Tolkien
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Bengolf
Bengolf war durch das Zusammentreffen mit Alturin sehr nachdenklich geworden. Etwas Ungutes ging vor im Sternenwald, dessen war er sich sicher und er hatte das Gefühl, dass sich dort der Kern allen Übels befand. Er wollte seinem alten Freund Alturin helfen und er wollte in die Kristallstadt. Hatora würde sich bestimmt freuen, ihn wieder zu sehen und ihm ging es genauso. Der junge Mikkel hatte durch Alturins Erzählungen sein Interesse geweckt. Auch ihn wollte er unbedingt kennen lernen. Er wusste von einer alten Prophezeiung, die von Hatora gehütet wurde, aber er wusste zuwenig darüber, als dass er etwaige Schlüsse daraus ziehen konnte. Nun, vielleicht würde Hatora ihn bei seinem Besuch etwas mehr darüber erzählen. Bei seinem Ritt durch den Wald erreichte Bengolf eine kleine Lichtung, an der nicht weit entfernt ein alter Handelsweg vorbei führte. Kurz darauf vernahm er Geräusche, die vom Weg herüber zu kommen schienen. Er stieg ab und band sein Pferd hinter einem grossen Stein an einem Baum an. Vorsichtig bewegte er sich in Richtung des Weges. Die Geräusche wurden immer lauter. Hier mussten viele Menschen unterwegs sein. Er hörte Pferdehufe und ein lautes Klappern.
Bengolf versteckte sich hinter einem dicken Kastanienstamm und beobachtete den Weg. Dann tauchten sie auf! Askaden! Das kriegerische Volk aus dem Süden zog auf dem Handelsweg entlang in Richtung Kristallstadt. Pferde, Wagen und jede Menge Kriegsgerät führten sie mit sich. Der Tross riss nicht ab. Es mussten Tausende sein. Fahnen mit dem Zeichen der Askaden wurden getragen und zu ihrem eh schon grimmigen Aussehen erkannte Bengolf eine wilde Entschlossenheit in ihren Gesichtern. Ihre Waffen schepperten laut bei dem Gang über den Handelsweg. Schwerter, Kampfbeile, Schilde und Pfeil und Bogen waren zu sehen. Auf einigen Wagen wurden Teil von Rammböcken transportiert, die vor Ort zusammengebaut werden konnten. Am Ende des Zuges schlossen sich etliche Wagen mit Proviant an. Bengolf kannte die Askaden. In der letzten grossen Schlacht im vorherigen Zeitalter hatten sie sich auf die dunkle Seite geschlagen. Gemeinsam mit seinem alten Freund Alturin hatte er gegen sie gekämpft. Sie waren unerbittliche Gesellen, die keine Gnade kannten.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis der letzte Teil der Armee an ihm vorbei gezogen war. Bengolf wartete noch einen Augenblick, um nicht von eventellen Nachzüglern entdeckt zu werden. Er musste seinen Plan ändern und auf schnellstem Wege in die Kristallstadt reiten. Er musste Hatora warnen! Bengolf lief zu seinem Pferd zurück, sprang auf und trieb es an. Er wollte in einem Stück durchreiten. Nun war Eile geboten. Zweieinhalb Tage ritt er Tag und Nacht durch, es gab nur kurze Pausen um das Pferd zu tränken und dann kam er endlich an. Völlig erschöpft passierte er das Tor zur Kristallstadt und nahm den Weg empor zur Glasburg. Er gab sein Pferd in die Hand eines Wachpostens und gab ihm zu verstehen, dass er schnellstens mit Hatora sprechen müsste. Ein anderer Posten brachte ihn in die Glasburg. Dort erfuhr er, dass Hatora sich zusammen mit dem jungen Mikkel ausserhalb der Stadt befand. Sie kümmerte sich um seine Ausbildung und am Abend wollten sie zurück sein. Bengolf bekam ein Quartier zugewiesen und legte sich völlig erschöpft auf sein Bett. Eigentlich wollte er wach bleiben, um sofort mit Hatora sprechen zu können wenn sie eintraf, doch der Schlaf übermannte ihn fast augenblicklich. Zu anstrengend war der Ritt gewesen.
Er schlief unruhig und nach kurzer Zeit hatte er einen Traum. Er befand sich auf einer schönen Lichtung. Eine sehr alte Knorreiche befand sich dort und auf ihr war das Zeichen. Eine Sonne und zwölf Sterne rings herum. Hell strahlte die Sonne und die Sterne leuchteten in einem silbernen Licht. Dann wurde das Strahlen der Sonne etwas schwächer und zwei der Sterne erloschen. Plötzlich erlosch noch einer der Sterne und die Sonne verblasste wiederum ein wenig. Die alte Knorreiche gab merkwürdige weinerlich brummende Töne von sich. Wiederum erloschen zwei der Sterne und dann tat sich der Boden auf und grässlich aussehende Gestalten entstiegen dem Waldboden. Eine wilde Schlacht entbrannte in der auch seine Freunde Alturin, Hatora und ein Heer der Lichtkrieger kämpften. Dann ein greller Lichtblitz!
"Bengolf! Bengolf! Da besuchst Du mich nach über fünfzig Jahren wieder einmal und ich muss Dich schlafend vorfinden." Bengolf schlug die Augen auf und erkannte Hatora, die sich über ihn gebeugt und ihn wachgerüttelt hatte. Hektisch fuhr Bengolf hoch und stand auf. "Hatora!" Er verbeugte sich leicht vor der Herrscherin der Kristallstadt. "Ich muss Dir dringend berichten, Herrin. Es gehen schlimme Dinge vor." Hatora hob gebieterisch die Hand und Bengolf verstummte augenblicklich. "Du siehst furchtbar aus, mein Lieber. Ich habe Dir ein Bad vorbereiten lassen. Danach werden wir gemeinsam speisen. Ich möchte Dir jemanden vorstellen, den Du unbedingt kennen lernen solltest. Danach sprechen wir über alles und Du kannst berichten. Keine Wiederede!" Bengolf fügte sich. Er kannte Hatora zu gut und wusste, dass jetzt jedes Argument verpuffen würde. Also ergab er sich einem äusserst wohltuenden heissen Bad und ging dann anschliessend zu dem Raum, in dem Hatora zu speisen pflegte. Ein Bediensteter liess ihn ein. Er war allein und setzte sich auf einen der Stühle. Der Tisch war bereits gedeckt und die wunderbaren Speisen verdeutlichten ihm, wie gross sein Hunger inzwischen geworden war. Er hatte seit Tagen nichts Anständiges mehr gegessen. Am liebsten hätte er gleich ordentlich zugelangt, aber er wollte nicht unhöflich sein und auf seine Gastgeberin warten, wie es sich gehörte.
Es wurde fast unerträglich. Der Duft von frischem Obst und das dampfende Gemüse, der frische Käse und das lecker aussehende frische Brot raubten ihm fast den Verstand. Vielleicht doch schnell ein Griff in die verführerischen Weintrauben? Zwei oder drei würden bestimmt nicht auffallen. Langsam hob er seine Hand und griff sich die Weitrauben. "Greif ruhig schon zu Begolf, Du musst sehr hungrig sein," hörte er plötzlich Hatora's Stimme hinter sich. Er hatte sie nicht eintreten hören und erschrak so sehr, dass er die Trauben fallen liess. Er stand sofort auf und verbeugte sich leicht. "Verzeiht mir Herrin, aber mein grosser Hunger drohte mich zu übermannen. Ich wollte nicht unhöflich sein und habe mich auch lange zurückhalten können, aber dann..." Er machte eine entschuldigende Handbewegung. "Schon gut mein Lieber, antwortete Hatora, nimm Platz und lasse es Dir schmecken." Bengolf hob die Trauben auf und wartete, bis Hatora Platz genommen hatte, dann setzte er sich ebenfalls. Hatora bewegte ihn mit ihrer einladenden Handbewegung dazu, herzhaft zuzugreifen. Er lud sich seinen Teller ordentlich voll und liess es sich schmecken. Während des Essens wurde kein Wort gesprochen. Bengolf wusste, dass Hatora dies nicht mochte.
Als sie mit dem Essen geendet hatten, sagte Hatora: "Nun, was hast Du zu berichten, lieber Freund?" Bengolf wischte sich den Mund ab und erzählte Hatora von seinem Zusammentreffen mit Alturin, von seinen Erlebnissen im Sternenwald und von der Horde wilder Askaden, die er auf der alten Handelsstrasse gesehen hatte. "Du bringst keine guten Nachrichten Bengolf, sagte Hatora, ich hoffe dass Alturin bald zurück ist, damit wir gemeinsam beraten können. Hatora winkte einen der Bediensteten heran und trug ihm auf, den Tisch abzuräumen und liess ihn nach Mikkel schicken. Bengolf, der seinen Nachtisch schwinden sah, hob seine Hand und bat:" Äh, darf ich noch etwas von den wunderbaren Weintrauben?...." "Lasse die Schüssel mit den Trauben hier," wiess sie den Mann an.
"Ich möchte Dir nun unseren neuen Gast vorstellen, der seit einigen Tagen hier bei uns weilt und den ich ausbilden werde. Es ist der junge Mikkel, der durch unglückliche Umstände seine Eltern verlor, ein Lichtmagier-Ehepaar dass nicht allzuweit entfernt für das Wohl der Dorfbewohner und der Natur sorgte. Ein äusserst ungewöhnlicher Junge, der körperlich und geistig seinem Alter sehr weit voraus ist." Mikkel wurde hereingeführt. Er blieb vor Hatora stehen, verbeugte sich leicht und sagte: "Ihr habt mich rufen lassen Herrin?" Hatora ergriff das Wort. "Dies ist Bengolf, ein sehr alter Freund von mir. Gefährte und auch alter Freund von Alturin. Gemeinsam haben wir schon Einiges erlebt und so manche Schlacht geschlagen. Er wird helfen, Dich ordentlich auszubilden. Bengolf sah Hatora erstaunt an, denn er wusste noch nichts von ihren Plänen. Mikkel wandte sich Bengolf zu, nickte ihm kurz zu und grüßte mit einem Kopfnicken: "Herr". "Sei mir gegrüßt junger Mann. Sag, wie ist Dein Alter?" "Ich werde bald vier," antwortete Mikkel. Bengolf wandte ungläubig den Kopf und sah Hatora an. "Ich hatte Dir bereits gesagt, dass er auch seinem Alter weit voraus ist," sagte sie und lächelte Bengolf mit einer hochgezogenen Augenbraue an. "Das ist unglaublich," waren die einzigen Worte, die ihm dazu einfielen. "So nun verrichte weiter Deine Aufgaben, lieber Mikkel, ich habe noch mit Bengolf zu reden und wir sehen uns dann zum Abendessen." "Ja Herrin," antwortete Mikkel und verliess den Raum. Sein langes blondes Haar wehte beim Laufen hin und her.
Viele Dinge beredeten Hatora und Bengolf bis zum Abend und Bengolf brannte eine Frage auf der Seele. Hatora hatte es längst bemerkt und sagte:" Nun darst Du Deine Frage stellen, welche Dich schon seit Stunden umtreibt, Bengolf." Er fühlte sich ertappt und etwas verlegen rückte er damit heraus. "Ja in der Tat Herrin, Du hast Recht, es gibt da etwas...... Es geht das Gerücht um eine Prophezeiung, welche in unser Zeitalter fallen soll. Ich frage mich, ob Du sie kennst und mir wohl etwas darüber sagen kannst." "Gewiss kenne ich sie, denn sie liegt seit ewiger Zeit in den Gewölben der Glasburg. Höre gut!
"Einer wird kommen in jener Zeit
und das Licht wird sein Schwert sein,
zu grossen Taten früh schon bereit,
stellt sich schnell grosse Kraft ein.
Doch wohnen inne dem mannhaften Kind,
auch des Menschen niedere Teile,
ist er da, so achtet geschwind,
dass nicht dunkle Seite ihn ereile."
"Dies ist der Kern der Prophezeiung Bengolf. Ich bin mir sicher, dass von Mikkel die Rede ist. Ich wünsche mir sehr , dass Du hilfst ihn auszubilden. Deine Kenntnisse über den Umgang mit Pfeil und Bogen und Dein Wissen über die Naturkräfte wären sehr nützlich und hilfreich für ihn."
"Das werde ich sehr gern tun Herrin. Wie könnte ich auch anders, würde ich mich doch ansonsten um manches bereichernde Gespräch mit Dir und um so manchen Gaumenschmaus bringen."
"Du hast Dir von Alturin viele seiner Schmeicheleien abgeschaut und weisst, wie Du mit einer Frau sprechen musst, das gefällt mir, antwortete Hatora, und ich bin sehr froh über Deine Zusage. So kann ich mich auch noch um andere wichtige Dinge kümmern und weiss Mikkel bei Dir in den besten Händen."
"Ich danke Dir für Dein Vertrauen Hatora, entgegnete Bengolf, wenn es Dir recht ist, beginne ich gleich morgen."
"Das wäre ganz in meinem Sinne, Bengolf," entgegnete Hatora.
Es war schon spät geworden und Bengolf verabschiedete sich von Hatora und ging zu Bett. Er wollte morgen früh aufstehen und sich mit Mikkel beschäftigen.
Es würde bestimmt ein interessanter Tag werden...
H.A. - hier genannt Tolkien