Diese neue Sicht der Wirklichkeit beruht unter anderem auf der Überwindung der klassischen Physik durch die Quantenphysik. (Wilber, 1984).
Um zu verstehen, warum diese Quantenrevolution eine so verheerende Umwälzung ist, muss man bedenken, dass die Welt der Naturwissenschaft beim Anbruch des 20. Jahrhunderts etwa vierzehn Jahrzehnte verblüffende Erfolge genossen hatte. Das Universum wurde, zumindest mit den Augen der klassischen Physiker, als eine großartige, aber ungegliederte Ansammlung getrennter Dinge und Erscheinungen angesehen, von denen jedes und jede durch eindeutige Grenzen in Raum und Zeit vollkommen isoliert war. (S.55)(
) Als die Naturwissenschaftler die Welt der subatomaren Physik zu erforschen begannen, nahmen sie ganz von selbst an, dass all die alten Newtonschen Gesetze oder etwas ihnen ähnliches auf die Protonen, Neutronen und Elektronen anwendbar seien. Aber es war nicht so, überhaupt nicht, nicht ein bisschen. (
) Mit anderen Worten: Das Atom verhielt sich nicht wie ein gesondertes Ding. Die alte Physik hatte das Atom metaphorisch als ein Sonnensystem im Kleinen angesehen, wobei Neutronen und Protonen den Sonnenkern bildeten und abgetrennte planetare Elektronen um ihn kreisten. Jetzt aber begann das Atom mehr wie eine nebelhafte Wolke auszusehen, die unmerklich in ihre Umgebung überging. (S.56)(
) Das soll nicht heißen, die reale Welt sei lediglich ein Produkt unserer Einbildungen (subjektiver Idealismus), sondern dass unsere Grenzen es sind. Darum hat Wittgenstein gesagt, am Grunde der ganzen modernen Weltanschauung liege die Illusion, die so genannten Naturgesetze seien die Erklärung von Naturphänomenen. Denn diese Gesetze beschreiben nicht die Realität, sondern nur unsere Grenzen der Realität. (
) Kurzum, die Quantenphysiker entdeckten, dass man die Realität nicht mehr als einen Komplex unterschiedlicher Dinge und Grenzen ansehen konnte. Vielmehr erwies sich das, was man früher für begrenzte Dinge gehalten hatte, als miteinander verwobene Aspekte von Dingen. Aus irgendeinem seltsamen Grund schienen alle Dinge und Ereignisse im Universum miteinander in Verbindung zu stehen. (S.58)(
) Dass der Osten dies schon längst wusste, bevor die westliche Naturwissenschaft zufällig darauf gekommen ist, liegt daran, dass der Osten Grenzen niemals ernst genommen hat. (
) Der Osten erkannte, dass die Realität nicht-dual, nicht-zwei war, und erkannte damit auch, dass alle Grenzen illusorisch waren. (
) Was wir nun gesehen haben heißt, die Realität hat keine Grenzen. Jede denkbare Art von Grenze ist lediglich eine Abstraktion vom nahtlosen Mantel des Universums; daher sind alle Grenzen reine Illusion, und zwar in dem Sinn, dass sie Trennungen (und letzen Endes Konflikte) schaffen, wo keine sind. (S.60)(
) Für den Osten war jedoch die Realität der Grenzenlosigkeit niemals nur ein theoretisches oder philosophisches Problem. Sie war niemals etwas, dass man an der Wandtafel oder im Laboratorium darstellt, so wichtig derartige Unternehmungen auch sind. Denn die Menschen versuchen immer, ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihre Realität zu begrenzen. Und leider ist jede Grenzlinie eine potentielle Kampffront. Das einzige Ziel der östlichen Befreiungsmethoden besteht also darin, die Menschen von den Konflikten und Verwicklungen ihrer Kämpfe zu befreien, indem man sie von ihren Grenzen befreit. (S.64)(
)Zu zeigen, dass die Realität ohne Grenzen ist, bedeutet also, zu zeigen, dass alle Konflikte illusorisch sind. Und diese End-Erkenntnis nennt man Nirwana, Mokscha, Erlösung, Befreiung, Erleuchtung, Satori der Mensch ist befreit von Paaren, befreit von der bezaubernden Vision des Getrenntseins, befreit von den Ketten der eigenen illusorischen Grenzen (Wilber, 1984, 65).
Der gegenwärtige Paradigmenwechsel beruht nun auf der Erkenntnis, dass sich die verblüffenden Forschungsergebnisse der Quantenphysik auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen lassen (Laszlo, 2004). Der Organismus ist auch mit seiner Umwelt kohärent: Was in der Umwelt des Organismus geschieht, spiegelt sich auf verschiedene Weise in seinem Inneren. Dank dieses Zusammenspiels kann sich der Organismus in Harmonie mit seiner Umwelt entwickeln (Laszlo, 2004, S. 45). Wir kommen damit direkt auf die transpersonale Welt des menschlichen Bewusstseins zu sprechen. Wie Laszlo (2004) ausführt, entdecken Psychologen, Psychiater und Bewusstseinsforscher, dass Menschen auf feine, umfassende Weise miteinander verbunden sind. Der Geist eines Menschen scheint auf das Gehirn und den Körper eines anderen einwirken zu können. Diese Fähigkeit, die überlieferten Völkern bekannt war, wird heute in kontrollierten Experimenten nachvollzogen. (
) Menschen können jedoch nicht nur mit dem Geist anderer Menschen kommunizieren, sondern auch mit anderer Leute Körper in Wechselwirkung treten. Zuverlässige Beweise kommen ans Tageslicht, dass der bewusste Geist eines Menschen reproduzierbare und messbare Effekte im Körper eines anderen hervorrufen kann. Diese Effekte nennt man dann telesomatisch. (S.52) (
) Eine dieser Variationen ist die als spirituelle Heilung bekannte Form alternativer Medizin. Der Heiler wirkt auf spirituellem Wege auf seine Patienten ein, das heißt indem er seine Heilkraft oder Heilinformation ausstrahlt. Heiler(in) und Patient können dabei Angesicht zu Angesicht sein oder kilometerweit voneinander entfernt, die Entfernung scheint keinen Einfluss auf das Ergebnis zu haben. (
) Eine andere Form positiv orientierter sympathetischer Magie ist die Heilung durch Fürbitte-Gebete. (
) Wie im Southern Medical Journal 1988 berichtet, stellte der Kardiologe Randolph Byrd aus gewöhnlichen Leuten aus dem ganzen Land mit der einen Gemeinsamkeit, dass sie alle praktizierende Katholiken oder Protestanten waren, die regelmäßig beteten eine Versuchsgruppe zusammen. Die dazu ausgewählten Männer und Frauen wurden dann aufgefordert, für die Genesung einer Gruppe von 192 Patienten zu beten. (
) Weder die Patienten noch die Schwestern und Ärzte wussten, zu welcher Gruppe die einzelnen Patienten gehörten. (
) Die Ergebnisse waren sensationell: In der Gruppe, für die gebetet worden war, brauchten fünfmal weniger Patienten Antibiotika; dreimal weniger bebetete Patienten entwickelten Lungenödeme; niemand in dieser Gruppe benötigte Schläuche durch die Luftröhre (verglichen mit zwölf Patienten der Kontrollgruppe) und weniger Patienten verstarben in der betenden Gruppe als in der anderen. Es spielte keine Rolle, wie weit die Patienten von ihren Fürbittern räumlich getrennt waren oder auf welche Weise gebetet wurde (Laszlo, 2004, S.54).
