Der christlich-gnostische Schulungsweg
In der Ausbildung zur Anthroposophie lernt der Mensch zunächst die Philosophie der Freiheit, so frei zu sein, andere Meinungen zu akzeptieren und dennoch nur seinem eigenen inneren Weg zu folgen, der im göttlichen Licht des Johannes-Evangeliums begründet ist. In der Meditation über den Prolog zum Joh.-Ev. lernt der Mensch, sich einzufühlen in die Sphären der geistigen Welt. die vom Schreiber des Johannes-Evangeliums beschrieben sind.
Das Johannes-Evangelium als Vorbild des christlichen Einweihungsweges
Das
Johannes-Evangelium schildert in den
Kapiteln 1-12 zunächst die Einweihungserlebnisse des
Johannes auf dem
Astralplan; ab dem
13. Kapitel werden die Erlebnisse des nach drei Tagen
auferweckten Johannes-Lazarus in der
devachanischen Welt berichtet. Die Szene der Fußwaschung, die gleich zu Beginn des 13. Kapitels geschildert wird, bezeichnet zugleich die erste Stufe des christlichen Einweihungswegs.
"Denjenigen, der das Christentum gestiftet hat, konnte man nicht ohne weiteres erkennen, wenn man nur den gewöhnlichen, auf das Sinnliche gerichteten Verstand hatte. Dazu gehörte das, was die christlichen Mystiker vielfach in so großen und schönen Worten zum Ausdruck gebracht haben. Das meinte auch Angelus Silesius, wenn er sagt:
Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren
Und nicht in dir: du bleibst noch ewiglich verloren.
Es gibt ein inneres Christus-Erlebnis, es gibt eine Möglichkeit, dasjenige zu erkennen, was uns äußerlich entgegentritt in den Ereignissen, die sich zwischen den Jahren 1 und 33 in Palästina abgespielt haben. Derjenige, der aus höheren Welten hereingekommen ist in diese Welt, muß wiederum aus einer höheren Welt verstanden werden. Und der ihn am tiefsten schildert, mußte sich erheben zu den beiden höheren Welten, die hier in Betracht kommen, zu der astralen und zu der devachanischen oder mentalen Welt. Diese Erhebung des Johannes, wenn wir sie so nennen dürfen, war die Erhebung in die zwei höheren Welten. Diese stellt uns das Johannes-Evangelium in seinen Mitteilungen dar.
Die ersten zwölf Kapitel des Johannes-Evangeliums enthalten die Erlebnisse des Johannes in der astralen Welt. Vom dreizehnten Kapitel ab sind es die Erlebnisse des Johannes in der devachanischen oder mentalen Welt, so daß sich derjenige, der das niedergeschrieben hat, von Christus sagt - die Worte sind ganz vergleichsweise zu nehmen -: Hier auf dieser Erde hat Er gelebt, hier hat Er aus Kräften heraus gewirkt, die göttlich sind, aus okkulten Kräften heraus. Er hat Kranke geheilt, Er hat alles, vom Sterben bis zum Auferstehen, durchgemacht. Diese Dinge mit dem bloßen Verstande zu begreifen, ist unmöglich. Hier auf der Erde gibt es keine Wissenschaft, keine Weisheit, durch die man verstehen kann, was da geschehen ist. Aber es gibt eine Möglichkeit, hinaufzusteigen in die höheren Welten. Da wird man die Weisheit finden, durch die man den, der hier auf der Erde gewandelt hat, verstehen kann. So erhob sich der Schreiber des Johannes-Evangeliums hinauf in die beiden höheren Welten und ließ sich einweihen. Es war eine Einweihung, und seine Einweihung schildert der Schreiber des Johannes-Evangeliums, die Einweihung in die astralische Welt und die Einweihung in die devachanische oder Mentalwelt." (
Lit.:
GA 094, S. 190f)
Die Vorbereitung
Meditation über die ersten fünf Sätze des Prologs des Johannesevangeliums
Die ausgedehnte
Meditation über die ersten fünf Sätze des Prologs des
Johannesevangeliums geht dem Einweihungsweg voran und vermag das geistige Auge für die
Astralwelt zu öffnen:
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen. (
Joh 1,1)
Dabei hat man sich den Meditationsinhalt möglichst bildhaft vorzustellen. Beispielsweise sollten die ersten beiden Sätze des Prologs so meditiert werden, dass man sich das Bild einer gewaltig großen Kugel aufbaut, innerhalb der alle
Substanz in solcher Bewegung ist, dass sie sich formt und gestaltet nach der sinnvollen Bedeutung des sie durchklingenden «göttlichen Wortes». (
Lit.:
GA 267, S. 266)
"Johannes gibt nun auch dasjenige an, was ihn in einen solchen seelischen Zustand versetzt hat, was ihn hineingeführt hat in das Wahrnehmen auf dem astralischen Plan. Die Formel, die er als Meditationsformel gebraucht hat, steht am Anfang seines Evangeliums: «Im Urbeginne war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort. Dieses war im Urbeginne bei Gott. Alles ist durch dasselbe geworden, und außer durch dieses Wort ist nichts von dem Entstandenen geworden. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht schien in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.»
In diesen fünf Sätzen liegen die ewigen Wahrheiten, die in der Seele des Johannes die großen Gesichte herauszaubern. Das ist die Meditationsformel. Derjenige, für den das Johannes-Evangelium geschrieben ist, darf es nicht nur lesen wie irgendein anderes Buch. Er muß die ersten fünf Sätze als Meditationsformel betrachten, dann lebt er Johannes nach, dann sucht er dasselbe zu erleben, was Johannes erlebt hat. Das ist der Weg, ihm nachzuleben, so ist es gemeint. Johannes sagt: Tut, was ich getan habe, lasset in euren Seelen die großen Sätze «Im Anfang war das Wort» und so weiter wirken, und ihr werdet bewahrheitet finden, was in meinen zwölf ersten Kapiteln gesagt ist.
Das ist etwas, was einzig und allein zum Verständnis des Johannes-Evangeliums beitragen kann. So ist es gemeint, und so soll es benutzt werden. Was nun das «Wort» bedeutet, das habe ich auch schon öfter erwähnt. Im Anfang - fassen wir das richtig, was das heißt. «Im Anfang» ist keine gute deutsche Übersetzung. Die Übersetzung müßte eigentlich lauten: Aus den Urkräften sproßte das Wort heraus. Das heißt es: da kam das Wort heraus, aus den Urkräften heraus. Im Anfang heißt also: aus den Urkräften heraus.
Wenn der Mensch in diesen Schlaf zustand kommt, dann ist er nicht mehr in der sinnlichen Welt. Er geht in eine seelische Welt hinein, und in dieser seelischen Welt erlebt er die Wahrheit über die sinnliche Welt. Da geht ihm die Wahrheit der sinnlichen Welt auf. Er geht aus den abgeleiteten Worten der sinnlichen Welt zu den Urkräften zurück und steigt zu den Worten der Wahrheit auf. Jede Wahrheit hat sieben Bedeutungen. Für den sich versenkenden Mystiker hat sie hier aber diese Bedeutung: Die Erkenntnis, das Wort, das da aufgeht, ist nicht etwas, was gestern und heute gilt, sondern dieses Wort ist ewig. Dieses Wort führt zu Gott, weil es bei Gott selbst immer war, weil es das Wesen selbst ist, das Gott in die Dinge hineingelegt hat.
Es gibt aber noch ein anderes Verständnis, und das erwirbt man sich, wenn man jeden Tag immer wieder zurückkehrt zu dem bedeutsamen Wort: «Im Urbeginne war das Wort.» Wenn man anfängt, es nicht nur mit dem Verstande, sondern mit dem Herzen zu verstehen, so daß das Herz ganz eins wird mit diesem Wort, dann geht die Kraft auf, dann beginnt schon der Zustand, von dem Johannes spricht. Er schildert das mit großer Anschaulichkeit: «Alles ist durch dasselbe geworden, und außer durch dieses Wort ist nichts von dem Entstandenen geworden.»
Was finden wir in diesem Wort? Wir finden das Leben. Was erkennen wir durch das Leben? Durch das Licht? Ganz wörtlich müssen wir die religiösen Urkunden auffassen, wenn wir zu einer höheren Erkenntnis aufsteigen wollen. Wohin scheint das Licht, wenn der Mensch dazu kommt? In die Finsternis der Nacht. In diejenigen kommt es hinein, die schlafen. Es kommt in jeden hinein, der schläft. Aber die Finsternis hat es nicht begriffen- bis die Fähigkeit entstand, es auf dem astralen Plan wahrzunehmen. So ist auch der fünfte Satz wörtlich zu verstehen. Das astralische Licht scheint hinein in die Finsternis der Nacht, aber die Menschen sehen gewöhnlich nicht das Licht, sie müssen erst sehen lernen.
Da für den Schreiber des Johannes-Evangeliums dies alles Wirklichkeit wurde, ging ihm auch das Licht auf, wer der war, dessen Schüler und dessen Apostel er war. Hier auf Erden hat er ihn gesehen. Nun hat er ihn auf dem astralen Plane wieder entdeckt, und er hat erkannt, daß der, welcher auf Erden im Fleisch gewandelt ist, von dem, was in seinem eigenen tiefsten Inneren lebt, nur durch ein Etwas unterschieden war. In jedem einzelnen Menschen lebt ein Gottmensch. In ferner Zukunft wird dieser Gottmensch aus jedem einzelnen auferstehen. So wie der Mensch heute vor uns steht, ist er in seinem äußeren Ausdruck mehr oder weniger ein Abdruck des inneren göttlichen Menschen, und dieser innere göttliche Mensch arbeitet fortwährend an dem äußeren Menschen." (
Lit.:
GA 094, S. 194ff)
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