CO(S)MIC DREAMS oder KO(S)MISCHE TRÄUME

Serenade

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18. März 2007
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Ein neues Universum ist entstanden. Nachzulesen im „Großen Buch“, auch „Akasha-Chronik“ genannt. Das Weltgedächtnis. Der Traum des Einen.

Auf Seite 1 stelle ich mir das Bild „Canto della grotta“ von Alessandro Sicioldr vor. Die Föten schwebend als seltsame Engelwesen über einer Landschaft, die sich erst formt. Ein Turm (der von Babel?), auf dem eine rot gekleidete Figur mit schwarzer Mütze oder schwarzem Haar hockt - als Zeichen, dass es auch Menschenwesen im neuen Universum geben wird.

Auf Seite 2 schippern der alte Mann und der kleine Michel (einfach nur eine Vorstellung von zwei Gestalten, die noch immer geistig sind) auf einem herrlichen Segelschiff (auch geistig) durch ein unendliches (geistiges) Meer, um das Nadelöhr zu finden, wodurch der Urknall ausgelöst wird – ein leises „Plopp“ und ein schier unfassbar riesiger Baum, der auf Seite 3 zu sehen ist, entsteht im leeren Raum.

Auf Seite 4 entsteht eine kleine, feine Stadt, in der Menschenwesen in ihren kleinen Häusern Möbel hin und her schieben wie im Spiel „Sokoban“. Irgendwann wird sich herausstellen, dass Sila (das Doppelwesen aus Thygyrill, Kims und Marias Sohn auf der Leuchtenden Welt und Manola, Kims und Marias Tochter auf der Erde – wobei dies bloß zwei Aspekte von vielen in Sila sind) die Gründerin der kleinen, feinen Stadt ist.

Auf Seite 5 im Großen Buch lässt Pama (das Doppelwesen aus Paolo und Selma – nachzulesen bei „Im Westen nichts Neues“) die Landwirtschaft entstehen.

Auf Seite 6 vergnügen sich die Gopis mit dem Gott Krishna. Nur Spaß! Aber es könnte zu treffen, wäre da nicht Arima mein Favorit, der allen Lebewesen mit seiner prunkvollen Villa, dem prächtigen Park mit allen möglichen Bäumen, Sträuchern und Blumen und vielen, vielen Pavillons das Leben versüßt.

Auf Seite 7 (der Tag des Herrn?) verwüsten Soldaten den Erdboden, bis auf einen Baum, unter dem sie schließlich müde und erschöpft Platz nehmen.

Auf Seite 8 (womit mein Geschreibe „Nachtgedanken“ endete) erscheint ein neuer Soldat, der sich zu nur einem Soldaten (ich habe ihm den Namen Ernst gegeben, weil er als einziger ernst geworden ist, im Gegensatz zu den anderen Soldaten, die sich fast zu Tode lachen) gesellt. Es ist Arima, der die Gestalt des neuen Soldaten angenommen hat. Arima mit dem Messias-Syndrom. Helfen, retten und dafür leiden, weil die Menschenwesen Hilfe und Rettung nicht verstehen. Auch Sila nimmt Gestalt an, da sie Arima nicht alleine lassen will. Sie kommt in der Form eines seltsamen Tieres, das einem Känguru gleicht und sich leider (noch) nicht verständlich machen kann.

Die Seiten sind eine Art ko(s)mische Ebenen, wobei auf Ebene 1 (Seite 1) durchaus mehrere Bilder erscheinen können. Man darf aber nie, nie, nie vergessen, dass es sich tatsächlich nur um Erscheinungen handelt. Ob fein- oder grobstofflich spielt absolut keine Rolle. Alles nur Bilder. Alles nur Träume.

Im Großen Buch raschelt es. Die Seiten füllen sich. Haben sich bereits gefüllt und man wird neugierig, ob es Sila, dem Känguru, gelingt, sich verständlich zu machen.


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Natürlich betrifft es nicht nur die Seite 1, dass dort mehrere Bilder erscheinen können, oder eben andere Bilder, - vielleicht statt Föten Eier, woraus dann irgendwelche Vogelwesen schlüpfen. Es betrifft alle Seiten des Großen Buches, dass dort mehrere und vor allem auch andere Bilder erscheinen können, da dies von der so genannten menschlichen Seite aus wahrgenommen wird. Man stelle sich auf Seite 1 eine Vulkanlandschaft vor, wo es aus Erdlöchern Feuer speit, alles voll Nebel und irgendwo krächzen schrecklich anzusehende Vogelwesen mit langen Schnäbeln, in denen spitze Zähne wachsen. Es muss auch kein alter Mann und kein kleiner Michel sein, die das so genannte Tor zur Hölle mit einem Segelschiff ansteuern, wodurch ein neues Universum entsteht.

Die Frage ist nur, auch wenn es keine Rolle spielt, wann das neue Universum grobstofflich wurde und ob es das überhaupt wurde. Wurde? Von meiner Seite aus wird es das einmal. Gleichzeitig gesehen ist es das. Schriftlich gesehen wurde es spätestens auf der Seite grobstofflich, als die Soldaten alles verwüsteten, denn nur feste Materie lässt sich zerstören. Geist bleibt immer unberührt. Und wenn wir die Zeit ganz weg lassen, ist gar nichts geschehen. Es spielt ja auch keine Rolle, da alles nur Traum und Schein ist.

Natürlich ist es angenehmer mit leichtem Gepäck durchs Leben zu gehen. Alles andere drückte die Schultern nieder, man bekommt Kopfschmerzen – oder die ganz neuen Schmerzen, genannt „KoNaSchu-Schmerzen“ (Kopf-Nacken-Schulter-Schmerzen). Jede Zeit hat ihre Mode und auch ihre Schmerzen. Schon aufgefallen?

Was ich wirklich sagen will, - es ist auf jeden Fall gefühlsmäßig schöner, wenn man feinstofflich ist und das Gewicht nicht so sehr zu Boden zieht. Gravitation. Sehr schlimm. Besonders im höheren Alter. Feinstoffliche Körper altern nicht. Wir haben es gesehen, als Paolo und Selma jenen Wesen begegnet sind, die Menschen meist Götter nennen. Der Vierarmige, die Schöne, der Geflügelte und schließlich Arima und Sila. Paolo und Selma wurden dann auch zu so einem göttlichen Wesen. Ich nannte/nenne es „Pama“ (die erste Silbe von Paolo und die letzte Silbe von Selma).

Es ist egal, wie ich es nenne, aber beim Schreiben ist es einfacher, alles beim Namen zu nennen, als ständig diese Umschreibungen. Wie Umwege. Wir machen haufenweise Umwege. Was ich wirklich sagen will, ist, dass all diese sagenhaften Länder, Gebiete, wie etwa Atlantis, Shangri-La oder was und wie auch immer, eher feinstofflich sind, wie auch die einstige Leuchtende Welt (die Weiterentwicklung der Erde) im einstigen (diesem hier!) Universum.

Die Seiten des Großen Buches sind also wandelbar und auf unterschiedliche Arten zu lesen. Natürlich sind sie nicht auf die Art zu lesen, wie wir ein Buch lesen. Es passiert auf eine ganz andere Art – irgendwie durch Intuition und vielleicht auch durch Phantasie.

Auf der Seite, wo sich Arima und Ernst eben von dem Baum entfernen, unter dem die Soldaten, denen das Lachen inzwischen vergangen ist, hocken, kann sich ja auch etwas ganz anderes abspielen. Aber es ist eben der Teil, den ich „sehe“. Ich sehe auch ein seltsames Tier den beiden hinterher hoppeln, das mit allen Mitteln versucht, sich verständlich zu machen.

„Wenn wir hungrig werden, haben wir wenigstens etwas zu essen“, meint Ernst (der Soldat, der als erster ernst geworden ist, weshalb ich ihm diesen Namen gab), nachdem Arima sich darüber beschwerte, dass ihnen das Tier folgt, das einem Känguru sehr ähnlich schaut und die Größe eines ausgewachsenen Schäferhundes hat. „So kann man es auch sehen“, gibt Arima zu und das Känguru, das alles versteht, schimpft: „Untersteht euch!“


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Gleißendes Sonnenlicht fällt auf den ausgetrockneten Wüstenboden. In weiter Ferne glitzert die Skyline einer Stadt, deren Dächer alle aus weiß- und goldfarben gestreiften Kuppeln besteht. Es könnte sich aber auch um eine Fata Morgana handeln.

Da frage ich mich, worin besteht eigentlich der Unterschied zu dieser Fata Morgana, die wir tagtäglich und womöglich auch nachts erleben und dem, was in den Wüsten Fata Morgana genannt wird. Eigentlich kaum einer, bis auf das, dass man in einem Traum von einem anderen Traum (wie nachts im Schlaf) träumt.

Die beiden Soldaten entledigen sich nach und nach ihrer Kleidung, die alles andere als bequem in dieser Hitze sein muss. Zuerst flog der Helm, obwohl er einen guten Schutz gegen die Sonne gewesen wäre. Dann fielen die dicken Jacken und die schweren Brustpanzer.

Sila, das seltsame Tier, das wie ein Känguru aussieht, wundert sich nicht darüber. Ihr wäre es auch recht, wenn sie ihr dickes, rotbraunes Fell ablegen könnte und die Pfoten nicht so empfindlich gegen den heißen Boden wären. Manchmal versucht sie aufrecht zu gehen und mit ihrem langen dicken Schwanz Balance zu halten. Ihre Vorderbeine sind nicht ganz so kurz wie bei einem Känguru, weshalb es sie immer wieder nach vorne zu Boden zieht.

Gerade jetzt weicht sie den klobigen Stiefeln der beiden aus und denkt: „Das war ein Fehler. Jetzt werden sie auch Blasen an den Fußsohlen bekommen.“ Bald stolpern die beiden nur mehr mit weißen, knielangen Unterhosen bekleidet durch die Gegend und sehnen sich wenigstens nach einem, kleinen Tropfen Wasser. Immer wieder drehen sie sich nach Sila um, der sie bereits einen Namen gegeben haben. Wenn Menschen Tieren Namen geben, ist dies das erste Zeichen, dass das Tier eines natürlichen Todes sterben darf. Aber unter diesen Bedingungen?

„Man könnte Lisas Blut trinken“, keucht Ernst. Arima wirft ihm nur einen bösen Blick zu.

Übrigens besteht der Name „Lisa“ aus den selben Buchstaben wie „Sila“. Und der Name „Sila“ setzt sich nicht aus den Namen Thygyrill und Manola zusammen, sondern aus den Namen Ysil und Bela, auch wenn ich immer darauf bestehe, dass es sich bei Sila um das Doppelwesen aus Thygyrill und Manola handelt. Die Geschichte von Ysil und Bela (nichts anderes als ebensolche Aspekte wie Thygyrill und Manola der „Ganzheit“ oder anders ausgedrückt – des „Doppelwesens“ Sila) kann unter „Sterne fallen nur nachts vom Himmel“ nachgelesen werden.

„Vielleicht ist das da vorne wirklich eine Stadt“, meint Arima. „Da werden wir doch hoffentlich Wasser bekommen.“ „Und frische Kleidung“, hofft Ernst, der sich – obwohl er eine gute Figur in den weißen, ausgebeulten Unterhosen macht – gar nicht wohl fühlt bei dem Gedanken, in dieser Aufmachung anderen Menschenwesen zu begegnen.

Ernst ist eitel. Vielleicht mit Recht, da er ein sehr hübscher Junge ist. Groß gewachsen, von athletischer Figur und mit einem recht hübschen Gesicht unter dem blonden, dichten Haarschopf. Arima hingegen wählte eine etwas andere Gestalt, weswegen der Schweiß auch in Strömen floss und noch immer fließt und er immer weiter hinter Ernst zurück bleibt und Lisa ihn immer öfter anstupsen muss.

In „Nachtgedanken“ steht: „Und so stürzt sich Arima in Form eines Soldaten (nicht wieder zu erkennen!)...“ geschrieben. Warum er nicht wieder zu erkennen ist, steht nicht geschrieben. Jetzt weiß man es, dass er sich als kleinen Fettkloß manifestiert hat, um sich endlich vom ewigen Schönling rein zu waschen.

„Ich kann nicht mehr“, stöhnt Arima, als sich der Boden immer mehr in eine Sandwüste verwandelt und sich hohe Bergdünen vor ihnen aufbauen. Wie ein Sandsack plumpst er zu Boden und Lisa blickt ihn besorgt aus großen, braunen Augen an, die von langen, dichten Wimpern umgeben sind. Es sind schöne Augen. Putzige Augen, die nie und nimmer zulassen würden, dass der Rest von ihnen geschlachtet werden sollte. Sie können Blitze werfen. Elektrizität, die Lebewesen, vor allem jene, die ein schwaches Herz haben, töten kann. Außerdem hat bis jetzt noch niemand in Lisas Maul gesehen, um zu erahnen, wie schmerzhaft Bisse von langen spitzen Zähnen sein könnten. Bis jetzt hat auch noch niemand die Krallen an den Vorder- und Hinterbeinen gesehen, die Lisa einziehen und ausfahren lassen kann wie eine Katze.

„Wie konntest du deinen Körper nur so verunstalten. Hast du dein ganzes Leben nur gefressen?“ ruft Ernst und klettert die Sanddünen hoch. Oben angekommen, atmet der hübsche Junge tief durch. „Wir haben es geschafft!“ ruft er Arima zu. Lisa beachtet er nicht mit dem Ruf. „Es ist keine Fata Morgana! Es ist eine wirkliche Stadt!“ „Du hast ja keine Ahnung“, keucht Arima und rappelt seinen fetten Körper umständlich hoch.


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Irgendetwas kommt Arima bei dem seltsamen Tier, bei Lisa, komisch vor. Es, bzw. sie, da man ihr einen Mädchennamen gegeben hat und sie, das seltsame Tier, noch dazu wirklich weiblich ist, erscheint ihm etwas zu menschlich. Er erinnert sich, wie sie ihn angestupst hat, wenn er gestrauchelt ist und auch jetzt in seiner Nähe ist, als ob sie um ihn besorgt wäre.

Es ist wie ein plötzlicher Blitzschlag aus blauem Himmel. Intuition! Er erinnert sich auch, an den Versuch Lisas, sich verständlich zu machen. Auch er hatte sich materialisiert. Warum nicht auch Sila oder Pama? „Sila?“ fragt er leise und trifft damit sofort ins Schwarze, denn Lisa nickt mehrmals heftig mit ihrem großen (im Vergleich zum pelzigen Körper) Kopf. „Warum? Ich meine, warum in diesem Aufzug?“ fragt Arima und erntet von Lisa Blicke von oben bis unten und wieder von unten bis oben, wobei ihre Augen mehr als nur abschätzend blicken. „Ja, ja, okay – ich will halt nicht immer der Schönste aller Schönen sein. Aber du hättest nicht mitkommen sollen. Was, wenn dir etwas passiert!“ Den nächsten Blick von Lisa kann man nicht beschreiben. Vielleicht in Worten, die sie dachte, würde Arima sie verstehen: „Hast du sie nicht mehr alle? Was soll uns denn passieren? Wir sind Projektionen, die wir selbst jederzeit auslöschen können. Hast du denn wirklich alles schon vergessen?“ Arima fasst sich lachend an die Stirn. „Ich Trottel! Ja, ja, du hast recht, Sila. Ich bin nah dran, alles zu vergessen.“ „Es klappt! Die Verständigung auf gedankliche Art klappt!“ jubelt Lisa innerlich. „Ja, endlich, Sila. Es klappt. Aber ich kann nicht garantieren, wie lange noch. Wenn es sinnvoll gewesen wäre, hätte ich auch so eine ähnliche Form wie du angenommen, aber dann hätte es mit der Kommunikation nicht geklappt. Andererseits sind die menschlichen Formen gefährlich, weil das menschliche Bewusstsein viel zu schnell alles verschleiert.“

„Was ist? Kommst du endlich?“ ruft Ernst von oben, der noch immer aufrecht steht und so tut als wäre der lange Marsch nur ein Spaziergang gewesen.

„Vergiss ihm nicht zu sagen, dass wir möglicherweise von den Menschenwesen in der Stadt nicht wahrgenommen werden. Unsere Projektion ist noch zu direkt, während seine und ihre doch schon länger zurückliegen“, warnt Sila telepathisch und Arima nickt stumm, während er seinen ein Meter fünfzig großen Einhundertkiloleib nach oben schleppt und Lisa munter wie ein Hase hinterher hoppelt.

„Warte“, keucht Arima, als er endlich oben neben Ernst angekommen ist und sich schnaufend in den Sand hockt. „Ich muss dir noch etwas sagen, was länger dauern könnte. Also – setz dich.“

Ernst begreift zuerst nicht. Er fühlt sich lebendig und wirklich und nicht wie eine Projektion, auch wenn diese Projektion längst vergessen ist und er sich nicht erinnern kann, jemals von irgendjemanden, der er selbst sein soll und von dem er geistig oder wenigstens feinstofflich in einer geistigen oder wenigstens feinstofflichen Ebene, produziert wurde.

„Ist doch egal, ob du es verstehst oder nicht. Es ist ohnehin nicht erklärbar. Einst nahm ich mir so etwas wie Bewusstseinsblasen oder Wahrnehmungsblasen zu Hilfe, um es vielleicht besser zu erklären, aber auch das ging in die Hose. Immerhin sind Menschenwesen nicht in einer Blase eingeschlossen und Wesen wie Lisa auch nicht, obwohl Lisa einer anderen Spezies angehört und demnach in einer anderen Blase wahrnimmt, was sie hier darstellt, obwohl sie irgendwo in einer gemütlicheren Ebene im Sonnenschein auf einer Liege in einem Pavillon liegt und es sich gut gehen lässt.“

Ernst macht große Augen. „Ich möchte meine Projektion zurück ziehen und auch in einer gemütlichen Ebene im Sonnen...“ „Lass das jetzt“, wirft Arima ein. „So einfach geht das nicht. Ich möchte endlich etwas zu trinken, auch wenn ich nur eine Projektion bin. Aber so ist es nun mal mit so genannten festen Körpern. Je fester, umso schwieriger. Ach, ich wollte was anderes sagen. Na, egal.“

Dann machen sich die drei auf den Weg, - die steile Sanddüne hinunter Richtung Stadt oder viel mehr in eine größere Siedlung, die aus lauter gleichen weiß getünchten Häusern und Kuppeln mit weiß-goldfarbenen Streifen besteht.


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„Wie war das mit den Bewusstseinsblasen?“ fragt Lisa telepathisch und Arima hört ein ironisches Grinsen heraus, das die Frage begleitet.

„Ich habe es Wahrnehmungsblasen genannt, weil damals nicht alle Lebewesen so etwas wie Bewusstsein hatten“, antwortet er keuchend, obwohl sie bergab gingen – Ernst, fast im Laufschritt, einige Meter vor ihnen.

„Es war eine stümperhafte Erklärung, aber wie willst du Menschen ein Phänomen erklären, das nicht einmal wir verstehen?“

„Ich wäre aber doch neugierig, wie du es erklärt hast“, stochert Lisa.

„Kaum anders als ich es Ernst erklärt habe, dass unsere Ganzheiten Energie in gewissen Blasen projizieren, die sich schließlich nach Art der Blase materialisieren.“

„Ich kann mich erinnern“, lächelt Lisa, „Ob du es glaubst oder nicht. Es war deine leibliche Tochter Manola in einer anderen Erddimension, der du dieses Phänomen mit den Bewusstseinsblasen oder – verzeih – Wahrnehmungsblasen erklärt hast.“

„Du kannst dich erinnern?“

„Oh ja, liebster Arima und damals nannte ich dich Kim und habe über dich geschrieben. Tausende von Seiten, die mein Leben auffraßen. So habe ich es genannt. Du hast mir übrigens keine besonderen Weisheiten verraten.“

„Das konnte und durfte ich nicht und das weißt du ja jetzt. Wir dürfen andere Lebewesen nicht beeinflussen. Hätten wir es dürfen, hätten wir schon viel früher für das Paradies gekämpft, aber die Menschen, wie auch viele andere Lebewesen, waren noch nicht bereit dazu.“

„Und was willst du jetzt hier? Wird das keine Beeinflussung?“

„Natürlich nicht, aber wir sind verpflichtet, da zu sein. Einfach nur DA zu sein.“

„Eine andere Form würde dir besser tun“, meint Lisa, als Arima wieder einmal stehen bleibt, um Atem zu schöpfen.

„Wir sind ja bald da und ich bin schon gespannt, was uns in dieser eigenartigen Siedlung erwartet.“

Den Sand hatten sie zurück gelassen. Sie wanderten bereits auf einer Schotterstraße, die direkt in die kleine Stadt führt, wo an jeder Seite der Straße, in Reih und Glied, identische Häuser mit Kuppeln stehen. Alle (ungefähr) zwanzig Meter kommen sie an eine Kreuzung. Auch an diesen Straßen, die eher schmal sind, dass man sie eigentlich Wege nennen sollte (Fehler der Autorin!), stehen in Reih und Glied die Kuppelhäuser. Nicht alle haben weiß-goldene Streifen. Manche sind nur weiß oder haben weiß-blaue Streifen. Irgendwo erspäht Ernst sogar eine Kuppel, die ganz aus Gold ist und sich so ziemlich in der Mitte der Kleinstadt befindet. Aber keine ist größer oder kleiner oder anders gebaut als die andere. Was noch seltsamer ist – es ist niemand zu sehen. Die Stadt ist wie ausgestorben. Arima klopft an manche Türe, aber niemand meldet sich und es ist im Inneren auch nichts zu hören. Außerdem sind die Türen alle verschlossen.

„Eine Geisterstadt“, murmelt Ernst.

„Brunnen gibt es auch keinen, wo wir Wasser trinken könnten und so was wie eine Bar kann ich hier nicht entdecken“, keucht Arima und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

„Bar?“ fragt Ernst verwirrt.

„Das ist ein Haus, in dem du für Getränke aller Art bezahlen musst“, antwortet Arima.

„Bezahlen?“

„Ach, vergiss es!“ wehrt Arima ab.

Ernst, fast zwei Köpfe größer als Arima (wie ungewohnt!), baut sich mit den Fäusten in die Hüften gestemmt vor ihm auf. „Ich vergesse es nicht, denn ich will schon wissen, woran ich bei dir bin, du, du, du höheres Wesen“, schimpft er und Arima hört Lisa im Hintergrund grinsen.

„Dass er dir das abnimmt“, lacht sie telepathisch.

„Dass du mit das überhaupt glaubst“, sagt Arima wie ferngesteuert, „so, wie ich aussehe.“

„Göttliche Wesen sehen so aus“, meint Ernst. „Als ich mit meinen Eltern, als ich noch klein war, das Bethaus besucht habe, waren überall Bilder von kleinen, dicken Wesen, die ähnlich ausgesehen haben wie du. Mit der Ausnahme, dass sie Flügeln hatten. Kleine, weiße Flügeln. Eigentlich sahen sie wie Kinder aus und meine Eltern erzählten mir, dass es Engel sind, die Betunia geschickt hat.“

„Betunia?“ fragen Arima und Lisa wie aus einem Munde, während Ernst aber nur Arima hört.

„Ja, deshalb nennen wir die Häuser, die wir ihr widmen, Bethäuser. Unsere Göttin Betunia. Aber ich glaubte nicht wirklich an sie. Mir wäre es lieber, wenn so ein kleines, dickes Wesen, wie du, mein Gott wäre. Ja, ich würde dich akzeptieren, auch wenn du meinst, nicht schön genug zu sein. Du hast etwas an dir, - etwas, dem man vertrauen kann. Du hast so viel Ruhe in dir und noch etwas viel größeres...“

„Du meine Güte!“ stöhnt Lisa. „Du kannst es also doch nicht verbergen, Arima!“

„Ich hab gar nichts getan. Es liegt an meiner Energie, für die ich nichts kann“, wehrt sich Arima zu Recht.

„Ich weiß, mein Lieber, ich weiß. Wir wussten es schon immer alle“, raunt Lisa und hopst näher an den kleinen, dicken Mann heran, um ihn mit der schwarzen Nase liebevoll am Knie zu stupsen, während Ernst mit verklärtem Blick weiter schwärmt: „...etwas ganz viel größeres, das man durchaus Liebe nennen kann.“


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„Sie kamen in Scharen und verwüsteten das Land. Sie kamen und rotteten alle Tiere aus. Sie rissen die Tempel nieder und ließen keinen Stein auf dem anderen. Sie zerstörten alles, bis auf einen Baum, unter dem sie Platz suchten, als sie des Terrors müde wurden“, geht es Arima durch den Kopf, aber gleichzeitig weiß er, dass das Leben von Ernst ein anderes geworden ist. Ernst ist nicht mehr der Soldat. Er gehört nicht mehr zu den Soldaten, zu den Berserkern, die alles, was sie betreten, verwüsten.

„Wenn sie hier gewesen wären, hätten sie keinen Stein auf dem anderen gelassen“, telepatiert Lisa, weil sie fühlt, was in Arima vorgeht. „Du kamst nicht zu den Berserkern. Du kamst nur zu Ernst, weil er in ein anderes Leben gestoßen wurde.“

„Ich weiß“, sagt Kim laut.

„Was?“ fragt Ernst, der nachdenklich auf einer kleinen weiß und gold gestreiften Bank hockt, die vor einem der Kuppelhäuser steht, während Arima und Lisa vor ihm stehen.

„Ich habe mit Lisa gesprochen.“

„Ach ja, sie ist auch so was wie du – eine Art Gott, was ich ganz vergessen habe.“

Nach einer Weile erhebt sich Ernst und fragt: „Was tun wir jetzt? Warten, bis wir verdursten und verhungern?“

„Wie fühlst du dich?“ stellt Arima die Gegenfrage.

„Eigentlich ganz gut. Es ist, als hätte mich diese kleine Stadt neu aufgeladen.“

„Woran erinnerst du dich?“ fragt Arima.

„He, was soll das?“

„Es ist nur eine Frage. Erinnerst du dich, Soldat gewesen zu sein?“

„Was? Ich war nie Soldat! Ich hasse Soldaten!“

„Du erinnerst dich nicht mehr daran, dich auf dem Weg hierher, all deiner Soldatenkleidung entledigt zu haben, weil es so heiß war? Du erinnerst dich nicht mehr daran, mit deinen Kollegen von Wilden alles dem Erdboden gleich gemacht zu haben?“

Ernst setzt sich wieder.

„Verdammt, wovon redest du? Hat dir die Sonne das Hirn heraus gebrannt?“ Und nach einer Weile sagt er: „Oder hat sie mir das Hirn heraus gebrannt? Ich erinnere mich an – an eine kleine Siedlung wie diese. Aber die Häuser waren andere und sie waren unterschiedlich. Ich erinnere mich an das Bethaus und an unsere Göttin, die stets für uns gesorgt hat. Betunia. Du weißt, ich habe dir erst vor kurzem von ihr erzählt. Nur weiß ich nicht, wie ich hier her gekommen bin. Auf einmal war ich auf Wanderschaft und hatte nur diese dämlichen Unterhosen an.“ Und nach einer weiteren Weile: „Du bist doch so was wie ein Gott, wie ein Zauberer, dem alles möglich ist...“

Arima hebt abwehrend beide Hände. „So was würde ich nie tun. Ich hatte nur das Gefühl, dass mich jemand braucht. Deshalb bin ich in diese Dimension oder Ebene gekommen. Anscheinend hat sich Zeit und Raum überschnitten und du warst ein Opfer davon. Zwei deiner Leben haben sich überschnitten. Aber ich würde sagen, du hast Glück gehabt. Ich habe schon andere erlebt, denen das passiert ist. In den Anfangszeiten neuer Universen passiert das öfters. Die Lebewesen, die es betrifft, leben dann oft zwei Leben gleichzeitig. Na ja, nicht direkt gleichzeitig, sondern mal dieses und mal jenes. Sie schwenken in ihrem Bewusstsein hin und her. Im letzten Universum hätte man sie ins Irrenhaus gesperrt und für verrückt erklärt. Du hingegen schwenkst nicht hin und her.“

„Das hoffe ich“, stöhnt Ernst. „Ich verabscheue Gewalt.“

„Das ist ganz normal. Meist leben sie im nächsten Leben – im so genannten nächsten Leben – das Gegenteil von dem, was sie damals gerne machten. Als Soldat war Gewalt für dich an der Tagesordnung. Und jetzt bist du das Gegenteil davon. Verstehst du? Ich meine, wenn du jetzt einem gewaltbereiten Menschenwesen begegnest, würdest du es verurteilen. Oder?“

„Natürlich!“ rief Ernst spontan.

„Klar! Typisch, weil sie nichts wissen“, murmelt Arima mehr zu sich selbst, spricht dann aber etwas lauter weiter. „Damit verurteilst du dich selbst. Du warst selbst einmal gewaltbereit und hast zu den Soldaten gehört, die sehr viel vernichtet haben. Du kannst dich nicht erinnern. Aber es ist so. Die Ganzheit, dein wahres Selbst, träumt dich und viele, viele mehr, wobei sich alle Träume sehr voneinander unterscheiden.“

„Ich bin nur ein Traum“, sagt Ernst nachdenklich. „Warum tut mein wahres Selbst so etwas?“

„Weil es sich von der Quelle abgespalten hat und ein eigenes Imperium, ein Universum, aufbauen will.“

„Und du? Welche Rolle spielen du und Lisa?“

„Wir sind die Aufsichtsbehörde, so was wie die baldige Heimfahrkarte, wenn die Traumwesen bereit sind. Keine einfache Sache. Im letzten Universum mussten wir dafür einige harte Kämpfe austragen. Und jetzt Schluss mit dieser Klugscheißerei. Du erinnerst dich jetzt und bringst dich und uns in deinen Heimatort. Okay?“

„Okay!“ sagt Ernst, steht wieder von der Bank auf und marschiert los.


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Sie kamen in ein altes, bezauberndes Dorf, mit engen Gassen, Steinhäuser, mit flachen oder schrägen Dächern, Balkone, auf denen sich Menschenwesen (die stets freundlich grüßten) sonnten oder von oben mit den Spaziergängern tratschten, wo an den Fenstern Blumentöpfe hingen, die Türen mit Kränzen und Blumen geschmückt waren. Es war so ähnlich wie Silas kleine, feine Stadt, aber feste, sozusagen harte Materie. Lisa war begeistert, als sie an ein Haus kamen, dessen Eingangstür über einige Steinstufen und einem Schmiedeeisentürchen erreichbar ist. Ernst ging voraus, klopfte an die blau gestrichene Tür, wartete aber keine Antwort ab, sondern trat sofort ein. Ein Flur mit dunkelroten Terrakottafließen und grün gestrichener Wand erwartete sie, von dem einige Türen zu verschiedenen Räumen führen.

Und nun sitzt Arima (Lisa musste im Flut bleiben, bekam aber eine Schüssel mit Wasser und eine Schüssel mit einer Art Hundefutter) in einem geräumigen Zimmer an einem großen, langen Tisch mit Ernst und seiner Familie, die bereits sehr besorgt war, da Ernst fast drei Tage lang verschollen war. Der Tisch biegt sich vor lauter Köstlichkeiten an Nahrung und Getränke.

„Fasst nur zu, werter Herr“, flötet Ernsts Frau immer wieder und Arima lässt sich nicht zweimal bitten. Es ist für Ernst, Viola (seine Frau) und Pitt und Pett (die männlichen 4jährigen Zwillinge der beiden) eine Wonne, dem kleinen, dicken Mann bei der Völlerei zuzusehen.

„Normalerweise sind unsere Eltern und deren Geschwister auch da, aber heute feiern sie unten am Fluss mit Betunia. Es ist Tag der Alten“, erklärt Viola, weil sich Arima über den großen Tisch und die vielen Stühle wundert. „Wir sind noch eine große Familie. Die meisten Jungen im Dorf ziehen in die große Stadt und lassen die Alten allein. Also, ich könnte meine Mama nie alleine lassen“, und schon schnieft sie in ein Taschentuch, die gute Viola, eine vorbildliche Tochter und Schwiegertochter, wie Ernst immer wieder versichert.

Aber das interessiert Arima nicht. Als er „Betunia“ hört wird er hellhörig. Auch Lisas Ohren spitzen sich und sie lugt übers Eck in das Esszimmer zu Arima, der ihr zunickt.

„Eure Göttin ist bei euch?“ fragt er vorsichtig.

„Du bist doch auch bei mir, du, mein ganz persönlicher Gott“, lacht Ernst und klopft Arima freundschaftlich auf die runde Schulter, die von einem weiten weißen Hemd bedeckt ist – ein Kleidungsstück von Violas Papa, was übrigens auch die bunt gestreiften langen Hosen sind, die Arima ein wenig zu lang sind, da Violas Papa ein wenig größer als ein Meter fünfzig ist. Es sollte hinzugefügt werden, dass sich die Bewohner dieses Dorfes gerne sehr bunt kleiden.

„Ich würde Betunia gerne kennen lernen“, meint Arima und beißt herzhaft von einer Keule ab.

„Kennt ihr euch nicht untereinander?“ fragt Viola.

„Schon möglich, aber wenn wir Gestalt annehmen, wissen wir nie so genau, wer darin steckt“, erklärt Arima und alle lachen.

„Verzeih, aber ihr Götter seid manchmal sehr witzig“, entschuldigt sich Ernst, da Arima bei ihrem Lachen verwirrt die Brauen hochzieht.

„Frag sie, was Götter für sie überhaupt sind. Vielleicht bedeutet es etwas ganz anderes als im letzten Universum“, telepatiert Lisa und Arima fragt.

„Was Götter sind? Na ja, Betunia veranstaltet Feste und unterhält uns mit ihrer Zauberei. Und sehr oft ladet sie uns in ihr Haus ein – in das Bethaus - wo sie uns köstliche Süßigkeiten anbietet. Übrigens, dieser Kuchen wurde von ihr selbst gebacken“, berichtet Viola und Arima hätte sich beinahe verkutzt, als er zum Nachtisch ein Stück Kuchen nascht.

„Keine Sorge“, beschwichtigt Ernst, „wir können ihr vertrauen. Sie würde niemals hinterrücks Gift anwenden, wie manch andere Göttin oder Gott um uns zu töten. Bei Betunia haben wir Glück, da sie uns sagt, wann es so weit ist. Wenn es an der Zeit ist, berührt sie uns an der Stirn und dann gehen wir in das andere Land, wie sie uns sagt.“

„Es gibt noch andere Götter hier?“ fragt Arima.

„Jedes Dorf, jede Stadt hat ihren Gott oder ihre Göttin und manchmal sind es auch zwei oder drei. Je nach dem wie viele Menschen in der Stadt wohnen“, erklärt Ernst.


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„Es beginnt also schon jetzt“, flüstert Lisa telepathisch.

„Nur, wenn wir uns darauf einlassen und alles für wirklich halten. Vergiss das nicht, Sila. Aber ich befürchte, es hat sich alles schon zu weit ausgebreitet. Ich kann Aspekte spüren, die bereits alles vergessen haben. Und du weißt, was das heißt.“

Nachdenklich reibt sich Arima das rundliche Kinn, das durch den kurzen, fetten Hals kaum zu erkennen ist.

„Außerdem, liebste Sila“, telepathiert Arima, „außerdem hat es sofort begonnen. So war es noch in jedem Universum. Oder erinnerst du dich nicht mehr an das letzte Universum, als es Einhörner, Drachen und alle möglichen Tiere gab, die die Menschen später Fabelwesen nannten? Oder erinnerst du dich nicht an all die Elfen, die in den Bäumen wohnten? Oder an die Hexen, Zwerge, Gnome, Riesen und all jene Wesen, die sich, als die Menschen die Überhand hatten, eine eigene Ebene aufbauten? Ich glaube, Betunia und ihre Gesellen und Gesellinnen sind nichts anderes, denn auch die Elfen, Hexen und Feen lebten einst mit Menschen zusammen und wollten sie unterjochen – sozusagen umpolen, wie ich das einst nannte.“

„Mit 'umpolen' meintest du ihre Energie zu ihrer machen. Und genau das macht Betunia, wie ich befürchte, indem sie die Menschenwesen an der Stirn berührt und ihre Energie aufsaugt. Und je mehr diese selbsternannten Götter und Göttinnen aufsaugen und die Energien zu ihresgleichen machen, um so wirklicher werden die Ebenen und es wird schwer, wenn nicht unmöglich, den von der Quelle abgespaltenen (träumenden) Geist zu retten (aufzuwecken).“

„Es ist verboten, Betunias Fest der Alten zu besuchen, außer man ist alt“, zetert Ernst, als sich Arima und Lisa auf den Weg zum Fluss aufmachen wollen.

„Wenn sie ihresgleichen erkennt, wird sie wohl das Verbot aufheben. Und macht euch keine Sorgen um eure Familie. Wir bringen sie heil wieder zu euch zurück. Oder hat die liebe Betunia euren Alten gegenüber irgendetwas vom anderen Land erwähnt?“

„Nein, Arima, hat sie nicht. Während den Festen macht Betunia so etwas nicht“, gibt Ernst schroff zurück. „Mir scheint, ihr Götter seid aufeinander eifersüchtig oder du hast sonst irgendetwas gegen unsere Schutzgöttin.“

„Schutzgöttin? Sie verarscht euch“, blafft Arima in gewohnter Manier (so wie ich ihn halt kenne). „Erinnerst du dich, als du nicht wusstest, wie du in die Wüste gekommen bist und dachtest, ich hätte etwas damit zu tun gehabt?“

Ernst nickt zögernd.

„Und als ich sagte, so etwas würde ich niemals tun?“

Ernst nickt.

„Wahre Götter mischen sich nicht ins Leben von Menschenwesen ein. Sie lassen ihnen ihren freien Willen und ihr wahres Herz zum rechten Erkennen. Aber wie es scheint, hat euch Betunia bereits alles genommen. Und jetzt erinnere dich, wann du Betunia das letzte Mal gesehen hast.“

Ernst überlegt, dann fällt es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen.

„Betunia hat mich berührt. Sie wollte mich an der Stirn berühren und hat nur eine Braue erwischt, als ich zurück zuckte und dann war ich – dann war ich...“

„...einer der Berserker, die gerade eine Gegend dem Erdboden gleich gemacht haben und sich lachend unter einen Baum niederließen“, vollendet Arima den Satz.

„Aber, aber ich war nicht krank und bin auch nicht alt.“

„Aber du hast Kraft und das ist es, was diese scheinheilige Betrügerin braucht“, ist sich Arima sicher.

„Sind vielleicht noch andere junge Leute bei euch im Dorf abgängig?“ fragt er und blickt auch zu Viola, die an der Eingangstür steht und an deren Beinen links und rechts die Zwillinge kleben.

Ernst überlegt, aber Viola hebt ihre Hand.

„Von der Nachbarin da drüben ist letztes Jahr ein Neffe verschwunden. Sie hat ihn aufgenommen, weil seine Eltern plötzlich gestorben sind“, erzählt sie.

„Plötzlich? Lebten sie auch hier im Dorf?“ erkundigt sich Arima.

„Nein, sie lebten in einem anderen Dorf, wo eine andere Göttin...“ „...ein anderer Gott“, berichtigt Ernst. „Na gut“, spricht Viola weiter. „Wo ein anderer Gott sein Unwesen treibt.“

Arima nickt zufrieden. „Ihr versteht wenigstens. Die anderen Menschenwesen hier müssen wir aber erst überzeugen, wenn wir Betunia, falls es uns gelingt, von hier verscheucht haben.“


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„Ernst hat wirklich viel Kraft“, telepathiert Lisa auf dem Weg zum Fluss, als Ernst und Viola sie endlich gehen ließen. „Sonst hätte er es von alleine nicht mehr zurück geschafft. Ich habe irgendetwas gefühlt, was weder von dir, noch von mir kam, als wir uns über die Sanddünen schleppten. Meinst du, das seltsame Dorf mit den Einheitshäusern und den schönen Kuppeln ist das, was Betunia das andere Land nennt?“

„Keine Ahnung. Aber es könnte sein, denn ihr ist es sicher möglich, so etwas zu erschaffen“, antwortet Arima.

Es ist kein weiter Weg zum Fluss. Er führt über einen Feldweg, an dem an beiden Seiten wunderschöne Blumenwiesen zu sehen sind, in denen einige Obstbäume stehen, deren Früchte bereits reif sind. Erst, als der Weg schmäler wird, führt er bergab zum Fluss, der sich durch eine sanft hügelige Landschaft schlängelt.

Direkt am Fluss sehen Arima und Lisa von weitem schon einen Menschenauflauf vor einer Art Bretterbühne, auf der eine wunderschöne, junge Frau in einem orangefarbenem Kleid steht und aus einem schwarzem Zylinder Tauben und Hasen und andere Kleintiere zaubert. In einer Hand hält sie den Zylinder, in der anderen einen mit Edelstein verzierten hohen Stab, mit dem sie jedes mal auf den Boden stampft, wenn ein Tierchen aus dem Zylinder entkommt. Und die Meute jubelt und klatscht.

„Erinnert mich irgendwie an damals“, kichert Lisa. „Dir haben sie auch so zugejubelt, als du der berühmteste aller Berühmtheiten warst. Der berühmteste Rockstar aller Zeit, dessen Musik alle Erddimensionen erfüllte.“

Arima sagt nichts dazu. Er schaut nur auf den Hut, der ihm sehr bekannt vorkommt, denn es ist ein und derselbe Hut, den er in seinem Park auf hatte. Jetzt bemerkt auch Lisa seinen Blick und spürt seine Regung.

„Du hast Recht, es ist ein und derselbe Hut. Wie kommt sie dazu? Ich habe nicht bemerkt, dass sich unter uns ein Wesen der – wie nanntest du es?“

„Wesen der 'Anderen Seite'. Ist ein verdammt blöder Ausdruck, aber mir fiel nichts anderes ein. Manche nannten es auch den falsch gesinnten Geist oder einfach nur den 'Träumer', was wohl am passendsten ist. Und dem Träumer werden seine Träume Flöten gehen, wenn er nicht bald aufwacht, denn dann haben wir dieselbe Scheiße wie damals“, flucht Arima auf seine ganz natürliche Weise.

„Können wir hier etwas tun?“ fragt Lisa.

„Nicht wirklich. Wir müssen in die andere Ebene zurück – in den Park und in einen ganz bestimmten Pavillon. Ich glaube, ich weiß, wo ich sie finde.“


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„Ich könnte sie mit einem Strahl aus meinen Augen in eine Ebene befördern, aus der sie lange nicht zurück kommen kann“, flüstert Lisa telepathisch. Flüstern deshalb, weil sie meint, Betunia könnte sie 'hören'. Sehen zwar nicht, denn die beiden liegen geduckt im hohen Gras auf der Anhöhe. Außerdem ist Betunia sehr mit zaubern beschäftigt.

„Ich weiß schon, sanfter Arima. Wir tun uns alles immer nur selbst an und es ist auch nicht klug, sich zum Handeln zwingen zu lassen.“

„Das habe ich nie gesagt“, gibt Arima telepathisch zurück. „In der höchsten Ebene sind wir Eins mit der Quelle. Aber in all diesen Träumen sind wir sehr oft dazu gezwungen zu handeln, denn auf den Schädel scheißen lassen soll sich niemand. Natürlich wäre es gefragt, das Ego ein wenig mehr hinten an zu stellen, dann ist man auch nicht immer so schnell beleidigt oder fühlt sich persönlich nicht angegriffen. Hier, liebste Sila, und das weißt du, sind wir nicht Eins und deshalb herrscht Krieg. Ja, schau nicht so überrascht. Es gibt nur Krieg und Liebe. Hier ist alles immer nur Krieg, egal in welcher Form. Ich gegen den Rest der Welt. Ob im Guten oder im Schlechten ist gleich. Wer gibt, der nimmt auch zugleich. Aber Liebe und ewiges Geben herrscht nur in der Einigkeit mit der Quelle. Alles andere ist Abklatsch von Liebe oder eine vage Erinnerung daran, wie es einst war, als wir mit Mutter noch Eins waren.“

„Mutter?!“ telepathiert Lisa fast zu laut und Arima grinst nur.

„Also machen wir Betunia in deinem Park fertig. Und wie bekommen wir sie dort hin?“

Arima schüttelt seinen Kopf.

„Jetzt bist du aber schön daneben, Sila. Diese Lebensform tut dir anscheinend nicht mehr gut.“

„Ach! Wie dumm von mir. Es ist ja auch ärgerlich, dass wir immer dieselben Probleme haben. Aber sag, Arima, - damals, im letzten Universum auf der Erde, - damals wurdest du doch als Ganzheit geboren und hast also schon alles gewusst. Ist das richtig?“

„Wie kommst du jetzt auf so eine Frage?“ tut Arima überrascht.

„Weil du immer alles weißt und Ruhe bewahrst, als wärst du der Überdrüber von allen.“

„Überdrüber?“ lacht er und hält sich schnell die Hand vor den Mund. Aber Betunia in ihrer Selbstherrlichkeit hat nichts bemerkt.

„Ich habe nichts gewusst, auch wenn ich als Ganzheit geboren wurde. Das musste ich in mir erst entwickeln. Im Grunde genommen werden alle Lebewesen...“

„...als Ganzheit geboren. Ja, ja, du Bescheidenheit in Person. Wir wissen alle, dass du anders bist, anders warst und es auch immer sein wirst.“

„Schwachsinn! Und jetzt konzentriere dich auf die Ebene, aus der wir gekommen sind, sonst wird es immer schwieriger, jemals wieder bewusst von dort aus zu handeln.“

Es fällt den beiden noch verhältnismäßig leicht, sich zu konzentrieren. Von einem Augenblick zum anderen befinden sie sich plötzlich (sie, wie auch Betunia, befinden sich aber auch noch immer auf der Anhöhe, wo sie sich im hohen Gras vor Betunia verstecken!) vor einem der weißen Pavillons, vor dem eine weiße Bank steht und auf deren Lehne ein kleiner blauer Vogel mit orangem Bauch hockt und fröhlich zwitschert.

„Komm, Betunia – nimm eine andere Gestalt an. Du tust den Vögeln sonst unrecht“, zetert Arima, der schöne, schlanke, hoch gewachsene Jüngling mit dem mädchenhaften Gesicht und den langen, schwarzen Locken, die ihm über die nackten Schultern fallen. Ansonsten steckt er nur in ausgewaschenen Jeans. Sila zeigt sich als Hippiemädchen im langen bunten Rock, in einer bunten slawischen Trachtenbluse und vielen bunten Ketten um den Hals und an den Armen.

„Flop“ macht es und aus dem kleinen Vogel wird Betunia, so wie sie als Zauberin vor der Menschenmenge aus alten Menschenwesen erschienen war (und es noch immer ist).

„Was wollt ihr?“ fragt sie mit lieblicher Stimme und unschuldigen Augenaufschlag. „Ich unterhalte die Langweiler doch nur, die mit ihrem Leben nichts anzufangen wissen. Endlich haben sie die Chance, selbständig zu sein und was tun sie? Sie langweilen sich und manchen sich selbst zu Sklaven, als zu leben und im Leben etwas zu riskieren.“

„Du hast ja recht mit allem, was du sagst, aber das ist nicht deine Wahrheit, meine Liebe“, spricht Arima mit einschmeichelnder Stimme, die beide – Betunia und Sila – fast zum Schmelzen bringt. „Du nimmst ihnen Kraft, um mächtiger zu werden. Du legst es darauf an, dass wir nie wieder zur Quelle zurück finden, obwohl wir uns noch immer mitten in ihr befinden. Betunia – sei vernünftig. Das alles hier ist nur ein Traum, der irgendwann wieder zerplatzt. Wie oft habt ihr es schon versucht und es ist immer in die Hose gegangen. Ihr werdet nicht glücklich. Es gibt nur ein Paradies und nur eine Liebe“, predigt Arima.

„Wie oft haben wir das schon gesagt und es nie geholfen. Außerdem verstehe ich es nicht. Wie kann man nur, wenn es in der Quelle so unbeschreiblich herrlich ist, wo es keinen Vergleich zu hier gibt. Mir scheint, ihr habt bereits alles vergessen“, appelliert Sila an Betunias Vernunft, in der Hoffnung, dass diese noch vorhanden ist.


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