Joey
Sehr aktives Mitglied
Hallo,
angeregt durch einen anderen Thread will ich diesen Thread mal starten, in dem es darum gehen soll: Was ist ein Beweise, und viel wichtiger: Was ist kein Beweis im naturwissenschaftlichen Sinn.
Zunächst wieder etwas grundsätzliches (was ich glaube ich schon sehr oft geschrieben habe): Was ist das Ziel der Naturwissenschaft? Das Ziel ist, eine möglichst einfache Beschreibung der Natur zu gewinnen. "Möglichst einfach" bedeutet dabei, dass ein paar wenige Gesetzmäßigkeiten zur Beschreibung möglichst vieler Beobachtungen gefunden werden soll. In der Physik geht das sogar so weit, dass man eine Theorie für alle Materiebausteine und deren Wechselwirkung untereinander sucht.
Eine Erklärung der Welt kann (und will) die Naturwissenschaft nicht liefern. Es steckt keine tiefere Wahrheit hinter ihr. Das ist leider ein Punkt, der aufgrund der schon sehr mächtigen Beschreibungsmacht der Naturwissenschaften gerne (gerade von Naturwissenschaftlern) übererhen wird. So kann die Naturwissenschaft selbst zu einer Ersatzreligion werden.
Eine gute Beschreibung der Natur muss überprüfbar sein. D.h. es müssen Vorhersagen getroffen werden, die im Experiment eintreffen können oder eben auch nicht. ein Experiment hat immer nur eine gewissen Messgenauigkeit und Fehlerwahrscheinlichkeit. Sollten Vorhersagen einer Hypothese im Rahmen der Messgenauigkeit eintreffen, so gilt das eben nur im Rahmen der Messgenauigkeit und bedeutet, dass die Theorie eben in dieser Genauigkeit richtige Vorhersagen liefert. Das bedeutet noch nicht, dass die Theorie als ganzes richtig ist, oder dass die Theorie exakt das richtige Erebnis liefert. Darum wird in Experimenten nicht versucht, eine Hypothee zu bestätigen (was fast unmöglich ist), sondern darum, sie zu widerlegen. Das bedeutet: Die Vorhersagen der Theorie liegen deutlich außerhalb der Fehlertolleranzen ihrer Vorhersage im Experiment.
In Experimenten hat man oft mehrere Hypothesen, die alle möglichst verschiedene Vorhersagen zum Ausgang des Experiments machen. Wird nur eine Hypothese getestet, so wird eine Gegenhypothese (die sog. Nullhypothese) dazu erstellt, die ebenso Vorhersagen liefern muss, die sich von der Testhypothese unterscheiden. Der Ausgang des Experiments entscheidet dann darüber, welche Hypothese angenommen wird als weiterer Puzzlestein zur Realitätsbeschreibung.
Ein wichtiges Werkzeug zur Erkenntnisgewinnung fehlt noch: Ockhams Rasiermesser: Beschreiben zwei Hypothesen die Realität gleich gut, so ist die einfachere zu wählen. So werden ausufernde Gedankengebäude vermieden, weil zwischen den Theorien eh nicht experimentell unterschieden werden kann. "Die einfachere Hypothese" ist dabei nicht die, die besser klingt oder unkomplizierter ist, sondern diejenige, die am wenigsten "neues" postuliert. Damit kann durchaus die falsche Hypothese ausgewählt werden, allerdings, solange beide Hypothesen gleiche Vorhersagen im zugänglichen Experimenten machen, ist das für die Wissenschaft schlicht egal. Sobald bessere Experimente zur Verfügung stehen, kann immeroch gewechselt werden.
Es existieren nun verschiedene Berichte und Untersuchungen über "übernatürliche Phänomene". NTE, OBE, Hellseherei, Jenseitskontakte, Tonbandstimmen, Intuition etc. Für all diese Effekte glauben Skeptiker (Naturalisten) gute Beschreibungen gefunden zu haben, bzw. zu finden, die nichts neues - also kein Jenseits oder ähnliches - benötigen, so dass der Glaube daran zumindest Ockhams Rasiermesser zum Opfer fällt.
Hier in diesem Thread will ich mögliche Versuchsdesigns zu verschiedenen Phänomenen diskutieren, die in Studien notwendig sind.
Nehmen wir z.B. NTE: Ein Versuch, der stattgefunden hat, ist Monitore mit dem Bildschirm nach oben in die Räume eines Krankenhauses zu montieren, in denen Wiederbelebungen stattfinden. Wenn das Bewusstsein den Körper wirklich verlässt, könnte es die Information auf den Monitoren sehen, die von unten nicht einsehbar sind. Ein positives Ergebnis hätte mit einem Schlag die Hyphothese "alles im Gehirn" falsifiziert. Soweit mir bekannt hat kein NTE-Patient die Monitore abgelesen. Das ist (glücklicherweise) kein Beweis gegen die These, dass das Bewusstsein die Seele verklässt. Ich merke mir auch nicht die Autonummern der Wagen, an denen ich vorbei gehe. Vielleicht kann die Seele auch nicht lesen... Möglichkeiten gibt es da viele, das negative Ergebnis zu erhalten ohne den Glauben an eine Seele zu verlieren.
Dieses Versuchsdesign ist damit also eher "mäßig". Die untersuchten Thesen liefern u.U. die selben Vorhersagen. Allerdings wäre ein positiver Ausgang für eine These der Knock-Out. Es ist somit durchaus Wert, diesen Versuch durchzuführen.
Eine weitere Kategorie stellen Wahrsagertests dar. Hier im Forum fand ja ein Wahrsagertest statt. Es müssen viele Erklärungen der Skeptiker ausgeschaltet werden, um zwischen der skeptischen und der spirituellen Sicht unterscheiden zu können. Dazu sehe man sich mal das Design des Wahrsagertests an. Wenn nach dem Ausschalten die Trefferquote der Wahrsager immernoch signifiknat höher als die Zufallserwartung ist, so wäre die skeptische Haltung falsifiziert (es sei denn, ein weiterer irdischer Effekt wird gefunden... da muss man geradezu paranoid sein). In dem Versuch hier lag die Trefferquote aber gut bei der Zufallserwartung (Design und Auswertung siehe Auswertungspdf im entsprechenden Thread "Der große Esoterikforums-Wahrsagertest")
Zum Schluss dieses Beitrages will ich mal ein Beispiel einer Studie über Tonbandstimmen liefern: http://www.stefanbion.de/tbs-list/artikel/fremd.htm
Nun die Quizfrage: Ist das gutes experimentelles Design? Ich liefere mal die Antwort: Nein! So beeindruckend das Ergebnis auch sein mag, die Experimentatoren haben etwas wichtiges vergessen oder nicht beachtet, was die Ergebnisse in Frage stellen könnte. Übelegt mal was.
In diesem Sinn viele Grüße
Joey
angeregt durch einen anderen Thread will ich diesen Thread mal starten, in dem es darum gehen soll: Was ist ein Beweise, und viel wichtiger: Was ist kein Beweis im naturwissenschaftlichen Sinn.
Zunächst wieder etwas grundsätzliches (was ich glaube ich schon sehr oft geschrieben habe): Was ist das Ziel der Naturwissenschaft? Das Ziel ist, eine möglichst einfache Beschreibung der Natur zu gewinnen. "Möglichst einfach" bedeutet dabei, dass ein paar wenige Gesetzmäßigkeiten zur Beschreibung möglichst vieler Beobachtungen gefunden werden soll. In der Physik geht das sogar so weit, dass man eine Theorie für alle Materiebausteine und deren Wechselwirkung untereinander sucht.
Eine Erklärung der Welt kann (und will) die Naturwissenschaft nicht liefern. Es steckt keine tiefere Wahrheit hinter ihr. Das ist leider ein Punkt, der aufgrund der schon sehr mächtigen Beschreibungsmacht der Naturwissenschaften gerne (gerade von Naturwissenschaftlern) übererhen wird. So kann die Naturwissenschaft selbst zu einer Ersatzreligion werden.
Eine gute Beschreibung der Natur muss überprüfbar sein. D.h. es müssen Vorhersagen getroffen werden, die im Experiment eintreffen können oder eben auch nicht. ein Experiment hat immer nur eine gewissen Messgenauigkeit und Fehlerwahrscheinlichkeit. Sollten Vorhersagen einer Hypothese im Rahmen der Messgenauigkeit eintreffen, so gilt das eben nur im Rahmen der Messgenauigkeit und bedeutet, dass die Theorie eben in dieser Genauigkeit richtige Vorhersagen liefert. Das bedeutet noch nicht, dass die Theorie als ganzes richtig ist, oder dass die Theorie exakt das richtige Erebnis liefert. Darum wird in Experimenten nicht versucht, eine Hypothee zu bestätigen (was fast unmöglich ist), sondern darum, sie zu widerlegen. Das bedeutet: Die Vorhersagen der Theorie liegen deutlich außerhalb der Fehlertolleranzen ihrer Vorhersage im Experiment.
In Experimenten hat man oft mehrere Hypothesen, die alle möglichst verschiedene Vorhersagen zum Ausgang des Experiments machen. Wird nur eine Hypothese getestet, so wird eine Gegenhypothese (die sog. Nullhypothese) dazu erstellt, die ebenso Vorhersagen liefern muss, die sich von der Testhypothese unterscheiden. Der Ausgang des Experiments entscheidet dann darüber, welche Hypothese angenommen wird als weiterer Puzzlestein zur Realitätsbeschreibung.
Ein wichtiges Werkzeug zur Erkenntnisgewinnung fehlt noch: Ockhams Rasiermesser: Beschreiben zwei Hypothesen die Realität gleich gut, so ist die einfachere zu wählen. So werden ausufernde Gedankengebäude vermieden, weil zwischen den Theorien eh nicht experimentell unterschieden werden kann. "Die einfachere Hypothese" ist dabei nicht die, die besser klingt oder unkomplizierter ist, sondern diejenige, die am wenigsten "neues" postuliert. Damit kann durchaus die falsche Hypothese ausgewählt werden, allerdings, solange beide Hypothesen gleiche Vorhersagen im zugänglichen Experimenten machen, ist das für die Wissenschaft schlicht egal. Sobald bessere Experimente zur Verfügung stehen, kann immeroch gewechselt werden.
Es existieren nun verschiedene Berichte und Untersuchungen über "übernatürliche Phänomene". NTE, OBE, Hellseherei, Jenseitskontakte, Tonbandstimmen, Intuition etc. Für all diese Effekte glauben Skeptiker (Naturalisten) gute Beschreibungen gefunden zu haben, bzw. zu finden, die nichts neues - also kein Jenseits oder ähnliches - benötigen, so dass der Glaube daran zumindest Ockhams Rasiermesser zum Opfer fällt.
Hier in diesem Thread will ich mögliche Versuchsdesigns zu verschiedenen Phänomenen diskutieren, die in Studien notwendig sind.
Nehmen wir z.B. NTE: Ein Versuch, der stattgefunden hat, ist Monitore mit dem Bildschirm nach oben in die Räume eines Krankenhauses zu montieren, in denen Wiederbelebungen stattfinden. Wenn das Bewusstsein den Körper wirklich verlässt, könnte es die Information auf den Monitoren sehen, die von unten nicht einsehbar sind. Ein positives Ergebnis hätte mit einem Schlag die Hyphothese "alles im Gehirn" falsifiziert. Soweit mir bekannt hat kein NTE-Patient die Monitore abgelesen. Das ist (glücklicherweise) kein Beweis gegen die These, dass das Bewusstsein die Seele verklässt. Ich merke mir auch nicht die Autonummern der Wagen, an denen ich vorbei gehe. Vielleicht kann die Seele auch nicht lesen... Möglichkeiten gibt es da viele, das negative Ergebnis zu erhalten ohne den Glauben an eine Seele zu verlieren.
Dieses Versuchsdesign ist damit also eher "mäßig". Die untersuchten Thesen liefern u.U. die selben Vorhersagen. Allerdings wäre ein positiver Ausgang für eine These der Knock-Out. Es ist somit durchaus Wert, diesen Versuch durchzuführen.
Eine weitere Kategorie stellen Wahrsagertests dar. Hier im Forum fand ja ein Wahrsagertest statt. Es müssen viele Erklärungen der Skeptiker ausgeschaltet werden, um zwischen der skeptischen und der spirituellen Sicht unterscheiden zu können. Dazu sehe man sich mal das Design des Wahrsagertests an. Wenn nach dem Ausschalten die Trefferquote der Wahrsager immernoch signifiknat höher als die Zufallserwartung ist, so wäre die skeptische Haltung falsifiziert (es sei denn, ein weiterer irdischer Effekt wird gefunden... da muss man geradezu paranoid sein). In dem Versuch hier lag die Trefferquote aber gut bei der Zufallserwartung (Design und Auswertung siehe Auswertungspdf im entsprechenden Thread "Der große Esoterikforums-Wahrsagertest")
Zum Schluss dieses Beitrages will ich mal ein Beispiel einer Studie über Tonbandstimmen liefern: http://www.stefanbion.de/tbs-list/artikel/fremd.htm
Nun die Quizfrage: Ist das gutes experimentelles Design? Ich liefere mal die Antwort: Nein! So beeindruckend das Ergebnis auch sein mag, die Experimentatoren haben etwas wichtiges vergessen oder nicht beachtet, was die Ergebnisse in Frage stellen könnte. Übelegt mal was.
In diesem Sinn viele Grüße
Joey