlich einsehen, dass sie mit Krieg und Streit nichts erreichen und viel mehr ein 'Wir' statt ein 'Ich gegen alle' zählt. Ich hoffte es so sehr...“

„Wenn der alte Mann und der kleine Michel ihr Segelschiff anlegen, bedeutet es, dass es wieder Neues im Universum gibt und ich liege sicher nicht falsch, dass es die Menschenwesen schon wieder geschafft haben - so wie im letzten Universum, als es aber, dem Schicksal zum Trotz, zwei prachtvolle Geschöpfe geschafft haben, aus denen Pama wurde“,stellt Betunia klar, um zu vermeiden, dass Arima wegen der Menschenwesen die Tränen kommen und setzt hinzu: „Sei auf der Hut, Arima, sei auf der Hut.“




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„Gott ist blau“, schrieb Salman Rushdie in seinem Meisterwerk (alle seine Bücher sind meiner Meinung nach Meisterwerke) „Mitternachtskinder“. Christus hatte eine blaue Haut. Aber kein Mensch hat blaue Haut! Krishna hatte auch blaue Haut und wurde ebenso wie Joshua als Mensch geboren.

Heute würde ich die Geschichte über Joshua ganz anders, ganz neu schreiben. Man entwickelt sich – so sagt man. Es kann aber auch sein, dass man mit dem Alter eher abbaut. Entwickeln oder abbauen? Das ist hier die Frage.

Aber Joshua könnte die Rettung sein. Ich habe ihn nie wirklich als kleinen Mann beschrieben (auch wenn ich ihn manchmal so nannte), aber wenn man den Geschichtsleuten glauben mag, dürfte er keine herausragende Schönheit gewesen sein. Ähnlich Arima, als er als kleiner Fettsack vor Ernst erscheint und ihm doch keine große Hilfe sein kann. Demnach hat er genauso versagt wie einst Joshua (wir sagen meistens „Jesus“, man kann aber auch „Jeshua“ schreiben oder „Jesua“, was eher stimmt als Joshua; dennoch bleibe ich bei Joshua, da es mir irgendwie (?) geläufiger ist). Wie? Was? Joshua, der Christus hat versagt, obwohl es noch immer so viele Christen gibt? Ja! Und genau deshalb! Weil es noch immer so viele Christen gibt und das Christentum, wie jede Religion, nichts anderes als ein Geschäft ist und g(k)lauben tut man sowieso nur Erdäpfel.

Nun aber wieder zurück zu Joshua und Krishna, wobei sich Christus und Krishna eher verwandt anhört. Ich weiß nicht, ob ihr Dasein auf der Erde zur selben Zeit chronologisch festgelegt wurde, dennoch gibt es einige Gemeinsamkeiten, wie etwa der gute Hirte. Krishna wird oft als Kuhhirte und Joshua als Schafhirte dargestellt. Und die Frauen! Beide waren von Frauen umringt. Ganz sicher! Und ich stelle sie mir gerne beide als blau vor...

Warum ich mich weigere, Joshua den Christus zu nennen? Weil das nur irgendein jüdischer Titel ist, der nichts anderes aussagt, als „der Gesalbte“. Und weil im Kurs steht, dass Christus alle sind und nicht nur Joshua, der als einziger Sohn Jahwes gilt. Im Kurs steht auch kein Wort „Jahwe“, sondern immer nur Gott. Gott als abstrakter Geist, form- und farblos. Also nichts von blau.

Würde ich heute die Geschichte Joshuas neu schreiben, wie würde ich beginnen? Mit Maria. Ja, es ist dieselbe Maria die viele, viele Jahre – etwas mehr als 2000 – zur selben Zeit wie Kim geboren wird. (Meine Phantasie schon wieder!) Maria, die Mutter Joshuas. Maria, die ihre Eltern an Terroristen (würde man heute sagen) verloren hat und ein Onkel das arme Mädel in seiner Familie aufnahm. Die Tante missbrauchte das Mädchen zum putzen und der Onkel – na ja, man kann es sich vorstellen, wie er sich in der Kammer zum Bett des jungen Dings schlich.

Würde man einen Film daraus machen, wäre ich bei dieser Szene für die Hintergrundmusik „Janie's got a gun“ von Aerosmith. Maria – eigentlich Mirjam – hatte aber kein Gewehr. Wenn sie eines gehabt hätte, hätte sie die gesamte Menschheit ausgerottet. Sie hasste die Menschen. Alle. Durch die Bank. Kein Wunder, wo sie doch nie Liebe erfahren hatte.

Es war damals eine schwere Zeit. Ihre Eltern waren arm und alle mussten mit anfassen, um sich übers Wasser zu halten. Auch die kleine Mirjam musste mit anpacken, was so viel heißt, dass sie von Haus zu Haus betteln ging und meistens wie ein räudiger Hund weg gescheucht wurde. Nichts von Gastfreundschaft. Beim Onkel ging es ihr um keinen Deut besser. Ganz im Gegenteil, denn da kam noch was anderes hinzu, das ihr einen dicken Bauch bescherte.

Natürlich wurde sie aus dem Haus gejagt. Eine junge Frau, ledig und schwanger und allein. Was braucht es mehr, um die Menschen zu lieben?

„Ich werde auf der Hut sein, Betunia, ich werde“, seufzt Arima und erhebt sich zusammen mit Sila.

„Ihr wollt schon gehen? Ich dachte, wir schließen uns zusammen“, begehrt Luzy auf und erhebt sich ebenfalls.

„So weit sind wir noch nicht“, meint Arima mit gesenktem Blick.

„Na klar, Misstrauen muss erst mal überwunden werden.“

„Du sagst es, Luzy!“


 
Mirjam wandert einsam und allein (nicht ganz, denn sie hat zwei Leibesfrüchte in ihrer Gebärmutter) durch das einsame Land. Es gab noch nicht so viele Siedlungen und vor allem keine großen. Mirjam suchte Unterschlupf und vielleicht auch ein bisschen Arbeit, die sie gerade noch verrichten konnte mit ihrem riesigen Ballon von Bauch. Man kann nicht direkt sagen, auf welchem Land sie wanderte. Auf jeden Fall war es die einstige Erde des einstigen Universums.

„War es nicht Luzy?“ fragt Sila, als sich die beiden wieder bewusst (!) in Arimas Parkanlage mit den schönen weißen Pavillons und der schönen riesigen Villa befinden.

„Diesmal nicht und ich weiß, du spürst es auch.“

Sila nickt.

Es sind winzige Aspekte aller (!) Emanationen der Quelle, die sich in ein und denselben Traum träumen. Es ist, als würden die Kinder (Emanationen) spielen gehen, aber die Mutter (Quelle der Kraft) sie warnt: „Vergesst nicht, dass es nur ein Spiel ist!“

„Diesmal sind wir alle daran beteiligt. Seltsam, nicht wahr?“ rätselt Arima und spürt, wie etwas an ihm zieht, das ihm sagt, dass sich sein winziger, abtrünniger Aspekt abermals vervielfältigt hat.

„Und wieder ist es dasselbe Spiel wie damals – nur etwas anders – nur ein klein wenig anders“, setzt er hinzu, als er spürt, wie ihn seine Mutter an ihre Brust drückt.

Irgendwo in einer alten Hütte am Waldesrand ist das Geschrei von Neugeborenen zu hören. Aber niemand hört es, weil niemand in der Nähe ist. Mirjam hat ganz alleine zwei Babys auf die Welt gebracht. Das erste war blau. Ganz blau – vom schwarz gelockten Kopf bis zu den kleinen Zehen blaue Haut. Und es schrie bereits, als nur der Kopf aus Mirjams Schoß herausragte. Das zweite Baby ließ sich Zeit. Es wirkte erhabener, als es seinen Kopf heraus steckte. Es blickte um sich und lächelte, was Mirjam aber nicht sehen konnte. Zum Glück sah sie aber das Baby, das diesmal nicht unsichtbar war, wie im letzten Universum.

Dazu muss ich aber was sagen! Luzy, Joshuas Zwillingsbruder, war nicht immer unsichtbar, sonst hätte er die Pharisäer nicht zu Säuen machen können, wobei ich anmerken muss, dass er sie nicht zu derartigen Tieren verzauberte, sondern so sehr beschimpfte, dass sich die Pharisäer wünschten, sie wären Schweine. Und das ist eine Leistung, denn kein Jude möchte ein Schwein sein, geschweige denn eines essen. Gut, sage ich, das ist wirklich gut. Und die Hindus essen keine Kühe. Könnte man nicht diese beiden irgendwie vereinen? Dann hätten Schweine und Kühe endlich ein wirklich artgerechtes Leben.

Was nun das Unsichtbarsein Luzys betrifft – es schien, als würden sich die beiden (Luzy und Joshua) absprechen (was sie aber nicht taten), ohne dass je jemals jemand herausfand, dass es da zwei gleich aussehende Männer gab, die sich nur – nein, das mit dem Muttermal unterm linken Auge war später, - das waren Kim und Luzy. Aber egal auf jeden Fall glichen sich Joshua und Luzy wie ein Ei dem anderen und der eine tauchte nie dort auf, wo der andere war.

Das andere Baby, das noch immer grinste, obwohl es wie das blaue Baby an Mirjams Brust (der anderen!) saugte, war von normaler Hautfarbe. „Gott ist doch blau“, murmelte Mirjam und drückte ihren kleinen, blauen Liebling etwas fester und auch sanfter an sich. Das andere Baby bemerkte es, war aber keineswegs sauer deswegen, denn es sagte sich: „Wer sich ernst nimmt, ist selber schuld“, und brachte damit eine der ersten neuen Gebote der ersten neuen Religion ans Licht.

Der alte Mann und der kleine Michel setzen Segel und schippern wieder ruhig durch das Meer, während Delphine sie begleiten und ihnen allerhand erzählen. Sie erzählen unter anderem von Mirjam und ihren beiden Zwillingen, auch was sich in der kleinen, feinen Stadt tut und dass Menschenwesen singend und tanzend auf den Feldern Pamas Land arbeiten und nach getaner Tat sich auf machen in den Vergnügungspark, wo sie ein höchst attraktiver junger Mann in Frack und Zylinder begrüßt und sie zu allen möglichen Kunststücken und Veranstaltungen einlädt. Natürlich passieren noch viele andere Dinge, die uns aber (noch) nicht interessieren.


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Traurigkeit schleicht sich ein. Ein übles Gefühl, das von Trennung zeugt. Immer weiter träumen sich die winzigen Aspekte der Emanationen (früher, noch vor kurzem, nannte ich sie Ganzheiten) weg von der Quelle, der wahren Heimat. Und mit der Traurigkeit kommt auch die Bösartigkeit, die mehr und mehr wird.

„Der Tod ist nicht das Ende“, sagen jene, welche die Gesetze schufen und wollen, dass sie eingehalten werden. „Tu was du willst!“ ruft ein anderer, der das zweite neue Gebot der ersten neuen Religion ans Licht bringt. Okay, ist nichts Neues, das haben schon viele gesagt, aber die Bedeutung lässt sich kaum anders übersetzen.

Sich selbst nicht ernst nehmen und doch stets das tun, was einem Freude macht. Ist doch schön, oder etwa nicht? Böse? Nein. Luzy ist nicht böse und war es auch nie. Er war halt (im letzten Universum!) jener Aspekt, der glaubte, auf ganz eigenen Füßen und ganz alleine stehen zu können. Kinder sind nun mal bockig und wünschen sich auch mal alleine etwas tun zu dürfen. Und wenn das dann in die Hose geht, wollen sie es nicht zugeben und verstecken sich schmollend, weil sie glauben, die Mama oder den Papa oder beide Mamas oder beide Papas (man ist flexibel geworden, halleluja!) gekränkt zu haben. Sie fühlen sich schuldig. Die Kinder. Die armen Kinder. „Papa, Mama, verzeiht mir“, ist dann der einzige Ausweg aus dem Dilemma. Aber es ist so schwer, sich die eigene Schuld einzugestehen. Noch schwerer ist es, um Verzeihung zu bitten.

Und hier kommt Luzys neues Gesetz: „Wer sich ernst nimmt, ist selber schuld!“ Alle verstanden? Es ist so einfach. Und noch einfacher wird es, wenn wir wissen, dass gar nichts passiert ist, dass wir noch immer heil und heimelig in Gottes (Quelle der Kraft) Schoß ruhen und alles bloß ein kurzer Alptraum war, der gar nicht war.

Mirjam ist stolz auf ihre beiden Buben. Sie hatte es nicht leicht, sie durch zu bringen. Oft genug war sie nahe dran, ihre eigene Brut ins Wasser zu werfen, zu ersticken oder sie auf andere Art los zu werden, weil sie nicht mehr wusste, wie sie Nahrung beschaffen sollte. Die Menschenwesen waren geizig. Nur wenige waren bereit, die kraftlose Mutter mit ihren zwei Kindern zu verköstigen. „Warum denn auch?“ sagten sie, „Mir schenkt auch keiner was!“ Und: „Männer ran lassen ja, aber die Konsequenzen wollen sie dann nicht wahr haben. Alle selber schuld.“ Und es gab viele Frauen, die so wie Mirjam durch das Land wanderten. Von Männern in Stich gelassen. Vergewaltigt und aus dem Haus geworfen. Selber schuld. Ja, unbedingt.

Aber Mirjam ist stolz auf ihre beiden Buben. Vor allem auf den Blauen, der so sanft und so still und immer besorgt um seine Mutter ist. Der Andere geht zu sehr auf die Menschenwesen zu. Mirjam mag das nicht. Sie mag die Menschenwesen nicht. Und der Blaue spürt das.

Haben die beiden Buben Namen? Wer will das wissen? Hat es irgendwie geholfen, dass man wusste, dass einer der Soldaten Ernst hieß und gar kein Soldat war, sondern von Göttin Betunia verarscht wurde? Nein, hat es nicht, denn Ernst ist Geschichte. Der Traum Ernst hat sich ausgeträumt. Kann aber auch sein, dass daraus ein neuer Traum wurde, denn so schnell kann die Heimreise auch wieder nicht angetreten werden, obwohl es nie eine Flucht gab und eh alle daheim sind. (Versteht das wer? Ich tu mir dabei noch immer schwer...)

Man muss sich also schon ganz sicher sein, dass man nur ein Traum ist und sich selbst auslöscht. Nein, nicht sich selbst – sondern nur den Traum den man selber träumt. Oder so ähnlich. Ach, Scheiß drauf – Hauptsache, Mirjam ist stolz auf ihre beiden Jungs. Ja, auch auf den Anderen und nicht nur auf den Blauen. Da habt ihr eure Namen! Und wenn sie nicht genügen, seid ihr selber schuld.


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Mirjam hat ein Haus. Es war der Blaue, der ihr und ihm und seinem Zwillingsbruder eines beschaffen hat. Mirjam hätte Männer haben können, die für sie gesorgt hätten. Mirjam mag keine Männer. Mirjam mag ohnehin keine Menschen. Für eine Gottesmutter ganz schön schräg. Aber Gott hat keine Menschen erschaffen. Sie haben sich selbst erschaffen. Ganz schön blöd.

Mirjam hat zwei tolle Jungs. Besonders der Blaue, der immer für sie sorgt. Er arbeitet auch, während der Andere sich ständig unter Menschen drängt und versucht, ihnen ein Leben aufzudrängen, das ganz und gar nicht menschengerecht ist. „Sich nicht wichtig nehmen.“ „Tun, was man will, als gäbe es kein Morgen.“ Geht gar nicht. Aber sie hören ihm zu, während der Blaue Kühe hütet. Das Geld, das er dafür bekommt, genügte für ein kleines, feines Haus, in dem alle drei Platz haben – sogar jeder ein Zimmerchen für sich hat. (Damals war wohnen noch leistbar.)

Im letzten Universum konnte man die beiden nicht unterscheiden. Im neuen Universum ist es leicht, denn der Blaue ist den Menschenwesen nicht ganz geheuer. Aber die Kühe lieben ihn. Seit er sie hütet, sie abends liebevoll in die Ställe führt und sie am Morgen selbst melkt, haben sie doppelt so viel Milch wie früher. Die Bauern, für die der Blaue arbeitet, sind glücklich, auch wenn sie ihn nicht lange ansehen können. Wie kann man nur blaue Haut haben? Ist es eine Krankheit?

Ist es nicht, denn der Blaue ist ein Avatar Gottes. Er ist Gott selbst, weiß es aber nicht. Er ist mehr Gott, als der Andere, dessen Mutter auch eine Andere ist. Nur – sie weiß es nicht und wusste es damals auch nicht.

Stimmt, Maria war vollkommen unschuldig, obwohl Kim irgendetwas ahnte, was er in den Gesprächen durchleuchten ließ. „Sie ist eine Hexe, ein Wesen der Anderen Seite“, verriet er mir einmal und ich schrieb sein Leben neu. Nein, nein, noch nicht das für die Veröffentlichungen! Es war ein Leben ohne Maria. Sie hat ihn verlassen und ist nie wieder zu ihm zurück gekehrt. Aber Manola kam. Die leibliche Tochter. Schon damals träumte sie von einer Vereinigung mit ihrem unwiderstehlichem Vater und durfte dieses Erlebnis, die „unio mystica“ erst als Sila (die Ganzheit ihres Selbst) erleben. Ich nannte diese Gespräche „Die Wahrheit“ oder „Die Bücher der Wahrheit“, was sie ja nicht waren, weil ich wieder umschwenkte, denn Kim und Maria trennten sie nie.

Und nun? Was ist Arima? Ein Wesen Dieser Seite (Kim) oder ein Wesen der Anderen Seite (Maria). Er hat beides in sich. Er IST beides. Es muss so sein. Nur so entstehen Doppelwesen, die eine Fahrkarte nach Hause bekommen.

Manola war noch menschlich und hatte kaum etwas an Kraft von ihren Eltern mit bekommen. Es gab sie auch in anderen Erddimensionen, was ihr die so genannte Schärfe nahm (man kann es auch Sehschärfe, oder Hellsehschärfe oder wie auch immer nennen).

Bei Thygyrill war es anders. Erstens wurde er als Leuchtendes Wesen geboren und zweitens wurde er als Wesen der Anderen Seite geboren, weil Maria damals sehr viel Kraft in ihren Sohn steckte, bevor sie für immer mit Kim verschmolz und so das Doppelwesen Arima entstand. Natürlich war der Name „Arima“ schon lange bekannt. Kims Vater wollte ihn so nennen, da es so in der Prophezeiung der Leuchtenden Wesen geschrieben stand. In etwa so: „Und Arima wird kommen und euch vom falschen König Ake befreien und schließlich König des Universums sein.“ Übrigens ist die Leuchtende Welt nie vor Wesen der Anderen Seite gefeit gewesen. Ake war nämlich eines – nämlich ein ganz gemeiner Dämon, der Kim das Leben zur Hölle machte. Aber das weiß man ja längst. Ist ein alter Hut aus dem alten Universum.

Und nun? Nun, wo sich Arima endlich sicher ist, beide Kräfte zu sein? Verändert sich endlich seine Ansicht über jene Wesen, bei denen er keinen Unterschied zwischen Götter und Dämonen sehen wollte? Ja, klar gibt es einen Unterschied, wenn man so will. Götter sind gut, weil sie uns Gutes tun wollen und Dämonen sind böse, weil sie uns Böses tun wollen. Quatsch, alles Quatsch! Ab einer gewissen Ebene besteht nicht einmal ein Unterschied zwischen Wesen Dieser und Wesen der Anderen Seite, weil alle Doppelwesen aus beiden Energien bestehen. Paolo und Selma? Da war es der Junge. Wer weiß schon als menschliches Wesen oder anderes Wesen, welche Ganzheit ihn/es träumt? Und wie gesagt, ab einer gewissen Ebene gibt es keine Unterschiede mehr – im alten, wie im neuen Universum.

Mag sein, dass Wesen der Anderen Seite in ihren Träumen ein wenig aufdringlicher sind. Zumindest einige, wie etwa der Andere, der schon wieder mitten in einer kleinen Menschenmenge seine Weisheiten wie Perlen vor die Säue wirft. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Mirjam meidet Menschenmengen. Sie meidet Menschen generell, wenn es möglich ist. Und der Blaue? Er sieht erst einmal zu und streichelt seine Lieblingskuh.


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