Liebe Alana,
ich finde, dass du hier schon fast das triffst, was ich intendierte. Auf der einen Seite beschreibst du eine Teilnehmerperspektive: aus der Teilnehmerperspektive nehmen wir jedoch selten das Vorgehen realistisch als Scheitern wahr - es gibt jedoch Fälle, wenn ein Mensch sehr offensichtlich scheitert ( ich gehe darauf weiter unten weiter ein.)
Auf der anderen Seite beschreibst du, dass wir auch fähig sein können, eine höhere, allumfassendere Perspektive einzunehmen. Das würde ich als eine Beobachterperspektive bezeichnen.
Nun sind Menschen fähig, Teilnehmer- und Beobachterperspektiven zu koordinieren und auf diese Weise in sich mit sich selbst zu kommunizieren. Mir scheint, dass ein Mensch auf diese Weise sich recht rasch ein Scheitern eingestehen kann.
Insgesamt ist ja deine Kritik in deinem Beitrag jetzt auch eher eine "erkenntnistheoretische": du zeigst auf, dass es gar nicht so leicht ist, zu beurteilen, wann und ob ein Mensch scheitert. Mir geht es jedoch auch um eine "Praxis".
Ein Beispiel:
Angenommen, ich nehme mir vor, eine bestimmte Arbeit in einer bestimmten Zeit zu bewerkstelligen - und ich verspreche anderen, dass ich diese Arbeit dann und dann abliefern werde. Wenn ich irgendwan merke, dass ich es nicht schaffe, dann gestehe ich mir ein Scheitern ein.
Wenn man dieses Beispiel "verallgemeinert" dann geschieht so etwas relativ oft, scheint es mir. Es muss keine "Arbeit" sein, es kann auch das "Leben" sein. Und es müssen nicht die "Anderen" sein, sondern ich kann dies an mich selbst "adressieren".
An diesem Beispiel wird aber auch deutlich, dass es nicht nur alleine um ein Bewerten geht: es geht auch um eine Praxis.
Ein deutlicheres Beispiel:
Ein Mensch, der gerade 1-2 Jahre alkoholabhängig ist, wird sich vielleicht irgendwann eingestehen, dass er mit dieser Praxis scheitert. Und dieses Scheitern kann dann vielleicht eine neue Entwicklung hervorbringen.
Aber er scheitert nicht nur, weil er sich dies eingesteht und die Beurteilung vornimmt, sondern er scheitert aufgrund seiner Praxis.
Jetzt kannst du sagen, dass das kein "Scheitern" ist. Dann sage ich: gut, lass uns ein anderes Wort nehmen. Das, was ich meine, ist etwas "Destruktives", das sich in eine Lebenspraxis einschleicht.
Und das, was ich mit dem Erkennen des "Scheiterns" meine, das kann ein wichtiger Erkenntnisprozess sein. Vielleicht wird "diese Erkenntnis" gar nicht als ein "Scheitern" erlebt, sondern als eine glückliche Wiedergeburt.
Das Göttliche an sich urteilt nicht in Scheitern usw., das tun nur die Menschen, und das aus ihren verschiedenen Weltbildern heraus.
Einen Menschen liebevoll zu begleiten, auch in seinem angeblichen Scheitern, ohne das jedoch zu beurteilen, das finde ich richtig.
Ich kann dir hier nur zustimmen. Tatsache scheint mir aber, dass nahezu alle Menschen Werten und Bewerten und auch immer in Praktiken eingebunden sind. Umso schöner ist es, wenn andere Menschen diese Menschen liebevoll begleiten, wenn sie aufgrund ihrer Praktiken scheitern.
Mir geht es aber gar nicht so sehr um das "Wort" "Scheitern", sondern ich meinte mit dem Wort eine destruktive Praxis, der wir manchmal ausgeliefert sind.
Alles Liebe
Energeia